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Bei geöffnetem Fenster

02.02.2022

Machst du hier das Fenster auf,
hörst du weiche Wellen schluchzen,
Flattern aufgescheuchter Tauben,
manchmal auch ein Kind, das ruft,
weil sein Hündchen auf der Suche
nach dem Ball im Dickicht tappt.
Und du siehst die Stille leuchten
in dem grauen Schaum der Wolke,
die sehr langsam weiterzieht.
Überwölbt von Buchenzweigen
gehen Schatten durch Alleen,
doch du hörst die Tritte kaum,
die auf hellen Kieseln knirschen.
Fernhin blaut der sanfte Rücken
des Gebirgs wie eines Riesen,
der zum Schlaf sich hingestreckt.
Und du weißt, du bist nicht einsam,
wenn auch keine Hand sich dir
gütlich auf die Schulter legt,
und sich, ach, kein Liebes löst
aus den Schatten der Passanten
und ein Blütenblatt, sein Lächeln,
sanft vom Abendstrahl gerötet,
dir aus grünem Dämmer hebt.
Du bist eins und du bist alles,
denn die Welt ist dein, das Leben,
wie ein Odem fremd-vertraut,
der mit Tau und Traum behaucht.
Wenn du nun das Fenster schließt,
und nicht weißt, ob du geschaut
wie im Glanz des Teichs Narziss,
bleibt der Hauch im Dunkel nah,
atmet dir Gedächtnis zu,
Bild der Wolken weht dir nach,
sagt ein Seufzen dunkler Wasser,
daß ins Grenzenlose wogt,
was aus engem Brunnen quoll.
Und du siehst, die Lider fallen
schon herab, in fahlen Linnens
Schnee ein Glitzern süßer Tränen.
Und du hörst im Halbschlaf noch
aus des Herzens dunklen Schilfen
heißes Flattern, fernes Bellen.

 

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