Staub der Sprache
Was aus der Dunkelheit hervorgequollen,
hat schimmernd uns den öden Karst genetzt,
das Wort. Und es versickerte. Zuletzt
ging, was dank ihm ins Licht gedrängt, verschollen.
Umsonst, den Staub der Sprache aufzuwühlen,
ertaubter Sinn kann Wahres nicht mehr fühlen.
Hoch mußt du zwischen kahlen Felsen steigen,
wo kaum noch Moos erweicht die harsche Bahn,
das edle Blau zu finden, Enzian,
die leere Fülle im entrückten Schweigen.
Die Blüte sollst du ungebrochen lassen,
sie würde dir beim Abstieg bald erblassen.
Im Schilf des Schlafs gehört
Strahl, der ins Dunkel der Pupille dringt,
und grelle Bilder, die uns blinde Nerven malen,
sie rinnen hin wie Tau in Blumenschalen,
wie Brunnenwasser, das im Traume singt.
Ein Flüstern, fern im Schilf des Schlafs gehört,
von Worten, die wie blasse Gaze wehen,
läßt uns Gespinste, märchenzarte, sehen,
von süßen Rätseln scheint das Herz betört.
Hüllt uns der Violine warmes Drängen
den Abschied noch in goldnes Abendrot?
Mag tragen uns aus grauen Rauschens Engen
des Sichelmondes stilles Silberboot?
Verheißen nicht die Schatten, die sich längen,
das Laub des Dämmers, einen sanften Tod?
Bemerkungen zur Sprache
Philosophische Sentenzen und Aphorismen
Alle Glieder und Organe des menschlichen Körpers haben ihren Namen. Wir sprechen nicht nur von Fuß, Bein, Knie, Bauch, Arm, Hand und Kopf, sondern bei der Hand von den Fingern und wieder von Daumen, Zeige-, Mittel-, Ring- und kleinem Finger, Handballen und Handwurzel; nicht nur vom Kopf, sondern von Stirn, Wangen, Mund, Lippen, Augen; und wieder nicht nur vom Auge, sondern von Lidern, Wimpern, Augapfel, Iris und Pupille.
Allerdings genügen dem Chirurgen unsere gleichsam naturhaft gewachsenen Alltagsbenennungen nicht, um seine minutiösen Schnitte zwischen Adern und Nerven zu machen; hier bedarf er der Erweiterung der medizinischen Fachterminologie, die sich mittels immer neu verfeinerter Beobachtung entfaltet hat.
Es ist ein Unterschied, ob ich sage „Er gab mir die Hand“ oder „Er ließ mich seine Pranke spüren“. – In beiden Fällen liegt semantisch das zugrunde, was wir das Bedeutungsradikal <Hand> nennen können; an der Fülle der Variationen ermessen wir den sprachlichen Reichtum semantischer Nuancen: Hand, Pranke, Tatze, Pfote, Faust, Händchen, Pfötchen, Fäustchen.
Pranke ist eine schlichte Benennung, wenn es sich um einen Löwen handelt, auf Menschen gemünzt, ist es eine metaphorische Zuspitzung, die eine humoristische Note oder satirische Übertreibung leisten mag.
Die Hand eröffnet uns das weite, unübersichtliche Bedeutungsfeld des Handelns und der Handlung, in dem wir uns vor philosophischen Fallstricken zu hüten haben.
Wir sprechen von Handzeichen und meinen damit, daß eine mit der Hand ausgeführte Geste und Bewegung nach einem bekannten Zeichencode erfolgt, so daß die Geste von jenem, dem sie gilt, ohne weiteres decodiert werden kann. Der Code kann gleichsam natürlich aus der Alltagskommunikation erwachsen (herbeiwinken, zum Abschied winken) oder bereichsspezifisch konventionalisiert worden sein (die Handzeichen des Dirigenten, die mit einem Stab in der Rechten verstärkt werden).
Das meiste, was wir tun, bedarf der mit Hilfe von Greifen, Nehmen, Geben tätigen Hand. Wir handeln mit der Hand, so wie wir mit den Agen sehen.
Einer bewegt die Figur der Königin auf dem Schachbrett; damit verfolgt er die Absicht, dem Gegner Schach zu bieten. – Hat er den Bauern geschlagen und Schach geboten, sprechen wir von der Tatsache, daß sein Spielzug erfolgreich war und seine Absicht oder der Handlungszweck erfüllt wurde.
Freilich, wir können Schach zu spielen träumen oder davon, den verstorbenen Freund zu sehen. – Doch scheuen wir davor zurück, dies im eigentlichen Sinne Schach spielen oder sehen zu nennen.
Allerdings dürfen wir, was wir mit handeln und Handlung meinen, nicht auf den Begriff eines absichtlichen Tuns einengen; denn vieles tun wir gleichsam routiniert, ohne mit jedem Handlungsschritt eine bewußte Absicht zu verbinden; Fahrrad fahren etwa, aber auch reden.
Unterhalten wir uns oder plaudern, schlagen wir nicht unentwegt gleichsam in einem unsichtbaren Wörterbuch nach, um das jeweils passende Wort oder eine besseres Synonym zu finden, wir bilden nicht im Geiste einen Satz in der Absicht, ihn hernach lautlich zum Ausdruck zu bringen, sondern formulieren die Aussage beim Reden.
„Wer handelt, wer spricht?“ – Metaphysik legt uns Fallstricke im Bedeutungsfeld der sprachlichen Kommunikation mittels vertrackter, in Aporien führender Fragestellungen aus.
Mein Freund Peter liest, was ich ihm geschrieben habe. Er sieht es leibhaftig mit seinen leibhaftigen Augen vor sich. Aber ist diejenige Instanz, die liest und lesend versteht oder nicht versteht, sein unsichtbarer Geist oder sein Gehirn? – Es ist Peter, der liest, und diese Auskunft muß uns genügen.
Sind Peters Augen aber nicht gleichsam Instrumente, mit denen er die Handlung des Lesens ausführt, so wie der Handwerker mit den Händen das Werkstück bearbeitet?
Freilich, Peter kann, um eine Sehschwäche auszugleichen, eine Brille aufsetzen, wie der Handwerker einen Hammer zur Hand nehmen kann, um seinem Zweck Nachdruck zu verleihen. Aber Peter kann nur lesen und lesend verstehen, was ich ihm geschrieben habe, weil er lesen gelernt hat. Und er kann nur verstehen, was er liest, weil er Bedeutungen und Bedeutungseinheiten zu identifizieren gelernt hat; zum Beispiel die Bedeutungseinheit einer Frage anhand der Wortstellung und des Fragezeichens.
Doch wird mein Freund mit den rhetorischen Fragen „Stammt nicht auch das krumme Holz Kants aus dem großen Wald der Natur?“ oder „War nicht der Wicht Napoleon eine historische Größe?“ überfordert sein, wenn er nicht zwischen echten und rhetorischen Fragen, zwischen aufrichtigen und ironischen Aussagen zu unterscheiden gelernt hat.
Nachdem Ödipus das grauenhafte Rätsel seiner Herkunft herausgefunden hat, blendet er sich am Ende der Tragödie des Sophokles; aber der Schauspieler tut dies nicht wirklich, sondern nur scheinbar; die Handlung ist eine Scheinhandlung, denn sie spielt im fiktiven Rahmen eines theatralischen Spiels.
Wir tun nicht gut daran, unser alltägliches Reden und Handeln in Anführungszeichen zu setzen und indem wir es sozialen Rollen und ihren Funktionsträgern zuweisen, gleichsam zu theatralisieren; denn damit nehmen wir ihm den Ernst. – Die echte Mutter spielt nicht Mutter und der Moribunde spielt nicht den Sterbenden.
Es ist daher angemessener, statt von Sprechakten von Sprachhandlungen zu reden; der Anklang an Rollenspiele und theatralisch-fiktive Akte ist verfänglich.
Die Chorlyrik der antiken Tragödie hat viele Anklänge an jene kultischen Gesänge, die ihren Ursprung im Kult des Dionysos verraten. – Doch sollen wir etlichen hebräischen Psalmen wegen ihres Kunstcharakters den echten Rang von Gebeten absprechen?
Wie können wir zwischen dem künstlichen Schnee auf den Gipfeln der Hymnen Hölderlins und den schmerzlich blendenden Kristallen echter Frömmigkeit unterscheiden?
Nur doktrinäre Narren wähnen, die Sprache könnte über den konventionellen Zuwachs des Wörterbuchs hinaus in ihren grammatischen Tiefenstrukturen willkürlich nach eigenem Gusto und Ermessen verändert werden, ohne daß der Sprachgeist empfindlichen Schaden davontrüge.
So kommt die Gendermanie des hypermoralisch kastrierten unzüchtigen Gewäschs dazu, statt von Studenten von Studierenden, statt von Wissenschaftlern von Wissenschaffenden zu schwadronieren, zu dumm, um zu begreifen, daß auch schlafende Studenten Studenten bleiben, nicht aber schlafende Studierende, daß eine wesentliche Leistung des Wissenschaftlers darin besteht, vorgebliches Wissen als Scheinwissen zu entlarven.
Nur der ideologisch fanatisierte Narr glaubt, mit Ausdrücken wie Lehrer, Zuhörer, Fahrer oder Kenner seien nur Männer gemeint. Als erklängen nur tiefe Stimmen, wenn der Sängerkreis zusammenkommt.
Selbst das medial aufgehübschte Lyrikwunderfräulein spricht heute von Autoren und Autorinnen, Lesern und Leserinnen.
Der Mohr von Venedig muß heute eine Maske tragen – über der Maske seiner Rolle.
Der neue ideologische Puritanismus stört sich an der Nacktheit der Venus, aber nicht an der obszönen Entblößung seiner pervertierten Sprache, vom Exhibitionismus jener, die sie nackt in Lederriemen geschnürt festtäglich hinauskrakeelen, zu schweigen.
Sie haben keine sprachliche Schöpfung vollbracht, das Sprachcliché und die Phrase genügen, um sich selbst ins Scheinwerferlicht zu rücken und den wahrhaft Schöpferischen in den Schatten des Parias.
Muß ich, weil jene, die den Genozid am jüdischen Volk zu verantworten hatten, die ethnische Relevanz des Volksbegriffs voraussetzten, nunmehr der kulturell zerstörerischen Auflösung und Vermischung aller Völker und Nationen das Wort reden? Wäre dies Ausdruck eines trügerischen Schuldempfindens oder schlicht logische Dummheit?
Ich bin nicht geneigt, halbrohes Fleisch zu verschlingen, weil der Führer es verschmähte, auch nicht, um das barbarische Gebrüll des Klumpfußes zu vermeiden, pseudolyrisch zu röcheln.
Muß ich einzig ungegenständlicher Kunst huldigen, weil die Falschen die gegenständliche zum Fetisch erhoben?
Soll ich, um dem Verdacht metaphorisch gesüßter Verse zu entgehen, nur saure poetische Trauben anbieten?
Scheinleben ohne Kontakt mit den tragischen Mächten des Daseins in sekundären Institutionen und kulturellen Blasen wie Hochschulen, Parteien und Parlamenten kompensiert seine Erfahrungsarmut in Sekundärsprachen inzestuöser Abkunft wie dem Genderkauderwelsch oder den hysterischen Litaneien der Klimareligion.
Wieso bestehen Antirassisten darauf, die öffentlichen Bildschirme mit immer mehr Angehörigen einer bestimmten Rasse, der schwarzen, zu bevölkern?
Wenn es zum Schwur kommt, im Verteidigungs- und Kriegsfalle, lassen jene, die sie nur locker angelegt haben, die Maske der Integration bald sinken.
Was kann es unter Angehörigen konfligierender Kulturkreise Pazifizierenderes geben als die Trennung von Tisch und Bett, alias Apartheid?
Wie der Fall Arminius zeigt, ist es bisweilen ein Zeichen machtpolitischer Kurzsichtigkeit, den Kulturfremden die eigene Sprache lernen und in die Arcana der Herrschaft eindringen zu lassen.
Muß ich die Ilias Homers und die Gedichte Pindars auf den Müll werfen, weil sie Angehörige einer imperialen Welt waren, die Pflanzstädte und Kolonien rund um das Mittelmeer bis ins heutige Rumänien, Nordafrika und Asien gründete? Von der Literatur der Römer, die ganz Europa kolonialisierten und uns zum kulturellen Nährboden machten, zu schweigen.
Klassische Schriftsteller wie Herder, Kant, Hamann und Goethe, die sich wie die antiken Historiker Herodot oder Tacitus des kulturellen Unterschieds der Völker und Ethnien bewußt waren, werden nach und nach zensiert. Wann werden ihre Denkmäler verhüllt oder abgetragen, die nach ihnen benannten Straßen umbenannt?
Was wir Norm nennen, können wir an der normativen Struktur der Sprache ablesen. So muß ich etwa, um das Denkbare dem Faktischen gegenüberzustellen, die sprachlich korrekten Formen des Irrealis bilden können: Würden wir hier einen Durchgang schaffen, dürfte sich der zeitlich-energetische Aufwand zur Bewältigung der Strecke halbieren.
Normal aber nennen wir, was das biologische und soziale Leben sichert, auf Dauer stellt und so lange währt wie möglich: Die monogame Familie ist die Norm des Gemeinschaftsleben, nicht weil es rechtgläubige Fanatiker ihren Schriften entnehmen, sondern weil die Nachkommenschaft nur mittels der Vereinigung geschlechtlich polarer Gameten, sprich von Mann und Frau, gesichert wird und im besten Falle wohlbehütet aufwächst und mit dem erforderlichen Können und Wissen (wie der Sprache) versorgt wird; und weil das soziale Leben mit seinen Versorgungseinrichtungen nur durch die geregelte Abfolge der Generationen auf Dauer gestellt werden kann.
Norm der Sprache ist die Verständlichkeit, das heißt die möglichst eindeutige und unmißverständliche Übermittlung von Tatsachen, Wünschen, Fragen, Erwartungen und Erinnerungen mittels ökonomisch eingesetzter lautlicher Mittel; normal, was wir als angemessene Mittel zur Erlangung der uns vorgegebenen objektiven Zwecke des sozialen Lebens, wie beispielsweise seinen Erhalt mittels Nachkommenschaft, akzeptieren.
Wir erkennen und ermessen die Kraft der Normen an den Sanktionen, mit denen sie bewehrt sind, oder den fatalen Folgen, die ihre Übertretung nach sich ziehen, Wer aufgrund einer neurologischen Erkrankung unverständlich redet, kommt ohne Hilfe im Leben nicht mehr zurecht; wenn mehr und mehr ihrer Verächter die Institution der auf Nachkommenschaft zielenden Ehe diskreditieren, ist die Gemeinschaft auf Dauer vom Aussterben bedroht.
Am Leidenspflock
Daß nichts dich deiner selbst entreißt, hast fest
gebunden du am Leidenspflock die Seele.
Du ahntest nicht, daß sie die Nacht dir stehle,
sie zehre ab der Schwermut schwarze Pest.
Was jugendlich gelächelt, Anmut schwand,
es blaßten hin der Heimat goldne Triften,
verwischt wie unter Palimpsesten Schriften
sind alle Chiffren, die dein Geist erfand.
Es blieben dir nur schwachen Odems Worte,
die späten Rosen, die sich müde neigen
an üppig einst umrankter Gartenpforte.
Ihr Duft verweht ins abendliche Schweigen.
Wenn auch der letzten Knospe Schmelz verdorrte,
verstummt dein Herz und Geisterstimmen steigen.
Auch du erhellst die Nacht
Willst du, was schön und edel ist, erfahren,
steh still und schau der Charis hohen Gang,
lausch Stimmen, zart gefügt im Widerklang,
die sich ihr Licht im Zwielicht rein bewahren.
Und steigst empor du auf Gesanges Stufen,
siehst du, wie auf den Abgrund Glänzen schwebt,
vor Schauern heitern Lebens Knospe bebt,
wenn „Tu dich auf“ ihr sanfte Strahlen rufen.
Dir schwindelt nicht, mag nur der Klang dich tragen,
Zweig unter den Geschwistern eines Baums,
die windgewirbelt ja zu Schimmern sagen.
Und bist du bloß das Flimmern eines Flaums,
ein leiser Reim, wenn Hymnenflügel schlagen,
auch du erhellst die Nacht des stummen Raums.
Inspiriert durch:
https://www.youtube.com/watch?v=N6sUlZa-IrU&list=RDN6sUlZa-IrU&start_radio=1
Auch eine Einladung zur Reise
Une autre Invitation au Voyage
„Hörst du das Schluchzen nicht aus dunklem Grunde,
auf totem Teer verdorrten Blattes Scharren?
Willst du ein Schatten unter Schatten harren,
weit gehen noch zu dieser späten Stunde?“
„Der Heimat Sänge sind verstummt, die frommen.
Ich stehe, doch will in die Tiefe fallen.
Ich rede, doch wie Somnambule lallen.
Der Heimat süße Lichter, sie verglommen.“
„Zum nahen Strom, Freund, will ich dich geleiten,
dort ist ein Kahn, ein Fährmann, altersgrau,
er kennt das Ufer, wo sich Blumen breiten.“
„Dein Wort kühlt meinen Schmerz wie Abendtau.
Ich fühle schon, wie sich die Engen weiten,
ich sehe schon der Knospen Orphisch-Blau.“
Schimmer und Staub
Wer sah den Wagen mit der goldnen Scheibe,
als erster auch das Pferd, das mit ihr schwebt,
wie sich ein Schimmer aus der Urnacht hebt,
daß uns ein Tag zu Saat und Sange bleibe?
Wer sah zuerst das Licht im Dämmerhaine,
die Göttin, wie sie segnend in die Flur
mit mildem Lächeln zu Entrückten fuhr,
wie sie entschwand in Teiches grünem Schreine?
Noch kleben am Kristall des Lichtes Krumen
der Erdnacht, und ein bittrer Tropfen rinnt
dir, Dichter, an des Liedes zarten Blumen,
wenn deiner Schwermut Dämmerung beginnt,
verdunkelnd selbst das Wort von Christi Lumen.
Siehst du zuletzt Staub wirbeln Wüstenwind?
Zur Veranschaulichung:
Sonnenwagen von Trundholm: http://www.jenseits-des-horizonts.de/wp-content/uploads/2012/07/8.8.Sonnenwagen-600×428.jpg
Die altgermanische Göttin Nerthus: Tacitus, Germania, Kap. 40
Die gestutzten Krallen
Dies Volk ward geistig matt und flügellahm,
das einmal sich den Adler auserkoren
zum Bild, daß es zu hohem Flug geboren.
Gestutzt die Krallen hat ein Scheusal zahm
in ihren Käfig die Moral gesteckt.
Da döst er unterm Lappen greller Streifen.
Wie faule Keime, die zur Frucht nicht reifen,
sind Völker, die der Ahnen Schatten schreckt.
Was bleibt, sind auf zerbrochenen Steinen Moose,
auf Namen wuchernd, die wir einst verehrt.
Doch der emporgereckt die Purpurrose,
den Hochsinn hat der wüste Geist verzehrt.
Volk, taumelnd in die Nacht, ins Namenlose –
schweig, Dichter, daß nicht Schmach dein Wort versehrt.
Aus den Liedern der Verheißung
Sacht rührt er an die Lade wie im Traum,
Granatfrucht baumelt an des Priesters Saum,
gefüllt mit des Gesetzes dunklen Kernen,
zu sprießen auf dereinst dem Volk zum Baum
mit abertausend roten Blütensternen.
Daß es in seinem Rauschen Eden fühle,
sein Schatten ihm den Brand der Wüste kühle.
Wenn der verbrannten Erde Rinde springt
und aus dem Karste wieder Feuchte dringt,
wird fliehen aus den dumpfen Schmerzverliesen
die Schar der Treuen, und vom Tau beschwingt,
erquickt sie feuchter Glanz der Sonnenwiesen.
Daß uns der Herbst nach panisch-stummen Schrecken
noch gebe, des Gesanges Wein zu schmecken.
Zur Vertiefung siehe auch: 2 Mose 28, 33 f.
Gottes verlassener Garten
Und Gott durchwandelte den schönen Garten,
und sah, was er gepflanzt, war schon verblüht.
Bald wandte er sich ab, des Anblicks müd,
hoch stob das Laub, da goldne Schuhe knarrten.
Er ging, ins trunkne Einerlei zu lauschen
an öder Küste ewig-grauem Rauschen.
Hast Blüten, lichte Kränze, du gewunden,
sie auf des Traumes Schwelle uns gelegt,
hat Nachtwind jählings sie hinweggefegt,
der Blume Wort, der Duft blieb unempfunden.
So sah ich, Dichter, dich mit Schatten spielen,
die kaum gebannt, im Herzen schon zerfielen.
Als Schwermut liegenblieb
„Freund, wir wollen weiterwandern.
Die Sonne steigt, die Luft ist lau.
Der Sehnsucht Pfade, sie mäandern
an hohen Stroms umschilftem Blau.“
„Ich bin zu müd für Pilgergänge,
mein Herz litt einen tiefen Sprung.
Die fernhin locken, Lichtgesänge,
hat mir verdüstert Dämmerung.“
„Vielleicht, daß wir ein Heilkraut finden,
das deine Wunde, Lieber, heilt,
wo sanfte Musen Blumen winden
und still der Geist der Liebe weilt.“
„Ach, laßt mich, Freunde, hier nur liegen.
wo weich das Moos, die Schatten mild.
Ins Dunkel soll mich Rauschen wiegen,
das fern mir wie aus Eden quillt.“
Die fremde Last des Lebens
Wer ihn auch wirft, der Schatten weiß es nicht.
So tragen wir die fremde Last des Lebens.
Das Grübeln müden Geistes ist vergebens,
ob Dunkel uns gezeugt hat oder Licht.
Kein Innen ist, kein Außen, das uns hält.
So kommt und geht des Lächelns sanfte Welle,
legt Hauch uns Blüten auf des Traumes Schwelle,
weht weher Duft von Versen ferne Welt.
Von Flammen einer dunklen Glut entfacht,
sind wir wie Kerzen, die sich selbst verzehren.
Verwaiste irren wir in Götternacht,
kein Seher ist, den rechten Weg zu lehren.
Ein bittrer Rauch steigt aus der Seele Schacht,
Gewölk von Psalmen, die nicht wiederkehren.
Im Liebesdunkel
Wie im Liebesdunkel Käfer sprühen,
Früchte sanft im Dämmerlaub erglühen,
sind die Verse schwermutsüßer Nacht.
Kühle Gluten hat der Mond entfacht
Versen, die nur in den Nächten blühen.
Mag auch Eos ihre Rosen streuen,
Glocken wecken, die am Licht sich freuen,
ist Selene erst hinabgeblaßt,
Sonne wird, weil Schwermut ihr verhaßt,
Dichter, deinen Vers nicht mehr erneuen.
Das paradoxe Nichts
Aus den Meditationes mortis
Der Tod verfinstert jedes lichte Maß.
Wir denken als Verlust ihn, doch vergebens,
verlieren ist wie finden Teil des Lebens.
Am Brocken Tod zerbricht das Wort wie Glas.
Das Dunkel scheint die Hülle nur des Lichts,
die Nacht zu furchen Schneisen in die Helle.
Ein Widerhall längst ausgerauschter Quelle
verweht das Wort im paradoxen Nichts.
Doch fühlen wir wie eine Made nagen
den Tod im roten Fruchtfleisch unsrer Lust,
lähmt uns schon bald ein glückliches Verzagen –
je ausgehöhlter eines Menschen Brust,
je minder wird der eitle Drang zu sagen,
was jeden Sinn zersetzt, der uns bewußt.
Angeregt durch den Vortrag „Unsere Angst vor dem Tod“ von Prof. Dr. Ernst Tugendhat, gehalten am 2. Juli 2003 in der Carl Friedrich von Siemens Stiftung, München:
https://www.youtube.com/watch?v=Anbp8kDk2eU
flamen und carmen
Die Taube pickt und pickt, da bleibt kein Rest.
Von eigner Brut nur läßt der Wolf sich bitten.
Wer gab dir ein, den Schaum vom Trank zu schütten,
von Gut und Blut zu opfern Gott zum Fest?
Nur uns tönt süß das Lied der Nachtigall,
ein Stechen fühlt im Ohr wohl ihr Rivale.
Zerbrechen will des Lebens harte Schale
an dunkler Abendglocke Widerhall.
Was sprühen ließ die Glut des Opfers, flamen,
und Rauch, der Seele Bildnis, stieg empor,
gab früher Priesterschaft den edlen Namen.
Der um die Fluren tanzend sang, der Chor
hat eingesenkt des Liedes Wundersamen.
Sprießt aus geborstenem Teer er noch hervor?
Angeregt durch:
Gregor Maurach, Enchiridion Poeticum, Hilfsbuch zur lateinischen Dichtersprache, Darmstadt 1983, § 107
Muscheldunkles Brausen
Schon wölben Dünen sich aus goldenem Sand,
des Nachts von einem warmen Wind gesandt.
Schon haben sanftes Rauschen wir vernommen,
und weiße Gischt ist uns vors Tor geschwommen.
Schon wölben Dünen sich aus goldenem Sand.
Bald schließt uns muscheldunkles Brausen ein.
Ein Labyrinth aus fahlem Perlmuttschein
hat uns mit weichen Sanges Schmelz umfangen,
gleich Perlen, die in süßen Tau zersprangen.
Bald schließt uns muscheldunkles Brausen ein.
Schon schimmert über uns die grüne Nacht,
ein Fluoreszieren schöner Schreckenspracht.
Wie lichter Quallen Auf- und Niederschweben
sei ozeanisch-still ein Traum das Leben.
Schon schimmert über uns die grüne Nacht.
Aus der Poetik des Verstummens
Wie heiter spielt im Tau der frühe Strahl,
wenn süßes Schweigen glänzt am Blumenmunde.
Er rinnt hernieder in des Menschen Wunde,
schon scheint zu stammeln ihm die alte Qual.
Füll, Dichter, du vom Tau in zarte Maße,
gieß ihn der Nacht auf blaue Traumtopase.
Wie geisterhaft tönt nächtlicher Gesang,
als würde er aus Schmerzverliesen dringen,
wo Seelen, halb erstickt, um Atem ringen,
entrücktes Schluchzen, dumpf und sterbensbang.
Streu Blüten stumm, genährt mit deinen Tränen,
ins Dunkel, daß wir Eden nahe wähnen.
Mit Kopf und Kragen
Ins Weltsystem verstrickt mit Kopf und Kragen,
Gezücht der Sonne und der Finsternis,
geht durch dein Selbstgefühl ein zarter Riß,
pocht dir an jedes Wort ein fremdes Sagen.
Hineingezwängt in knöcherne Gestelle,
die du mit deinem weichen Mark ernährst,
sagt süßes Bangen, was du noch begehrst,
zu treiben wie die Knospe auf der Welle.
Frag nicht, wo solche Wasser fließen sollen,
nicht, wie du würdest eine Blume leicht,
zu schwimmen hin zu seligen Atollen.
Schon hat die Schwermut Lichtgesang erweicht,
der Seele tiefster Brunnennacht entquollen.
Wie, du versteinst, da dich der Strahl erreicht?
Das Salz der Sehnsucht
Dem Andenken an Sören Kierkegaard
Als höbe aus der Schwermut leises Tönen
von Wassern uns, weich rinnend wie durch Moose,
Tau, perlend von der morgenfeuchten Rose,
daß sich der Geist mag mit der Nacht versöhnen.
Ob uns den grellen Nerv, die dunkle Wunde
Kristalle lindern, die an Wangen tauen,
beseelte Blicke sanft geweckter Frauen
und Worte, Duft von keusch erblühtem Munde?
Uns wirft das Kreuz, das vor der Sonne steht,
lang seinen Schatten auf den Schnee der Pfade.
Wohl schmecken wir, vom Meer uns zugeweht,
das Salz der Sehnsucht nach dem blauen Bade,
nach Ufern, wo die Anmut Sapphos geht.
Ach, Angst barg ihrer Verse Frucht, die Made.
Süßes Grauen
Auf faulem Holzstrunk wuchert wildes Leben,
den Grabstein übertrumpft ein lichtes Grün.
Fühlst, Liebe, du nicht mehr ein sanftes Glühn,
daß träumerisch wir uns die Hände geben?
Sind unterm Asphalt auch erstickt die Quellen,
goß Moloch übers Moos den toten Teer,
ein Duft von Tang und Salz ruft uns zum Meer,
um mit dem Mond zu schaukeln auf den Wellen.
Ich aber bin zu müde, weit zu reisen.
So laß das Meer mich, trunkne Feuchte schauen
in deiner Lider zart beschilften Schneisen.
Laß schwimmen mich, wo ferne Küsten blauen,
um der Pupille stillen Abgrund kreisen
und niedertauchen in ein süßes Grauen.
Kranke Seelen
Die Glut war kalt, die wir mit Füßen traten,
das Laub der Eichen, sanft im Herbst verbrannt.
Wie kranke Seelen, unseren verwandt,
rings Strünke, die im Frost um Frühling baten.
Was wie im Halbschlaf meine Lippe lallte,
war fade Schale ausgesaugter Frucht.
Wir taumelten am Saum der dunklen Schlucht,
und fühlten, daß uns keine Hand mehr halte.
Brach aber ein die Nacht, die sternenlose,
und schloß uns in ihr wildes Dickicht ein,
glomm jäh an deinem Mund das Wort, die Rose,
und reiner Duft floß in mein trübes Sein.
Ich neigte meinen Mund wie in Hypnose,
am blinden Kuß erlosch der süße Schein.
Die Taube und die Mythe
Kreisrund der Taube Augen, scharf und kalt.
Sind Fenster sie, zu sehen, was wir streuten,
vom First des Dachs, wo sie des Lichts sich freuten,
und flatternd fände eine Hoffnung Halt?
Wohl kann es sein, daß uns ein Sprachbild narrt.
Die Blicke sind’s, die zum Erblickten ziehen,
ein Rhythmus spricht, dem sie nicht kann entfliehen,
die mit dem Kopf nickt, mit der Kralle scharrt.
Schmelzwassern gleich siehst du Gesänge rinnen
von Höhen, wo der Lichtkristall zerfällt.
Warum er taut, die Muse mag’s ersinnen,
die, Dichter, deutend uns die Nacht erhellt.
Daß nicht die Netze, die uns Mythen spinnen,
verdorrter Lippe Spötteln dir zerspellt.
Feiner Riß im Porzellan
Kein Seufzen ist, das blaue Schatten wirft.
Kein Schrei zerbricht die Nacht der Opferschale.
Glück, Tau des Lichts, auf daß im Mond es fahle.
Die Schwermut würgt der Hauch, den Eros schlürft.
Die weiche Rose, die du pflücktest, stach.
Was in den Nacken ihr dein Mund geschrieben,
die Locke wirren Traumes hat’s zerrieben.
Der Schmerz blieb unterm Schnee des Schlafes wach.
Lief nicht ein feiner Riß durchs Porzellan
des Alls, da Philomela hat gesungen?
Und als sich über Leda hingebeugt der Schwan,
hat ihre Flügel nicht die Nacht geschwungen?
Da kaum das Wort die Knospe aufgetan,
ist schon ein weher Duft ins Herz gedrungen.
Durch die Wörterwüste
Wir müssen durch die Wörterwüste gehen.
Unendlich flimmert geisterhafte Stille.
Oase grünen Wahnes höhnt dem Flehen,
daß noch ein süßes Wort uns Heimat quille.
Wir müssen durch die Wörterwüste gehen.
Da ist kein Manna, das aus Wolken fiele,
die Schrift zu bergen, keine Bundeslade.
Kein Flammenzeichen weist uns hohe Ziele,
wir hungern nach dem Honigwort der Gnade.
Da ist kein Manna, das aus Wolken fiele.
Kein Mose kommt, daß er den Stein erwecke
zur Wunderquelle mit geweihtem Stabe
und unser Geist die Segenssprüche schmecke,
verdorrtes Herz am Schöpferwort erlabe.
Kein Mose kommt, daß er den Stein erwecke.
Wunde, die im Traume klopft
Philosophische Sentenzen und Aphorismen
Sentimentalität und Kitsch sind hilflose, aussichtslose Versuche, den anthropologischen Riß zu kitten.
Heilsversprechen, mögen sie noch so aberwitzig und obskur sein, wirken, weil die angeborene Wunde, alias Erbsünde, unverheilt in uns weiterschwärt.
Wer wie alle die Versuchung in sich trägt, doch drängender, schmerzlicher fühlt, rennt dagegen an und gerät immer weiter in dürres, verkarstetes Gelände.
Beim späten Schubert, aber vor allem in Mahlers Symphonien scheinen wir der Versuchung der Heilung durch Kitsch erstmals in Werken bedeutender Komponisten zu begegnen.
Die Wunde ist nur scheinbar verheilt; sie hat eine zarte Kruste gebildet, die bei der leisesten Berührung wieder aufbricht.
Die das Moment des tremendum aus dem Bilde Gottes streichen oder abdrängen, können der Versuchung nicht widerstehen, das Gegen-Moment, das fascinosum, zu sentimentalisieren, zu verniedlichen, zu versüßen.
Die Verkitschung der Figur des Armen, von den Barfüßern bis zu den Bolschewiken.
Die Verkennung der Grausamkeit der Natur, vom Sonnentau bis zur Gottesanbeterin, findet sich naturgemäß in kitschigen Idyllen; doch die frühen Stilleben der Holländer und Franzosen sind davon noch frei.
Freilich, Grausamkeit ist unsere Projektion; die Natur bietet unserem Maßstab keinen festen Halt.
Poetische Schönheit und metaphysische Dummheit gehen manchmal wie Zwillingsgeschwister Hand in Hand, Wange an Wange, wie im Sonnengesang des Franz von Assisi.
Negativitäts- oder saurer Kitsch: Adornos selbstquälerische Beschwörung des Nichtidentischen, das „Warten auf Godot“.
Erst kommt der heiter-fidele Taugenichts Eichendorffs, dann der einsam-düstere Wanderer Schuberts und Caspar David Friedrichs, schließlich die Vagabunden und Abfalleimerbewohner Becketts.
Der ästhetisch unsichere Kitsch-Künstler formt Gebilde, die uns auffordernd, schmeichelnd und Beifall heischend zublinzeln.
Die großen Werke sind gleichsam muschelartig in sich und vor den brausenden Fluten der Umwelt geschlossen; sie aufzubrechen, um die Perle echter Bedeutung darin zu entdecken, heißt sie zerstören.
Das Kleine, Feine, Anmutige schützt klassischer Formwille vor sentimentaler Verniedlichung; so der Knabe Dionysos auf dem Arm der Hermesstatue des Praxiteles.
Falsche Liebe äfft die wahre, bis sie vor dem verlangten Liebesopfer die Maske fallen läßt.
Gesetz von der Inflation des künstlerischen Werts: Wenn man mit billigeren Mitteln, die weniger Mühe und Hingabe verlangen, den gleichen Effekt erzielen kann, den Beifall der Menge, sinkt die Kunst nach und nach im Wert.
Bestimmt einzig noch die Quote den Wert des Dargebotenen und Mitgeteilten, ist man in der medialen Gegenwart angelangt.
Der kalte Verführer ruft die gleichen Gefühle hervor wie der heiße Liebhaber, bis eine falsche Träne ihren Argwohn erweckt.
Post coitum triste – ein kaum bewußter Nachhall der Erbsünde.
Der gefallene Mensch liest im Leben wie im Boulevardblatt nur die sensationellen Schlagzeilen.
Wie Touristen des Lebens sammeln wir nur Eindrücke, die uns schon im Werbekatalog als ikonisch angepriesen wurden.
Unsere Erinnerungen sind wie Schatten, die im Labyrinth der Seele blind aneinander vorbeihasten.
Wir sehnen uns nach dem Schmerz der wiederaufgeplatzten Wunde, daß sie uns die Wirklichkeit echten Empfindens zurückgebe.
Die seelisch Kranken, die sich stechen und quälen, martern und an die Grenzen des Erträglichen anrennen, verdienen unsere Bewunderung im Gegensatz zu den Schneeflockenexistenzen in ihren gut von aller äußeren Unbill abgedichteten Blasen.
Wo die Ursünde sich schicksalhaft in Leib und Leben des Einzelnen manifestiert, vollzieht sich wohl ein uns nicht einsehbarer lebensgeschichtlicher Plan, den fromme Einfalt an den Kehren und Wegwendungen der Vorsehung glaubte dingfest machen zu können.
Das Ende der göttlichen Funktion der Vorsehung vollzieht sich in der Allmacht der mehr und mehr unsere Lebensregungen bestimmenden KI-Systeme.
Wie klingt der Gesang des Nachtigallenmännchen im Ohr des nachbarlichen Weibchens, wie im Ohr des lauernden Konkurrenten? – Aber, es ist dieselbe Melodie.
Dasselbe Wort kann Gegensätzliches meinen, wie wir anhand der Zweideutigkeit gewisser Urworte belehrt wurden.
Wir neigen eitel, hochmütig oder selbstvergessen dazu, den echten Schmerz mittels eines fingierten, vorgespiegelten zu übertünchen.
Die gegenderte Sprache mutet wie die entstellenden Flecken auf der Haut des Geschlechtskranken an.
Knipst du das Licht in der Küche an, flüchten die gemeinen Schaben jählings in ihren Unterschlupf, nicht so das Ungeziefer gemeiner Wortverdrehungen in der ideologisch verseuchten Sprache.
Nur der begnadete Asket, den es in der Wüste der Sprache nach reinem Wasser verlangt, hat die Kraft, das ihm vom Dämon dargereichte faulige zu verschmähen.
Was sie als Manna anpreisen, sind vergiftete Baisers aus der Küche Satans.
Die Augiasställe der Sprache stinken zum Himmel; kein Herakles weit und breit.
Wunde, die im Traume klopft; unerhörte Rhythmen dichterischer Sprache.
Der Boden ob nun der Moral oder der Anti-Moral ist schlammig, sodaß der Versfuß gleich einbricht.
Der Aufstand der Avantgarde ist im neuen Spießertum steriler Verweigerung erstickt.
Aus Angst vor dem schönen Klang und dem reinen Ton begannen sie zu krächzen und zu würgen.
Auf daß nicht unverhofft eine Knospe aus der Leinwand breche, versiegelt man sie mit einem monochromen Lack.
Vom Tode läßt sich nichts sagen, außer daß er alle Kriterien des Sagbaren tilgt.
Mit dem feingesponnenen Netz der Chorlyrik eines Sophokles oder der horazischen Ode lassen sich selbst kleine, unscheinbare Falter des Gefühls einfangen.
Zerknüllte Laken – Zeugnis sexueller Ekstase oder der Krämpfe eines Sterbenden. Wer vermag es zu unterscheiden?
Geknebelter Mund ist ihnen Stille, Würgen des Überdrusses Gesang.
Arme Schlucker, die im Abfall wühlen, sollen wir bedauern; Schreiberlinge, die im Müll der öffentlichen Meinung nach Verwertbarem suchen, dürfen wir verachten.
Das Labyrinth der Seele
Des Menschen Seele scheint ein Labyrinth
mit abertausend krummen Dämmergängen,
wo sich gespensterhaft die Schatten drängen,
Erinnerungen, füreinander blind.
Wo aber dunkel ihre tiefste Höhle klafft,
dort haust der Dämon, jenes Ungeheuer,
das schnöd zerreißt, verneinend, was uns teuer,
der Liebe Bild, gemalt auf zarten Taft.
Lieh keinen lichten Faden dir die Schöne,
zu leiten, Dichter, dich im Wahnverlies,
daß wilden Sinn betören sanfte Töne?
War’s Bacchus nicht, der einst das Dunkel wies,
wie mit dem Glanz der Frucht es sich versöhne?
Ach, Schwermut war, was aus das Licht dir blies?
Einsam im Abendrot
Nun gehst du einsam in das Abendrot.
Was du gesungen hast in Jugendzeiten,
ward Schatten, die durch deine Träume gleiten.
Von Liebe flüstern sie, die lang schon tot.
Was dir betaut die hohe Rose Wort,
der Liebe sanftes Aug, es ist erblindet,
daß es die Rose nicht mehr wiederfindet.
Die fahlen Blüten weht bald Nachtwind fort.
Die letzten Strahlen sind wie goldne Stricke,
die um das Herz, das graue, sich dir legen,
daß es im Rauschen dunklen Bluts ersticke.
Aufs Laub der müden Erde tropft der Regen,
an zarten Knospen flehn noch Liebesblicke.
Ach, der Verwesungsduft schlägt schon entgegen.
Niedergetretenes Gras
Müde sitzt du auf deiner Bank,
und gedenkest der Toten.
Doch wo die Erde sie birgt,
will deine Schwermut nicht wissen.
Geisterhafter Gesang tropft
nieder vom Laubwerk der Eiche.
Seufzend streckst du dich aus,
schaust ins dämmernde Wirrwarr
herbstlich geröteter Blätter.
Und dir träumt, ihr ginget wie einst
Hand in Hand in den Abend
still die Pfade am Ufer entlang.
Schilfrohr, wie bang es erzittert,
Wasser, wie dunkel es schluchzt.
Zwei sich zag umschlingende Schatten
wandern im Schneelicht des Monds,
der auf die Strömung herabschwebt,
um bald unterzutauchen.
Dunkelnder Duft nur war,
was sie zu dir gesprochen,
einer Rose, die willig verglüht.
Blassenden Tau nur gab,
was sie kraftlos umkoste,
dein verschleierter Blick.
Vogel, der plötzlich verstummt,
hat im Traum wohl gesungen.
Reglos starret das Laub,
schwarz sind jetzt seine Blätter.
Ferne gehet der Strom,
grauen Schaum zum Abgrund hin wälzend.
All das Schilf ward gemäht,
moosgrüner Pfad wich Asphalt.
Reckst du auf dich, aber wozu,
ausgeträumt zu dämmern am Tage,
schlaflos zu geistern bei Nacht.
Hinter dir gilbt der Erinnerung
niedergetretenes Gras.
Heimatlos torkelst du heim
in ein fremdes Zuhause.
Und kein Sternbild erscheint,
andere Wege zu weisen.
Im Dämmerschilf
Wir wollen einmal noch die Arie hören.
Erzittert nicht die Luft von Jenseitschören?
Die Knospe Herz, vom Abendrot verschlossen,
Gesanges Tau weckt sie, des Nachts zu sprossen.
Wir wollen einmal noch die Arie hören.
Wir wollen einmal noch den Kreuzweg gehen.
Kannst die Kapelle du am Saum schon sehen?
Zwei Kerzen mögen wir darin entzünden,
daß unsre Seelen noch den Heimweg finden.
Wir wollen einmal noch den Kreuzweg gehen.
Wir wollen still im Dämmerschilfe liegen.
Fühlst schon du, wie dich holde Wogen wiegen?
Wenn in des Dunkels Urflut Inseln glimmen,
läßt zu den Seligen der Traum uns schwimmen.
Wir wollen still im Dämmerschilfe liegen.
Inspiriert von:
https://www.youtube.com/watch?v=Lzr2BlmTrsM&list=RDLzr2BlmTrsM&start_radio=1&t=1203s
Der Festzug der Lemuren
Aus Höhlen wimmeln sie, aus Zwielichtschlünden,
geschweift, gehörnt, die Hintern rötlich nackt,
Gesichter wie von schwarzer Glut gezackt,
obszöne Schäume, die von Aussatz künden.
Den After feiern sie als Himmelsrose,
von Fäulnistropfen, tödlichen, betaut.
Der Schwulst der Lippen speichelt unverdaut,
was sie verschluckt bei aufgeknöpfter Hose.
Die Worte, die nach dunklen Därmen stinken,
Gebärden, todgeweihter Fische Zucken,
sie werden in den offnen Abgrund sinken.
Die edle Einfalt, die sie roh bespucken,
läßt sich nicht blenden von den grellen Schminken.
Doch fühlst du, Dichter, in der Faust ein Jucken.
Feuchtes Clair-obscur
Blicke, scheu bewimpertes Begehren,
Spiegel für ein feuchtes Clair-obscur,
wollen Bild um Bild ins Innre kehren,
doch verlieren sich nur immer mehr.
Blicke, scheu bewimpertes Begehren.
Worte, Tropfen in den Herzensfalten,
zittern noch von heißer Sehnsucht Hauch.
Mondes Küsse lassen sie erkalten,
wie der Nachttau rinnen stumm sie auch.
Worte, Tropfen in den Herzensfalten.
Herzen, die nach süßen Früchten langen,
schimmernd wie an Edens goldnem Baum.
Doch es öffnet sich ein Nest von Schlangen,
und ein Zischen weckt sie aus dem Traum.
Herzen, die nach süßen Früchten langen.
Leere Tiefe
Du liegst im hohen Gras, es dämmert schon.
Das graue Rauschen dieser grauen Leere
verlischt wie grauer Schaum auf grauem Meere.
Daß dich umschoße Nacht mit schwarzem Mohn.
Du aber siehst die leere Tiefe blitzen,
wie Ebenholz von Nägeln schmerzbeschlagen,
hörst Abgrunds Sonnen stumm die Wahrheit sagen,
daß Strahlen uns die Haut der Seele ritzen.
Der Rauch der Hymnen wölkte dir vergebens,
des Geistes Flamme hat sich selbst verzehrt.
Die Schale mit der goldnen Frucht des Lebens,
sie sinkt, die andre steigt, nur leicht beschwert
von zarten Flocken nornendunklen Webens.
Schlaf, Dichter, bis das Rauschen wiederkehrt.
Das Recht auf Exklusion
Gegen Schnee und Regen baun wir Dächer,
öffnen Freunden lächelnd unsre Tür,
vor Unholden warnt ein Feingespür.
Dem Geschmeiß von Fliegen wehren Fächer.
Die den Seelenfrieden uns zerquatschen,
flüchten vor der angedrohten Watschen.
Und wir fegen fort mit harschem Besen
Unrat, der auf unsrer Schwelle liegt.
Nur was sanft sich an die Wange schmiegt,
haben wir zu Küssen uns erlesen.
Die uns in die Abendstille quasseln,
schütteln ab wir wie Gezücht von Asseln.
Wir, die wachem Sinn und Herzen trauen,
sehen, ist zerstreut der Nebel, klar.
Wissend, Frucht bringt nur das echte Paar,
nennen Talmi-Männer wir nicht Frauen.
Jenen, die das Wort des Seins verdunkeln,
wird in unserm Lied kein Sternlicht funkeln.
Wie mit Astern Veilchen sich gesellen,
die wir selbst gesät und mild getränkt.
Hain, er ist von Mauern grau umschränkt,
daß des Nachts Hyänen dort nicht bellen.
Wildwuchs harter Samen, dunkler Keime
rupfen aus wir wie mißratne Reime.
Stimmen sind, die sich zum Chore ranken,
schwebt sie noch, die Säule Abendlicht.
Und wir neigen unser Angesicht,
wenn die Sterne des Gesangs versanken.
Vorm Gelall, obszöner Lippe Zittern,
wollen wir des Herzens Tor vergittern.
Rätselschatten
Aus feuchtem Dämmergrund ragt zartes Gras,
es zittert, wenn sich Flügel sirrend breiten.
Der Azur tönt schon, ein geschliffnes Glas,
auf dessen Rändern Eos Finger gleiten.
Wir wandeln, hohen Lichtes Rätselschatten,
im Rauschen dunklen Laubes zu ermatten.
Was wir uns sagen, ist wie ein Gespinst
aus Fäden, die vom Tau der Mondnacht gleißen.
Was ich erhoffe, was du liebend sinnst,
wird wie ein Traumbild Morgenhauch zerreißen.
Wir schweben, Blumen gleich auf weichem Wasser,
ihr Duft wird schwächer, ihre Lippen blasser.
Tropfen eines späten Lichts
Vom Blattwerk grüner Dämmerung geglitten
sind Tropfen eines späten Lichts. Uns drang
ins müde Herz ein orphisch-dunkler Sang
von Liebenden, die einst wie wir gelitten.
Du hieltest Blüten, holdes Benedeien,
gesprossen für das Sonnenwendefest.
O Lider, die der Tau des Mondes näßt.
Du knietest, sie dem Schoß der Nacht zu weihen.
Ich hatte bloß des Mundes Blumen, bleiche,
die kaum geduftet noch nach hohem Leben,
herbeizulocken Flügel, ihnen gleiche.
Und stand ich auf, sie dir ans Herz zu heben,
und schien es mir, daß dich mein Wort erreiche,
war es nur toten Laubes dumpfes Weben.
Nach dem Ende
Die letzte Frist zur Umkehr ist verstrichen.
Da war kein Blitz, kein Knall, kein Schlag ans Tor.
Wir atmen, gehen, reden wie zuvor,
doch hat ins Herz sich dumpfer Traum geschlichen.
Des Wollens Mark zerfraßen Gifte, süße,
Morphine pflichtvergessener Moral.
Das tätowierte Wort blieb innen fahl.
Fleh Falter, daß der Sonnentau sich schließe.
Von weiser Urangst aufgestaut, die Dämme
riß trunkne Torheit ein. Die Flut, sie sprang.
Und keine Arche für des Volkes Stämme.
In Gischt verrauscht, was einst der Seher sang,
daß nur der Gott des Lichts die Trübsal hemme,
nur hoher Sinn die Lust am Untergang.
Das Tränenopfer
Die Wendung mochte sanft dich noch umschmeicheln,
war es sein Wort, vag seiner Stimme Klang,
ein wallend Wasser, das im Dunkel sang,
der Abendwind, die Schläfe dir zu streicheln.
Und fühlst du nur, wie zarte Gräser zittern,
den Tropfen, der auf deine Wange fällt,
des Mondes Schatten, der sich dir gesellt,
soll dir das Herz, das holde, nicht verbittern.
Die Fenster, Liebe, laß nur offen stehen,
liegst du auf weicher Linnen Schnee allein
und hörst des Sommers Stimmen ferner wehen.
Der Traum schließt dich wie eine Knospe ein,
auf deren Lidern säumend Tränen stehen.
Mag sie der Schlaf dem dunklen Eros weihn.
Im versteinten Land
Wir erwachten im versteinten Land,
wo kein Tau die dürre Lippe feuchtet,
keine Saite zittert unter Orpheus’ Hand.
Tag und Nacht ist nur ein Mond, der leuchtet,
Knospe, duftlos, im versteinten Land.
Mürbes Moos ist, was auf Steinen fahlt,
was gerauscht einmal von grünem Leben,
unter Aschen seufzt’s. Vom Blitz zerstrahlt,
blieb von ihm nur grauer Flocken Schweben,
überm Land, wo Moos auf Steinen fahlt.
Dürftig hat ein Zeichen noch gesagt,
daß hier Seelen litten, die uns glichen:
eine Wand, die kahl ins Leere ragt,
zart mit Fäden goldnen Staubs bestrichen.
Keine Nachtigall ist, die noch klagt.
Der Schmerz taut auf
Wie schön ist Schnee. Weich werden unsre Schritte,
und ohne Blumen blüht die leere Mitte.
Wenn unsre Schmerzen keusche Kissen kühlen,
ist uns, als ob der Traum durch Flocken glitte
und Lippen sich ins Namenlose wühlen.
Doch taut er. Pfad und Feld, sie liegen offen,
und zarte Knospen quält ein wildes Hoffen,
daß sie den Duft vergebens nicht verschwenden.
Ins graue Herz hat uns der Strahl getroffen,
das dunkle ihm, der Verse Blut zu spenden.
Zerlaufenes Wachs
Die Linien, so Ton an Ton gefügt sich winden,
verflechten sich graziös zu Tanzfiguren.
Das Dämmerdickicht schluckt des Zwieschritts Spuren,
die wieder sich im stillen Schneelicht finden.
O könnten Verse über Tiefen gleiten,
wie Wasservögel auf schwanken Blättern schreiten.
Mag uns der Seele Docht ein Lied entzünden,
das wie im Halbschlaf wir des Nachts vernommen.
Wie ist er knisternd bald herabgeglommen.
Zerlaufenes Wachs muß formlos in das Dunkel münden.
So löscht die Nacht der Knospen süßen Schimmer,
erstickt der Verse Duft im Sterbezimmer.
Laß alles liegen
Du beugst dich, legst die Rose auf den Stein,
liest Verse, halb vom fahlen Moos verdeckte:
„O Knospe, Glanz, der mir das Wort erweckte,
umweht von Schatten, blühest du allein.“
Gehst du die Pfade, so ihr ginget einst,
siehst dämmern du das Veilchen, Lilien leuchten.
Du fühlst es kaum, wie sich die Augen feuchten,
und lächelst traumentrückt, auch wenn du weinst.
Laß alles liegen, Bücher, Bilder, Briefe,
verschließ die Tür, und wirf den Schlüssel fort.
Als ob ein Rauschen dich zu Meeren riefe,
blaßt hinter dir verstummter Quelle Hort.
Schon wirbeln Fäden Lichtes in die Tiefe,
kühlt dich ein Hauch aus saphirblauem Fjord.
Daß ich noch um dich kreise
Dem Andenken an Stefan George
Daß ich noch, ferne Flamme, um dich kreise,
und trüber Lüfte Schleier schluckt das Licht.
Als könntest wärmen du noch mein Gedicht,
hör ich es klirren doch, als wär’s von Eise.
Magst du noch, ferne Quelle, Wunden heilen,
ich ahn es kaum, in Wüstenei verbannt.
Der Vers knirscht mir von unfruchtbarem Sand.
Ein Tropfen bloß, es seufzen auf die Zeilen.
Bist du es, Leuchten noch aus Dämmerreben,
als täte Glut der Traube Wahrheit kund,
bald tränke sich Gesang der stumme Mund,
und bleiche Lippen röte noch ein Leben.
O Tempora
Philosophische Sentenzen und Aphorismen
Farbenblindheit mischt die Farben, Geschmacklosigkeit dekretiert, über Geschmack lasse sich nicht streiten.
Das Maß der durch zeitgeistige Themen und Quoten ideologisch diktierten Beteiligung an Lehre und Forschung steht in umgekehrtem Verhältnis zur resultierenden durchschnittlichen Intelligenzquote und der Qualität akademisch-wissenschaftlicher Hervorbringungen. – Daher der Niedergang der höheren Bildung, daher der Untergang der Universität.
Der alte weiße Mann, vom Weltgericht schuldig gesprochen, sich dem jungen schwarzen gegenüber respektlos, überheblich und ungebührlich verhalten zu haben, tritt seine Strafe an: allmähliches Dahinsiechen in Selbsterniedrigung, Selbstverdummung und Selbstverstümmelung mittels Auslöschung oder Umbenennung aller wesentlichen Namen, Begriffe und Rituale der angestammten Tradition.
Der kastrierte Geist feiert sich in gendergerechter Sprache.
Die Fliege geistiger Trägheit, die sich dem Ausweg aus dem Fliegenglas verweigert.
Mit dem rostigen Schabeisen der Phrase über die taube Haut der Sprachlosigkeit kratzen. Doch vergebens, nur unartikulierte klagend-stöhnende Töne sind das Ergebis.
In der Kloake der Diversität dringt der Logos spermatikos nicht mehr zu Ledas göttlichem Ei.
Weil es nicht sichtbar ist, darf das Antlitz des Ungeborenen ungestraft zerstückelt werden.
Dem Ungeborenen menschliche Würde zuzusprechen ist kein naturalistischer Fehlschluß, sondern Ausdruck des Glaubens an die Heiligkeit des Lebens; ihm sie abzusprechen ein Ausdruck der Umkehr aller Werte, insbesondere der biblisch inspirierten.
Wiederum und andererseits: Frömmelnde Hypokrisie weint Krokodilstränen all den Hekatomben grausam zerrissener Embryonen hinterher, die auf dem Altar des Götzen Selbstsucht, Karrierismus und Hurerei geopfert worden sind; welch ein Leben wäre ihnen aber vergönnt gewesen, hätte man die Zukunftslosen gezwungen, sie auszutragen? Ein tristes, bejammernswertes, als Fessel am Fuß der Gans betrachtetes, die nicht ins Ungebundene flattern kann.
Sittliche Werte kann man, wie ästhetische, nicht beweisen, sondern nur bezeugen, beherzigen, verfechten oder bekämpfen.
Der dekadente Stolz weißer Mittel- und Oberschichtfrauen, kinderlos zu sein oder abgetrieben zu haben.
Die Schändung des Bildes der Mutter ist Gemeingut kollektivistischer Ideologien.
Das als Hemmschuh auf dem leuchtenden Pfad der Selbstverwirklichung betrachtete Kind sticht der Puppe die Augen aus.
Die Absonderung unwerten Lebens ist ein innerer Bestandteil sozialistischer Programme (das belegen die sozialdarwinistisch geprägten linken Parteiprogramm in England und Skandinavien vom frühen 19. Jahrhundert an); insofern darf man den sozialistischen Anteil des Nationalsozialismus gerade im Hinblick auf seine genozidalen Verheerungen nicht unterschätzen.
Die im Sündenpfuhl gebadet erregen sich über die Reinheitsvorschriften der Bücher Mose.
Der nur auf die faule Frucht starrt – hat er die Apfelblüte vergessen, den frischen Geschmack des Apfelsafts, den säurereich-anregenden des Apfelweins?
Hitler, von den Alliierten besiegt, lebt weiter als Wiedergänger im uneinnehmbaren Bunker des sich eitel inszenierenden Schuldgefühls.
Initiationsritual deutscher Kindheit – Großvater zieht den Strumpf aus und zeigt auf den Durchschuß am Fußgelenk.
Phrasen sind Warzen auf der Haut der Sprache.
Auf das eiserne Zeitalter folgen noch das blecherne und das Plastik-Zeitalter.
Erlischt der Glanz der Imago Dei, steigen aus dem Abgrund die Chimären.
Der Priester und Prophet Esra weist die Bio-Juden an, sich von den Frauen der Fremden zu trennen und fernzuhalten, denn sie verdunkeln den Glauben an den Einen durch die Schatten der vielen Götzen, die sie Ungeziefer nicht unähnlich ins Land einschleppen. – Zu diesen Götzen zählte auch Moloch, dem kleine Kinder geopfert wurden (wahrscheinlich eine Umschreibung für massenhafte Abtreibungen).
Wer zählt die vielen Namen Molochs? Eigenliebe, Hedonismus, Nihilismus, Geldgier, Gier nach Erfolg, Macht, Karriere …
Nach dem Krieg der Völker und Imperien folgt der Krieg der Rassen, in dem die dunklen, heißer und bedenkenloser als die hellen, diese, geschwächt und angekränkelt von ihrem schlechten Gewissen, besiegen und versklaven werden.
Betrachtet man Sprachen als Organismen, muten manche Begriffe wie sprachliche Mißbildungen, Verwachsungen und Deformationen an. Man denke an Begriffe wie Gott, Sein, Bewußtsein oder Nichts. – Aber, könnte man sagen, auch Mißbildungen wachsen auf demselben genetischen Mutterboden wie die schönen Formen.
Wir lesen „Himmel“, denken an die Farbe Blau und versinken in eine vage Träumerei. – Wir denken an den goldenen Ton eines Gongs, schwingen mit und verhallen mit ihm im Grenzenlosen.
Erst kommt der Krieger und Priester, dann der Priesterkönig; ihm folgt der gesalbte Herrscher. Dann kommen die Senatoren und die Beamten. Schließlich treten die Rhetoren und Sophisten ans Pult, um endlich von den Demagogen, Propagandisten und Maulhelden abgelöst zu werden.
Unter den Rock der Regentin schlüpfen die Duckmäuser und Entmannten.
Soll der ultraorthodoxe chassidische Rabbiner nun ein Regenbogenfähnchen schwingen?
Das Sublime schläfert sie ein, das Vulgäre, Grelle und Obszöne hält sie gerade noch wach.
Der Gedanke, und sein Ausdruck, der Satz, ist kein Spiegel des Faktischen; denn dies zu prüfen und zu bewahrheiten, müßte man hinter den Spiegel treten und sodann wieder hinter diesen …
Aber wir sehen im ungekünstelten Lächeln des Freundes die Wahrheit der Tatsache, daß er uns gerne wiedersieht, ohne in seinem Gesicht umständlich lesen zu müssen.
Erst Raffael, Tizian, Rembrandt und Vermeer, dann van Gogh und die Impressionisten, schließlich die Kleckser, Tropfer und Exkrementenschmierer.
Die Gotik ist nicht die Widerlegung der Romanik.
Drei ethnisch-kulturelle Wurzeln, drei individuelle Ordnungen der antiken Säule: dorisch, ionisch, korinthisch. – Nur ein Décadent wünschte ihre Vermischung.
Die seriöse Unterhaltung der Nervösen: wenn sich die Erzählung in Belehrung versteigt, der Roman ins Essayistische wuchert.
Die Greisin mit der Anmutung eines violetten Stacheltiers auf dem zitternden Kopf oder die Unfähigkeit, in Würde zu altern.
Zwischen Heidekraut und Seegras wollen wir keine Orchideen erblicken; im Eichenhain keine Affenbrotbäume. So auch mit den Menschen.
Die Zweideutigkeit des biblischen Bilds von dem Land, wo Milch und Honig fließt, wohin Abraham aufzubrechen geheißen wird: Es kann zur Chiffre des eigenen Territoriums der Juden (Erez Israel) oder der kommunistischen Utopie, die im Gulag mündet, dienen. – Diese Zwiespältigkeit tritt im späten 19. Jahrhundert einerseits im leidenschaftlichen Furor jüdischer Intellektueller für die Revolution (die nach 1918 zum wachsenden Antisemitismus im Westen beiträgt) und in der zionistischen Bewegung andererseits zutage.
Das Diktat der abstrakten Kunst, den Deutschen als Bußritual auferlegt, fand wohl einige Widerstandsnester; doch die Resonanz der neuen „alten Meister“ prallte an den ideologischen Mauern der Universitäten, Kunsthochschulen und Galerien ab.
Der Chefideologe gibt vor, den Ziegenbock zu melken, der devote Adlatus hält ein Sieb unter sein imaginäres Euter.
Wie beruhigt der Gedanke daran, daß es weite von Menschen unbewohnte Flächen auf der Erde gibt, Wälder, Steppen, Wüsten, Meere.
Jugend schnappt ein paar hehre Phrasen von Gleichheit und Gerechtigkeit auf, schon wähnt sie sich moralisch überlegen, reiferes Alter vertraut dem Gewicht der guten Gründe, ohne noch zu ahnen, daß die Waage über dem Bodenlosen schwingt, doch erst die Nähe des Todes erweckt den Sinn für die inneren Grenzen, die nur scheinbare Ähnlichkeit und aus unauslotbaren Tiefen quellende Unvergleichbarkeit dessen, was Wittgenstein Sprachspiele, Lebensformen und Weltbilder genannt hat.
Hera wird Aphrodite stets mißtrauisch beäugen, der Leichtfuß das Rätsel des Sphinx nicht wie Ödipus lösen, Puck, der Kobold, immer Schabernack mit den Liebenden treiben.
Vielleicht neigt zu einer müden, allem kämpferischen Engagement entsagenden Skepsis, wer sich das Tableau der semantisch-logischen Mannigfaltigkeit inkommensurabler Sprachspiele und Weltbilder vergegenwärtigt.
Zuletzt richtet nicht eine alles überblickende objektive Vernunft, sondern entscheidet sich der mehr oder weniger verfeinerte, gröbere oder sublimere Geschmack, den sentimental verwackelten Klängen eines L. Bernstein oder den schwermutschönen Impromptus Schuberts sein Ohr zu leihen.
Tropfen eines dunklen Lichts
Umschluchztes Schilf, doch droben Wolken still.
Mag Regen singen, mag es leise schneien,
wir bleiben, Liebe, hier am Strom im Freien
und fragen nicht, was er uns rauschen will.
Lädt aber ein das mondbeglänzte Moos,
zu betten uns auf sanfter Träume Kissen,
rinnt hin in Tränen alles, was wir wissen,
heim zum Verschwiegnen, stummer Erde Schoß.
Und mögen wir auch trunken Worte lallen,
sie sind wie Tropfen eines dunklen Lichts,
die aus dem Laub der Nacht herniederfallen.
Umschlungen sinken wir zurück ins Nichts.
Kaum trug die Woge Duft, o süßes Wallen,
schloß sich die Knospe deines Angesichts.
Was uns gerauscht im Traum
Was uns das Laub der Nacht gerauscht im Traum,
ein Knistern dürren Blatts wird es verwehen.
Im Abgrund kann man keinen Grund mehr sehen.
Wir sind das Ufer, dunklen Stromes Saum.
Wo er entsprang, wohin er fließen mag?
Die Quelle sei das Wort, die Mündung Schweigen,
will frommer Sinn an Hiobs Leiden zeigen,
der ausgeseufzt still unter Sternen lag.
Der Ursprung sei der Blitz, der sich gebar,
zu zeugen, was da atmet, zu vernichten,
sagt uns des Bacchus trunken-wilde Schar.
Ob sie das Wahre, ob Chimären dichten,
an welchen Zeichen ward es offenbar,
im Buch der Bücher oder Traumgesichten?
Das Lachen der Hyänen
Erhaben mochten weiße Lilien scheinen,
aus Vasen ragend, grünem Seladon.
Doch zarter sprach ein Krug aus grauem Ton,
daß in der Dämmerstunde Veilchen weinen.
Wir fühlten beben wohl die Nacht der Mauern,
die uns umschlossen, dröhnten Glocken dumpf.
Die Knospe Herz blieb zu, die Narbe stumpf,
und mochte süßes Summen sie umschauern.
Schon wuchern auf dem Mal der Inschrift Moose,
umfinstert sind die Namen von Phalänen.
Erstarrt ist des Gesangs Metamorphose,
gefrieren an der Muse Wimpern Tränen.
Die Ode welkte mit der Himmelsrose.
Schon gellt am Tor das Lachen der Hyänen.
Der blinde Fleck
Der blinde Fleck kann sich nicht selber sehen.
Des Wahren Sonne brach aus tiefer Nacht.
Die Liebe ist an feuchter Glut erwacht.
Auf spitzen Scherben muß die Anmut stehen.
Wir fühlen im Verlust, wie alles schwindet,
worauf wir gehen, Grund und Wissen schwankt.
An Schwermut ist des Lebens Geist erkrankt,
daß er im Blütenschnee den Winter findet.
Die eingeschlafen fühlt nicht mehr, die Hand,
ritzt sie ein Dorn, sind’s Lippen, die sie streifen.
So kann ein Herz, vom Lied des Bluts gebannt,
die es umsäumt, die Stille nicht begreifen,
was paradox scheint, nicht der Unverstand,
daß Worte leuchten, die im Dunkel reifen.
Die Vettel mit dem Hermesstab
Mit ihrem langen dünnen Plastikstab
tastet in den Ritzen sie nach Müll,
nach allem Toten, das sie zittern läßt,
wie Lider, zart bewimperte, ein Hauch.
Greisenhaft, mit distel-rotem Haar,
das Ohr der Seele fein gespitzt,
der Eule gleich, die Mäuse jagt,
ob da etwas raschelt, etwas knackt.
Jäh stürzt sie darauf zu,
und spießt und schiebt und stößt
Blatt, Korken, Schnipsel, Stummel,
die tote Biene, harten Hundekot,
bugsiert es mit dem Hermesstab,
in dem verhornt sich all ihr Fühlen,
daß sie an Unbelebtes nur mehr rührt,
zum runden Deckel des Kanals.
Sinkt der Unrat in ein dunkles Loch,
seufzt erleichtert sie „O ja!“,
doch wieder blitzt es vor ihr auf,
ein Unding, das des Orkus harrt.
So geht dahin die Zeit, das Leben.
Sie weiß es anders nicht zu füllen
wie einen löchrigen Eimer,
den ein Tor in einen Brunnen taucht.
Du auch säumst an seinem Rand,
kritzelst, was du siehst und sinnst.
Zerknüll die Verse, schnipp sie lächelnd weg.
Sei unbesorgt, sie tastet schon danach.
Dichtermut
Wo Seelenblinde Tropfen schimmern sehen,
siehst du die Tränen, kannst das Leid verstehen,
das Wort ihm leihen, wenn es ihm gebricht,
wirst Seit an Seit mit ihm durchs Dunkel gehen,
er hält es hoch wie flackernd Kerzenlicht.
Doch jenen, die in grauen Herzensfalten
der Liebe Bilder blassen fühlen und erkalten,
magst du des Liedes weiße Knospen reichen,
die unter ihrem Hauch sich umgestalten
zu Kelchen, die geküßten Hüften gleichen.
Wie aber schwermutkranke Seelen wecken,
die Totenlinnen bleichen Grams bedecken?
Das Fenster öffne, Sommernacht ist mild:
Sieh, wie sich Schläfer aus den Gräbern recken,
wenn ein Gesang aus heißen Kehlen schwillt.
Volonté générale
Sie kniete, als man kahl sie hat geschoren.
Das Messer brach durch ihrer Flechten Fall,
und Perlen klangen kalt wie Traumgelall.
Ein Oh! quoll aus dem dunklen Schlund der Toren.
Sie malten auf die Stirne ihr das Zeichen,
daß sie der sternenlosen Nacht geweiht.
Es schmolz der Glanz, der ihr ins Herz geschneit,
vor dem die Schlangen und Dämonen weichen.
Und als die Lider sie noch einmal hob,
jenseits des Sumpfs der Niedertracht zu schauen,
entrang sich ihrem Mund Mariens Lob,
daß benedeit sie unter allen Frauen.
Da man die Anmut unters Richtbeil schob,
floß Stille sanft aus Höhen, königsblauen.
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