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Das leere Fenster

06.08.2019

Wo am Fenstergriff die Pflanze hing
mit ihren fetten Sukkulentenwulsten
zwischen fraulich gerafften Gardinen,
saß oft wie eine Porzellanfigur
die kleine graue Katze
und sah mit faden Blicken einer Göttin
höhnisch mir durchs Vakuum der Iris,
auch wenn ich feixte
und die Zunge streckte,
den Ranzen auf dem Rücken
mit dem wollnen blauen Läppchen,
neckisch baumelnd an der Schiefertafel.

Einmal ragte dort der verschrobene Rumpf
einer dürren alten Frau,
sie preßte fast die Stirne an die Scheibe,
der Atem ihres Schimpfens malte Flecken,
der lange schwere Zopf,
den sie sich wand,
stob wieder auseinander,
ein Sturzbach voller weißem Schaum
und Tang von Schatten,
und drohte mir mit krummem Finger,
fauchend huschte die Katze vom Sims.

Eines Tages war das Fenster leer,
fort die Pflanze, die Gardinen,
nur das Band, das sie gerafft,
das rote Seidenband
hing nun schlaff am Fenstergriff.

Der helle Kalk des kahlen Raums
zerfloß wie Milch am trüben Glas.

Wo war die Katze?

Mehr hab ich nicht gedacht
und wußte plötzlich um die Leere,
die alle Wesen, alle Dinge
unwiederbringlich
in sich zurücknimmt,
als wär ihr Dasein Dunst,
von Mücken des Wahns durchwirrt,
vom Gift der Sonne zerfressen.

Sieh, wie im Morgengrauen
die feinen Nebel überm Wasser,
den seltsamen Gespensterrauch,
mit lässiger Gebärde
die kalte Majestät des Lichts zerstäubt.

 

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