Skip to content

Der Träumer im rheinischen Weinberg

18.02.2023

Du fühlst es noch, das jugendliche Beben,
siehst du, wie zwischen Blüten Schwäne gleiten,
das Angesicht, das fahle, magst du heben,

auf weichem Veilchenteppich summend schreiten,
und die nach Mündung weint, die Quelle finden,
an Tropfen Lichts das bange Herz zu weiten.

Doch brichst du nicht durch mütterliche Rinden,
zu folgen heißen Gischtens Stromgesängen,
den Wassern, die sich in die Ferne winden.

Dort, wo verrunzelt späte Trauben hängen,
auf kargem Hügel mußt du schweigend rasten,
bis sich des Abends blaue Schatten längen.

Nach andern Trauben geht des Traumes Tasten,
die in den Gärten grüner Buchten glühen,
wo um Gewölke baumeln Purpurquasten,

in Sapphos Hain Adonisknospen blühen,
schon winken Malven, locken Orchideen,
in Dämmerranken aber wollen ziehen

zwei Augen, die wie schwarze Brunnen flehen,
zu schöpfen süßes Licht aus Nacht und Grausen.
O Träumer, könntest du doch widerstehen.

Beim ersten Trunk mußt du im Öden hausen.
Erwachend unter mondgebleichten Trauben,
hörst du statt heller Oden Meeresbrausen

das geisterhafte Gurren grauer Tauben.

 

Comments are closed.

Top