Die weibliche Stimme: Liesel
Vor einer Kerze
Die Kindheit war eine Wolke
Staub aus Kartoffelsäcken,
Glühwürmchen schwirrten,
die Süße der Nacht zu lecken.
Vater ging mit schwerem Schritt,
an dem der Dung der Gräben klebte,
und hielt vorm Duft nicht inne,
der mir aus Schatten schwebte.
Mutter war die weiße Taube,
die von Topf zu Töpfen ruckte,
Sämlinge aus den Ritzen pickte
und abends vor der Wiege gluckte.
Jugend war ein heller Mond,
der als Lampion im Kirschbaum hing,
ein Fiedler mit blauschwarzem Haar,
der den Klang mir aus dem Ausschnitt fing.
Dann kam der stille treue Mann,
der mir das Brennholz hackte,
die Backen mir, die kalten Füße rieb,
bis seufzend das Scheit im Ofen sackte.
Die Mädchen kamen, die Zeit flog hin,
die Straßen, die Leute wurden lauter,
daß man die Wolke nicht mehr weinen hört,
die Welt ward immer unvertrauter.
Ach, alles ist getan, mein Haar ist Schnee,
das Haus ist leer, der Herd ist kalt,
die Kerze flackert vor dem Bild,
ich bin so müd, ich gehe bald.
Rezitation:
Die weibliche Stimme – Liesel
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