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It is nature, my dear, it isnʼt gender, stupid!

23.10.2013

Der Knirps schlappt vor mir her
auf dem Bürgersteig der Elisabethenstraße,
zur Seit die kleine Schwester mit dem Rucksäcklein –
sie prallen manchmal sachte wie im Halbschlaf
aufeinander, Federbällchen, springen sie beiseit
oder verfangen sich ein Weilchen
einer in dem andern, wie Bienen tun
in aufgelöstem Frauenhaar.

Der Kleine trottet vor mir her,
spürt meinen Schatten nicht –
da heißt die Mutter ihn beiseitetreten
für den Langen mit dem Überschritt.
Und der Kleine mauzt: „Was?“ –
„Wie bitte?, heißt das!“ belehrt ihn schön
das noble Muttertier.

Hier herrschen demnach, ach wie tröstlich,
edle Sitten und feinen Anstands guter Brauch,
die Knab und Mädchen wohl zu behüten scheinen.

An der Haltestelle Elisabethen-Brücken-Straße
sehen wir uns wieder: Die Kinder schlurfen müde
auf die Asphaltinsel, die Mutter hat ein Auge,
schart die Kleinen eng um sich –

da merkt mein Kleiner auf,
ein lichtes Wogen überschwemmt sein Angesicht,
er spitzt die Ohren –

fern nähert sich ein wildes Wummern,
ein dunkles Brummen, es rast,
ein gischt-gellender Pfeil,
ein schäume-schabendes Messer,
dir vor das Auge eine heiße Kraftmaschine,
hitzig in sich bebender, verchromter Wille,
vernickelte Potenz – Kawasaki –

der Kleine ist hellwach und saugt
mit dem offnen Mund des Sklaven
vor Cäsars dröhnendem Triumph
die ölig-martialische Strahlung –

er schaut mit tiefen Katzenblicken,
er lauscht mit Jägers Ohren
dem ungeduldigen Stampfen, dunklen Glucksen –

so pochte Blut in des Urmenschen Schläfe,
wenn er den Speer auf den Springbock warf.

Natur des Mannes ist es, die im holden Knaben
durch diese Tier-Maschine zu Kampf und Krieg,
zu Blut- und Götter-Überstieg und tödlichen Ekstasen
ruft und macht sein Kinderauge glänzen –

das Mädchen steht dabei, hat keinen Blick und Sinn
für so gespenstisch-surreale Triebesmacht –

die auch die Brille des sensiblen Dichters
bei einer kleinen Atemlosigkeit
zwischen zart hingetupften Zeilen feucht beschlägt –

verlach ihn nicht –
dies sind die wenigen Momente,
die seinen Vers mit Sauerstoff versorgen.

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