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Kleine philosophische Lektionen VI

10.09.2014

Reductio ad absurdum (1), Personbegriff, freier Wille

Die Reductio ad absurdum ist ein bewährtes und wirkungsvolles logisches Verfahren, die Gültigkeit und Wahrheit eines als plausibel, sicher oder wahr unterstellten Satzes zu prüfen, indem wir von ihm Sätze ableiten, die er logisch impliziert. Am Ende stoßen wir allerdings auf eine Schlussfolgerung, die offensichtlich falsch ist. Daher sehen wir uns leider gezwungen, die Gültigkeit und Wahrheit des vorausgesetzten Satzes anzuzweifeln oder zu bestreiten.

1
Wir gehen von der Gültigkeit und Wahrheit der scheinbar plausiblen (und von renommierten Philosophen wie John Locke als wahr unterstellten) Annahme aus, die Wirklichkeit des bewussten Ich und der ihrer bewussten Person sei eine Funktion des Gedächtnisses – denn wir wissen ja bekanntlich von uns nur, an was wir uns erinnern können, wahrgenommen und erlebt zu haben.

These A: „Ich bin die Summe der Inhalte, an die ich mich erinnern kann.“

Angeklagter: „Ich kann mich nicht erinnern, zur Tatzeit am Tatort gewesen zu sein.“
Richter: „Der Angeklagte ist gemäß These A, die von namhaften Philosophen vertreten wird, freizusprechen.“

Da der Angeklagte freilich mittels DAN-Analyse und Aussagen glaubwürdiger Zeugen der Tat überführt worden ist, muss die Gültigkeit und Wahrheit der These angezweifelt oder bestritten werden.

Folglich ist der Begriff der Person kein rein subjektiver Zusammenhang wie etwa die Summe der bewusstseinsfähigen Erinnerungen.

2
Wir gehen von der Gültigkeit und Wahrheit der plausiblen (und von vielen renommierten Philosophen als wahr unterstellten) Annahme aus, alle Ereignisse seien in einem geschlossenen Weltsystem die unmittelbare Folge vorausgehender Ereignisse, so dass wir bei Kenntnis der momentanen Zustände des Systems und der kausalen Gesetze neu eintretende Ereignisse im Prinzip voraussagen können.

These B: „Es gilt das Gesetz des vollständigen Determinismus für die Ereignisketten im System S.“

Angeklagter „Ich konnte nicht anders, als in diesem Moment dem Herrn auf der Straße in die Tasche zu greifen.“
Richter: „Der Angeklagte ist gemäß These B, die von namhaften Philosophen vertreten wird, freizulassen.“

Nun wissen wir, dass der Angeklagten unter normalen Umständen durchaus in der Lage gewesen wäre, anders zu handeln. Dass wir kontrafaktische Bedingungen alternativen Handelns in die Waagschale legen können, ist uns Beweis genug, dass wir uns als mit freiem Willen begabte Lebewesen definieren und also These B anzuzweifeln oder zu bestreiten ist.

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