Das Gold unter den Schuppen
Gott fliegt in Gedanken über das System. Wir verheddern uns in den Fußnoten.
Bei den meisten ist es fraglich, ob sie zu dumm sind oder unwillig, das Offensichtliche zu sehen.
Die Dummen kannst du bemitleiden, die aber bösen Willens sind, musst du meiden oder vom Gastmahl ausschließen.
Der Perverse führt das Zepter oder was auf das Gleiche hinausläuft, füllt die Schlagzeilen.
Weil er so und so ist, von Geburt an, verlogen, tückisch, gemein, redet er das ganze romantische Zeug daher, betrügt er seine Frau und führt seine Schüler und Freunde an der Nase herum.
Wenn du den Triebtätern – ich spreche von uns allen – freie Hand gewährst zum Plebiszit ihrer Wünsche und zur Entfaltung ihrer Persönlichkeit – ich spreche von unseren grundlegenden Illusionen der sogenannten freiheitlichen Demokratie –, dann musst du die moralische und ästhetische Verpestung und Verhässlichung unserer Lebenswelt in den Kauf nehmen.
Den goldenen Thronsitz finden, von dem man nicht mehr aufsteht, das Fenster im Gebet finden, aus dem man gen Eden blickt, Gnade finden vor dem Angesicht, das über Gerechte und Ungerechte leuchtet.
Durch den Sexus sind wir nicht bloß vom anderen Geschlecht getrennt, sondern auch von uns selbst, insofern wir uns nie als ganzes Stück ohne Löcher, Fugen und hohle Fassaden wahrnehmen können.
Wer aus Liebe, Hingabe und Freude dem Trieb zu entsagen vermag, der hat einen Frieden, den er nicht einmal begreift.
Wem immerzu der Mund übergeht von Anekdoten über damals und da und dort und wie er wo und wann mit wem, ist innerlich leer und mausetot.
Man soll vor den Rachegöttinnen nicht zur Ruhe kommen. Nur dass heute die Erinnyen, die den deutschen Michel triezen, ihm wie fette Zigeunerinnen hinterherlaufen, mit der Zunge schnalzend und mit den Kastagnetten balzend.
Die Verirrten weisen den Weg, die Abartigen predigen das neue Leben, die innerlich Abgestorbenen wollen durch einen Liebeskuss lebendig machen.
Man achte auf die kleinen verwackelten Gesten, das Trübe im Auge, das Zucken der Wimpern. Es genügt nur eine kleine Lockerung einer Stellschraube, nur eine winzige Unwucht des Rades – und die ganze Maschine geht bald aus dem Leim, der Karren landet im Dreck.
Das Gold steckt unter den Schuppen, doch nur wenn der Fisch eine bestimmte Tiefe, eine glückliche Welle, eine nächtliche Stille erreicht hat, siehst du, wie es erglänzt.
Wenn du alles überblickst, gerätst du ins Stocken und Stottern. Wenn du ihr in die Augen schaust, Augen eines erschrockenen Kindes, magst du den liebenden Übergang erfahren.
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