Die Stimmen der Schatten
Lyrisch-philosophisches Spiel für zwei Stimmen, Geräusche und eine Lichtquelle
Leere Bühne, drei Lautsprecher, zwei für jeweils eine Stimme und einen für Geräusche, eine Lichtquelle, in den dunklen Zuschauersaal gerichtet, deren Intensität im Rhythmus und Gegenrhythmus der Klangerzeugung wechselt.
Vorspiel
Dunkelheit. Stille. Nach einer Weile Geräusch von Regen, der auf Asphalt prasselt. Stille. Windgeräusche. Verebbend. Stille. Dreimal Ein- und Ausatmen. Stille. Seufzen. Das Licht geht an, wenn eine Stimme ertönt. Erlöscht kurz. Geht erneut an.
1. Stimme:
Also dies ist die Natur der Dinge …
2. Stimme:
… oder das Gesetz der Welt.
1. Stimme:
Das Licht kommt aus dem Dunkel …
2. Stimme:
… und kehrt wieder ins Dunkel zurück.
1. Stimme:
Die Stimme kommt aus der Stille …
2. Stimme:
… und kehrt wieder in die Stille zurück.
1. Stimme:
Die Stimme kommt mit dem Licht aus dem Dunkel …
2. Stimme.
… und kehrt wieder mit dem Licht ins Dunkel zurück.
1. Stimme:
Und deine und meine Stimme …
2. Stimme:
… unsere Stimmen sind Schatten des Lichts.
Spiel
Dunkelheit. Stille. Nach einer Weile Geräusch von Regen, der auf Asphalt prasselt. Stille. Windgeräusche. Verebbend. Stille. Dreimal Ein- und Ausatmen. Stille. Seufzen. Das Licht geht an, wenn eine Stimme ertönt. Erlöscht kurz. Geht erneut an.
1. Stimme:
Woher kommt der Atem?
Woher kommt der Wind?
Woher kommt der Regen?
Woher kommt das Licht?
Stille – dreimal Ein- und Ausatmen – Regen, der auf Asphalt prasselt – Stille – Seufzen – Stille
2. Stimme:
Wie lange schon Atem?
Wie lange schon Wind?
Wie lange schon Regen?
Wie lange schon Licht?
Stille – dreimal Ein- und Ausatmen – vom Wind verschluckt – Stille – Seufzen – Stille
1. Stimme:
Wie lange noch Atem?
Wie lange noch Wind?
Wie lange noch Regen?
Wie lange noch Licht?
2. Stimme:
Der Atem durchfließt mich, ohne mich zu wärmen.
Der Regen durchfließt mich, ohne mich zu kühlen.
Stille – dreimal Ein- und Ausatmen – Regen, der auf Asphalt prasselt – Stille – Seufzen – Stille
1. Stimme:
Der Atem durchfließt mich, ohne mich zu wärmen.
Der Wind durchweht mich, ohne mich zu kühlen.
2. Stimme:
Die Stimme geht mit dem Licht, als wäre sie sein Schatten.
1. Stimme:
Die Stimme redet mit dem Licht, als würde sie heller und dunkler.
1. Stimme:
Die Stimme geht im Rhythmus des Lichts.
2. Stimme:
Das Licht ist ein Ausfluß der Dunkelheit.
1. Stimme:
Die Stimme ist ein Ausfluß des Lichts.
2. Stimme:
Die Stimme mündet im Licht.
1. Stimme:
Das Licht mündet in der Dunkelheit.
2. Stimme:
Die Stimme mündet in der Stille.
1. Stimme:
Die Stille ist der Ausfluß der Dunkelheit.
2. Stimme:
Die Dunkelheit fließt aus sich selber.
1. Stimme:
Die Dunkelheit fließt aus sich selber.
Stille – dreimal Ein- und Ausatmen – vom Wind verschluckt – Stille – Seufzen – Stille
2. Stimme:
Gibt es einen Grund für den Atem?
Gibt es einen Grund für das Seufzen?
1. Stimme:
Gibt es einen Grund, aus dem der Wind weht?
Gibt einen Grund, aus dem der Regen fällt?
Gibt es einen Grund, aus dem das Licht leuchtet?
2. Stimme:
Der Grund für den Atem hat keinen Mund.
Der Grund für das Seufzen hat kein Herz.
Der Grund für das Licht ist dunkel.
1. Stimme:
Der Wind weht aus dem Grund ohne Grund.
Der Regen fällt aus dem Grund ohne Grund.
Das Licht leuchtet aus dem Dunkel in das Dunkel.
2. Stimme:
Das Atmen hat sein Licht.
Das Seufzen hat sein Licht.
1. Stimme:
Der Wind hat sein Licht.
Der Regen hat sein Licht.
2. Stimme:
Woher kommt das Licht?
1. Stimme:
Kommt es von außen
oder kommt es von innen?
2. Stimme:
Woher kommt der Wechsel des Lichts?
1. Stimme:
Kommt er von außen
oder kommt er von innen?
2. Stimme:
Bleibt das Licht, wenn wir gehen?
War es schon da, bevor wir kamen?
1. Stimme:
Bleiben wir, wenn der Atem verstummt?
Bleiben wir, wenn der Wind verebbt?
2. Stimme:
Bleiben wir, wenn das Seufzen versiegt?
Bleiben wir, wenn der Regen aufhört?
1. Stimme:
Wir wissen es nicht.
2. Stimme:
Wir werden es nie wissen.
1. Stimme:
Wir können es nicht wissen.
2. Stimme:
Wir werden es nie wissen.
Atmen – Wind – Seufzen – Regen –
Licht, das heller wird und dunkler
1. Stimme:
Ist all dies schon einmal geschehen?
2. Stimme:
All dies ist schon immer geschehen.
1. Stimme:
Dann sind wir jetzt in der Ewigkeit.
2. Stimme:
Ewigkeit ohne Gestern und Morgen.
1. Stimme:
Ewigkeit, solange das Licht leuchtet.
2. Stimme:
Solange wir reden.
1. Stimme:
Solange wir sterben.
2. Stimme:
Solange wir Schatten sind.
1. Stimme:
Warum können wir uns nicht sehen?
2. Stimme:
Weil wir unsichtbar sind.
1. Stimme:
Warum können wir uns nicht berühren?
2. Stimme:
Weil wir Monaden sind.
1. Stimme:
So berühren wir immer uns selbst …
2. Stimme:
… wenn wir anderes berühren.
1. Stimme:
Was immer wir vernehmen …
2. Stimme:
… steigt auf einsam in uns auf …
1. Stimme:
.. schwindet grenzenlos ins Grenzenlose hin …
2. Stimme:
… grenzenlos ins Grenzenlose hin.
Atmen – Wind – Seufzen – Regen –
Licht, das heller wird und dunkler
1. Stimme:
Werden wir weiteratmen, wenn der Wind verebbt?
2. Stimme:
Werden wir weiteratmen, wenn der Regen aufhört?
1. Stimme:
Werden wir weiteratmen, wenn das Licht verlöscht?
2. Stimme
Wir wissen es nicht.
1. Stimme:
Wir werden es nie wissen.
2. Stimme:
Wir können es nicht wissen.
1. Stimme:
Werden wir weiterreden, wenn der Wind verebbt?
2. Stimme:
Werden wir weiterreden, wenn der Regen aufhört?
1. Stimme:
Werden wir weiterreden, wenn das Licht verlöscht?
2. Stimme:
Solange wir Atem haben …
1. Stimme:
… werden wir weiterreden.
2. Stimme:
Solange das Licht leuchtet …
1. Stimme:
… werden wir weiterreden.
Dunkelheit. Stille. Nach einer Weile Geräusch von Regen, der auf Asphalt prasselt. Stille. Windgeräusche. Verebbend. Stille. Dreimal Ein- und Ausatmen. Stille. Seufzen. Das Licht geht wieder an, wenn eine Stimme ertönt. Erlöscht kurz. Geht erneut an.
Nachspiel
1. Stimme:
Also dies ist die Natur der Dinge ….
2. Stimme:
… oder das Gesetz der Welt.
1. Stimme:
Das Licht kommt aus dem Dunkel …
2. Stimme:
… und kehrt wieder ins Dunkel zurück.
1. Stimme:
Die Stimme kommt aus der Stille …
2. Stimme:
… und kehrt wieder in die Stille zurück.
1. Stimme:
Die Stimme kommt mit dem Licht aus dem Dunkel …
2. Stimme.
… und kehrt wieder mit dem Licht ins Dunkel zurück.
1. Stimme:
Und deine und meine Stimme …
2. Stimme:
… unsere Stimmen sind Schatten des Lichts.
Der Wind verebbt, Atmen, Regen und Licht bleiben.
Der Regen hört auf, Atmen und Licht bleiben.
Das Licht verlöscht allmählich, dreimal Ein- und Ausatmen.
Das Licht ist vollständig erloschen. Seufzen.
Stille, ununterbrochene Stille.
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