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Horaz, Oden, Buch III, 27

09.10.2015

Inpios parrae recinentis omen
ducat et praegnans canis aut ab agro
rava decurrens lupa Lanuvino
fetaque volpes;

rumpat et serpens iter institutum,
si per obliquum similis sagittae
terruit mannos: ego cui timebo,
providus auspex,

antequam stantis repetat paludes
imbrium divina avis imminentium,
oscinem corvum prece suscitabo
solis ab ortu.

sis licet felix, ubicumque mavis,
et memor nostri, Galatea, vivas
teque nec laevos vetet ire picus
nec vaga cornix.

sed vides, quanto trepidet tumultu
pronus Orion. ego quid sit ater
Hadriae novi sinus et quid albus
peccet Iapyx.

hostium uxores puerique caecos
sentiant motus orientis Austri et
aequoris nigri fremitum et trementis
verbere ripas.

sic et Europe niveum doloso
credidit tauro latus et scatentem
beluis pontum mediasque fraudes
palluit audax.

nuper in pratis studiosa florum et
debitae Nymphis opifex coronae
nocte sublustri nihil astra praeter
vidit et undas.

quae simul centum tetigit potentem
oppidis Creten, ‘pater, o relictum
filiae nomen pietasque’ dixit
‘victa furore!

unde quo veni? levis una mors est
virginum culpae. vigilansne ploro
turpe conmissum an vitiis carentem
ludit imago

vana, quae porta fugiens eburna
somnium ducit? meliusne fluctus
ire per longos fuit an recentis
carpere flores?

siquis infamem mihi nunc iuvencum
dedat iratae, lacerare ferro et
frangere enitar modo multum amati
cornua monstri.

inpudens liqui patrios Penates,
inpudens Orcum moror. o deorum
siquis haec audis, utinam inter errem
nuda leones.

antequam turpis macies decentis
occupet malas teneraeque sucus
defluat praedae, speciosa quaero
pascere tigris

“vilis Europe” pater urget absens:
“quid mori cessas? potes hac ab orno
pendulum zona bene te secuta
laedere collum.

sive te rupes et acuta leto
saxa delectant, age te procellae
crede veloci, nisi erile mavis
carpere pensum

regius sanguis dominaeque tradi
barbarae paelex.’” aderat querenti
perfidum ridens Venus et remisso
filius arcu.

mox ubi lusit satis, ‘abstineto’
dixit ‘irarum calidaeque rixae,
cum tibi invisus laceranda reddet
cornua taurus.

uxor invicti Iovis esse nescis.
mitte singultus, bene ferre magnam
disce fortunam; tua sectus orbis
nomina ducet.’

 

Sündern ein Omen sei unterwegs des Uhus
Schrei, der schwangere Hund, die graue Wölfin,
durch Laviniums Äcker schnürend, und die
trächtige Füchsin.

Eine Schlange soll sie anzischen aus dem
Hinterhalt, einem Pfeil gleich, Pferde scheuen
vor ihm. Um wen mir aber bang ist, mir, dem
wissenden Augur,

ihm will scheuchen ich, bevor wieder fliegt
zu den Sümpfen der Regenkündervogel,
mit Gebeten den Seherraben, wenn die
Sonne emporsteigt.

Mögest glücklich du leben, wo immer du willst,
unser gedenkend, Galatea, nicht soll
deinen Fuß hemmen Unheilsspecht, nicht der
flatternde Rabe.

Doch du siehst, wie mit Gebraus Orion
zittert herab, ich aber weiß zu deuten,
wenn sich schwärzt die Bucht Hadrias, warum hell der
Westwind sie aufwühlt.

Soll doch Weib und Kind unsrer Feinde fühlen
östlichen Sturmes blindes Wüten, Klatschen
schwarzer Wogen und das unterm Anprall
bebende Ufer.

So auch gab Europa ihren weißen Leib dem
schlauen Stier anheim, als sie sich aufs Meer, das
wimmelt von Monstern, und die Schwindeltiefe
wagte erblassend.

Eben noch pflückte Blumen sie auf Wiesen und
flocht den Nymphen die Dankeskränze, jetzt sieht
sie in nächtlicher Düsternis nichts außer
Sternen und Wellen.

Als sie Kretas Reich mit den hundert Städten
hatte betreten, „Vater!“, rief sie aus, „o,
deiner Tochter Ruf ist dahin, die Reinheit
schändete Wahnsinn!

Weiß nicht ein, weiß nicht aus mehr. Einmal sterben
tilgt nicht der Mädchen Fehltritt. Wach ich weinend
um die Schandtat, bin ich schuldlos Opfer
luftigen Traumbilds,

das der Pforte aus Elfenbein entschlüpft, sich
mir in den Traum schlich? War es besser, sich den
Fluten zu geben anheim oder frische
Blumen zu pflücken?

Hielte mir jetzt wer den verruchten Stier hin,
ich zerfetzte ihn mit dem Eisen, ich raste
zu zerbrechen des Untiers Hörner, das ich
eben noch liebte.

Schamlos ließ im Stich ich des Hauses Geister,
schamlos zögre vorm Orkus ich, o Götter,
einer erhör mich, daß ich nackt möchte irren
unter den Löwen.

Bevor Magerkeit meine vollen Wangen
häßlich entstellt und aus der zarten Beute
sickert der Saft, will meine Wohlgestalt ich
Tigern vorwerfen.

,Arme Europaʿ, von fern drängt der Vater,
,scheust du den Tod? Hier an der Esche lege,
deinen Gürtel führst du ja stets bei dir, den
Hals in die Schlinge!

Sollten die Klippen locken dich, der Fels, steil
für den Todessprung, auf denn, gib dich jähem
Sturmwind! Oder willst eingesperrt im Haus du
spinnen die Wolle,

du, ein Königskind, ausgeliefert fremder
Herrin als Sklavin?ʿ“ Wie sie klagt, steht da
grinsend Venus und mit erschlafftem Bogen
Amor, das Söhnchen.

Endlich des Spielchens satt, „Stell ab“, sprach sie,
„Wüten und hitziges Zetern, siehe,
der verhaßte Stier, er gewährt nun dir, die
Hörner zu brechen.

Jupiters Frau, des unbesiegten, bist du,
weißt duʼs nicht? Hör auf mit dem Schluchzen, beug
großem Schicksal dich, denn ein ganzer Erdteil
trägt deinen Namen.“

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