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Klageregister des Vergrämten

09.10.2022

(Auszug)

Der obszöne Lärm der Welt

Der Moloch Stadt

Die erzwungene Nachbarschaft mit üblen Gerüchen, plebejischen Manieren, frechem Lachen und quäkenden Hammondorgeln

Eisenbahn, Automobil, Telefon und Kanonen, die großen technischen Errungenschaften als Götzenbilder am Rand des abschüssigen Pfads des deutschen Geistes

Aus dem von einem tätowierten Affen gesteuerten rasenden Wagen apokalyptisch hämmernde Boxen

Unter Teer und Asphalt ersticktes Grün

Vom Blech des Mobilitätswahns verstellte Wege

Idioten des Lebens, die um seine Verlängerung, ob im Siechtum oder in debilem Vorsichhindämmern, betteln oder dem Wahn aufsitzen, ihre Identität virtuell in der Datenbank abspeichern zu können

Damen, die boxen

Frauenfußball

Schönheiten aus besseren Kreisen, die Kunstgeschichte studieren, um sich den Connaisseur zu angeln

Alte Vetteln mit rotgefärbtem Kurzhaarschnitt

Künstliche Wimpern, lila Lippen, leere Blicke

Die flackernde Lampe der Lust, die nur das schwarze Tuch des Schreckens gnädig verhüllt

Kunstakademien, die Dämchen mit Bestnoten entlassen, die Vulven in Serie malen und das wolkige Gekröse fader Begierden

Tief Dekolletierte, die mit dem geliehenen Fächer exotischen Wissens wedeln

Hübsche Plaudertaschen pseudowissenschaftlicher Magazine, die keine Wissenschaftler sind, sondern Wissenschaftler:innen

Von Steuergeldern gefütterte Horden von hysterischen Betroffenheitsheulsusen

Flachbrüstige, unfruchtbare Abtreibungsfanatikerinnen

Großsprecher, die über das Winseln des Hündchens zu ihren Füßen hinwegtreten, um coram publico von der Rettung der Welt zu schwadronieren

Geistige Schmutzfinken, die Sprachhygiene betreiben

Fettleibige Heuchler, die mit dem moralischen Zeigefinger auf den Wasserbauch des hungernden Negerkindes zeigen

Puristen und Vegetarier, die mit der Fliegenklatsche reiner Gesinnung die rätselhaft sirrende Mücke, die sich vom Dung des schmutzigen Lebens genährt hat, erlegen

Die saturierten Apologeten der Freizügigkeit und offener Grenzen, die sich in ihrer mit modernster Überwachungstechnik ausgerüsteten Vorstadtvilla verschanzen

Gesinnungssklaven, die wähnen, Frauen und sechzig andere Geschlechter würden durch die Verwendung des generischen Maskulinums aus der Sprachgemeinschaft ausgeschlossen

Wirrköpfe, die meinen, das richtige Argument würde im Munde des Falschen anrüchig oder nichtig

Jazz

Free Jazz

Verjazzter Bach

Abstrakte Kunst

Die akustische Verseuchung von Fahrstühlen, Warteräumen und Supermärkten

Intellektuelle

Hypertrophie der Geschlechtsteile und Mikrosemie der Seele

Pseudo-Gelehrte, die grammatische Regeln und Strukturen als kulturelle Konstrukte zur Stützung patriarchalischer Herrschaft entlarven

Siechtumpoeten, die den künstlichen Eiter vorgetäuschter Wunden auf das zerknitterte Laken ihrer Verse triefen lassen

Die mürben, ausgemergelten, lendenlahmen Nihilisten, die das Weltenei für taub erklären und die eigene Mutter verleugnen

Pseudo-Philosophen, die ex cathedra verkünden, ein Satz bedeute, was wir uns dabei denken, und die Welt sei der Spiegel unserer eitlen Grimassen

Der Tugendterror der neuen Jakobiner, die statt des Beils der Guillotine das Messer der Verleumdung wetzen

Die neuen Savonarolas der Gleichheit, die im Begriff sind, die Werke der Unnachahmlichen, der Einzigen, der Einsamen aus den Bibliotheken zu verbannen oder öffentlich zu verbrennen

Öffentlich-rechtliche Propagandaanstalten, für deren Ausstrahlung von gesinnungsethisch gefilterten Nachrichten, Reportagen und Kulturmagazinen und den guten Geschmack verhöhnender seichter Unterhaltung Zwangsgebühren erhoben werden

Tersites und Konsorten, die unter eitler Demonstration ihrer Verkrüppelung und schlotternder Glieder den Sinn des Kampfes um die schöne Helena bestreiten

Die gestern den alten Professor und Goetheverehrer mit faulen Eiern bewarfen und sich mittlerweile selbst zu professoraler Würde emporgepfuscht und emporintrigiert haben, und heute den Rebellen, der sich dem staatlich verordneten Sprachregime verweigert, des Hörsaals verweisen

Die geistige Vermüllung des Campus

Zarte Seelenflöckchen, die gleich schmelzen, wenn der Wüstenwind der Wahrheit weht

Der Verfall des abendländischen Ethos der Wissenschaft, die sich dem Sprach- und Meinungsdiktat beugt und den Stiefel leckt, der sie in den Morast der Selbstverleugnung hinabdrückt

Statistiken, die voraussagen, was das Dogma verlangt

Das alte Preußenschloß, das man nicht mit Werken deutscher Meister füllt, sondern mit Fratzen, Fetischen und Idolen vom weißen Mann ach! arrogant verkannter indigener Völker

Pseudo-Germanisten, die mit dem Namen Hölderlin nur den pubertären Tanz um den Freiheitsbaum und die Autenriethsche Maske als Zeugnis repressiver Psychiatrie verbinden

Die vor dem schwarzen Quadrat wie vor einer Ikone knien

Die glauben, Klopstocks Oden seien Ranken verworrener Verse, auf denen müde Abendsonnenflecken verglimmen, und Adalbert Stifters Schriften biedermeierliche Idyllen, die längst im Abgas der Schlote erstickt sind

Betrügerische Seelenzergliederer mit dem Flair à la Parisienne, die den Namen Vater für verrucht und die Freude, Dankbarkeit und Liebe, die dem Schoß der Mutter mit der Geburt ihres Kindes entspringen, für antiquierte Gemütsbewegungen halten

Die neuen staatlich alimentierten Seelsorger, die der Verlorenheit der Seele Planken und Geländer errichten, an denen die wankende den Halt findet, den ihr einmal der fromme Glaube an den Schutzengel gewährt haben mag

Die Bußprediger, die als Ablaß für die Taten der Väter Rituale der Selbstverachtung und der Verhöhnung heimatlicher Sitten in Umlauf bringen

Die Verkümmerung des freien Sprossens der Dichtung auf dem dürren Anger der politischen Moral

Die Haltung vermitteln wollen und ihr Fähnchen im Wind flattern lassen

Der törichte Rezitator, dessen Stimme zittert, wenn er Rilke spricht, der die Augen gen Himmel rollt, wenn er Hölderlins An die Parzen vorträgt, der sagt, was er fühlt und was er dem Dichter an Gefühlen unterstellt, nicht aber den Rhythmus der Verse wiedergibt, der das Gesagte und das Ungesagte umfaßt

Strauchelnde, schreiende, sich im warmen Urin ihrer nicht kontrollierbaren Emotionen wälzende Schauspieler, denen die starren Szenen aus Becketts späten Stücken Hohn sprechen, wo die Darsteller marionettenartig im Kreis gehen, in Amphoren oder im Sand feststecken

Ressentimentbehaftete Geister, die alles, was wie der harmonische Strom mozartischer Melodien oder der selig verlorene Rhythmus der Sonette an Orpheus anmutet, auf die Verdrängung eines ursprünglichen Traumas zurückführen

Die fade, instinktlose, unkünstlerische Emblematik der Euro-Scheine, die ein Bild der geistigen und ästhetischen Entwurzelung ihrer Benutzer darstellt

Die glauben, Nietzsche ad hominem widerlegen zu können, weil er den Tod Gottes ausrief, aber in gnädiger Umnachtung sich in den Wahnsinnsbriefen an Cosima als den Gekreuzigten bezeichnete, oder Wittgenstein, weil er lausige Schulbuben in den Dörfern Niederösterreichs windelweich geschlagen hat

Das schreckliche Ende Edith Steins, das eines der vielen Zeugnisse für das Scheitern der deutsch-jüdischen Symbiose darstellt

Klopstock, Goethe, Hölderlin, vielfach schon aus den Curricula gestrichen, ansonsten nur ein bleiernes Bildungsgut, das dem Pennäler Kopfweh verursacht

Die Verkümmerung natürlicher Anmut

Der Verlust des religiösen Empfindens, Fühlens, Sinnens und das törichte Surrogat politisch-moralischer Heilslehren

Die Verdächtigung und Verunglimpfung des Zögernden, des Ungebundenen, des Melancholikers, kurz des Dichters, als eines Immoralisten und Sozialdienstverweigerers

Demokratische Vergötzung des Durchschnitts und plebejische Verächtlichmachung des Genies

Das Messer der Egalität, das alles Überragende und Hochsinnige, die Sonnenblume und die Orchidee, auf das unterste Niveau des allgemeinen Geschwätzes und die monotone Mediokrität des englischen Rasens kürzt

 

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