Die Flammenmaske
Einem Schamanen der Dogon in Mali,
dem Bruder im Geist und hoffendem Leid,
hinübergerufen über das Zwielicht der Ströme
und den Zauberspiegel des weinfarbenen Meers
πλέων ἐπὶ οἴνοπα πόντον
ἐπ’ ἀλλοθρόους ἀνθρώπους
Im aufgelassenen Ziegenstall
mit dem widrigen Moder der Verlassenheit
und dem Fliegengesumm
sich umschwirrender Lüste –
dämmern die Masken, die Negerfetische,
gleich Fledermäusen im bangen Baumeln
des Halbschlafs verkrallt.
Was deine käuflichen Söhne
auf neonbeleuchtetem Dorfplatz
mit weihlosen Masken
auf schwindlichten Stelzen
als magische Tänze vorspiegeln,
kitzelt das Plastik-Glück der Touristen.
Du aber döst in lehmiger Hütte
der Entwandlung des Leibs
in einen gesichtslosen Klumpen entgegen.
Oder wirst einmal wieder du, ragend
an blitzendem Krummstab,
die Stallung betreten,
erleuchtet vom Strahl deines Haupthaars,
und die Götzenbilder betasten,
sie mit Samen der heiligen Hirse bestreun
und sanft überreiben,
wirst abschlagen du den schreienden Kopf des Hahns
und das Opferblut über sie schütten,
auf dass sie, von frischem Verlangen
nach Menschenseelen geweckt,
aufschlagen die Augen?
Auch mein Gedicht ist ein halbwacher Götze,
geschnitzt aus dem dunklen Treibholz
herangeschwemmten Gefühls,
eine entflammbare Maske,
aufgehängt in die hohe Krone
meiner rheinischen Eiche –
und wartet deiner,
auf dass du sie an dich reißt
und küsst und bespeist mit dem heiligen Blut –
erweck sie mit des Schöpfergeists Flammen!