Verse über Verse
Nur wer den Blick kann wenden
vom Stern zur dämmernden Schwelle,
vom Abgrund in die Morgenhelle,
wird kundig das Gebild vollenden.
*
Wen viele Seelen tragen
vom Dunkel in die Bläue,
so stürmische wie scheue,
wird manches Wahre sagen.
*
Wer gebannt nur auf ein Bildnis stiert,
sommerpralle Knospe, Locke wintergrau,
blutbeträufte Klaue, Glanz im Sonnentau,
hat den Vers um einen Fuß kupiert.
*
Trakl singt den tiefsten Schmerz der Nacht,
und sein Mond glänzt kalt wie Elfenbein,
doch das wilde Herz Rimbauds, es lacht,
opfert er sein Blut vorm leeren Schrein.
*
Dichterworte sind nervöse Mücken,
die auf Kehrichthaufen fremder Seelen
funkeln, oder Falter, die entzücken,
wenn sie süßen Glanz aus Wunden stehlen.
*
Talmi-Dichter fuchteln mit Pistolen
die wie echte Verse golden schimmern.
Der Geliebten haben sie befohlen,
nackt aufs Podium zu steigen,
sich die Locken aus der Stirn zu streichen,
unerschrocken in den Lauf zu blicken.
Die Voyeure rings im Saal erbleichen,
hören sie fatale Schüsse knallen,
die Getroffne muß die Brust sich halten
und dann elegant zu Boden fallen.
Selbst die schrillsten Epigonen
schießen nur mit Platzpatronen.
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