Walther von der Vogelweide, Under der Linden
Under der linden
an der heide,
dâ unser zweier bette was,
dâ muget ir vinden
schône beide
gebrochen bluomen unde gras.
vor dem walde in einem tal,
tandaradei,
schône sanc diu nahtegal.
Ich kam gegangen
zuo der ouwe:
dô was mîn friedel komen ê.
dâ wart ich empfangen
hêre frouwe
daz ich bin sælic iemer mê.
kust er mich? wol tûsentstunt:
tandaradei,
seht wie rôt mir ist der munt.
Dô hete er gemachet
alsô rîche
von bluomen eine bettestat.
des wirt noch gelachet
inneclîche,
kumt iemen an daz selbe pfat.
bî den rôsen er wol mac
tandaradei,
merken wâ mirz houbet lac.
Daz er bî mir læge,
wesse ez iemen
(nu enwelle got!), so schamte ich mich.
wes er mit mir pflæge,
niemer niemen
bevinde daz wan er und ich
und ein kleinez vogellîn:
tandaradei,
daz mac wol getriuwe sîn.
Unter der Linde
Unterm Lindenbaum,
bei den Wiesen,
da war uns zweien ein Bett bestückt,
ihr traut den Augen kaum,
die dort sprießen,
Blumen und Gras, sind hold zerdrückt,
am Waldessaum im Tal,
tandaradei,
sang schön die Nachtigall.
Ich ging den Weg entlang
zu jener Au:
Mein Geliebter war schon dort.
Da ward mir ein Empfang,
heilige Jungfrau!,
ich bin nun glücklich immerfort.
Ob er mich küßte? Stunde um Stund:
tandaradei,
seht, wie rot mir ist der Mund.
Dort hat er gemacht
so zierlich
aus Blumen eine Bettstatt.
Darüber wird noch gelacht,
inniglich,
kommt wer auf demselben Pfad.
An den Rosen er ersehen mag,
tandaradei,
wo mein Haupt gebettet lag.
Daß er sich zu mir legte,
wüßte es einer
(Gotte bewahre!), so schämte ich mich.
Wessen er mit mir pflegte,
das soll nimmer einer
erfahren außer er und ich
und ein kleines Vöglein:
tandaradei,
das wird wohl verschwiegen sein.