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Schimpansen heiraten nicht

25.04.2019

Philosophische Sentenzen und Aphorismen

Es schien, als läge ihm das Wort auf der Zunge, aber es war nur ein Haar.

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Wie weit reicht der gemeine Stumpfsinn und wo beginnt der höhere Unsinn?

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Der fromme Wunsch ist der Vater der dummen Idee.

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Der fromme Wunsch legt taube Eier, der Philosoph versucht sie auszubrüten. – Bisweilen verdrängt ihn der Theologe vom Gelege.

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Die Schnörkel des edlen Geschwätzes kann man gefahrlos wegschlagen wie bröckelnden Putz; nicht so die Formen der gemeinen Rede, sie sind die tragenden Wände.

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Sein Geist war verdüstert, sein Wille gelähmt, die Welt erschien ihm wie ein unentrinnbares Labyrinth, und kein Wort war ein Ariadnefaden, kein Lächeln winkte zum Licht eines Ausgangs. – Dann traf ich ihn nach Jahren wieder, er war still, ruhig, die Glätte seiner Stirn, die Klarheit des Blicks verrieten, daß jene geistigen Krämpfe sich entspannt, jene Düsternis sich aufgeheitert hatte. Auf die Frage, ob er sich daran erinnere, was der Grund seiner damaligen Lebensverzagtheit gewesen sei, wußte er ebensowenig zu antworten wie auf die Frage, welches Ereignis sie aufgelöst hatte.

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Was soll es denn heißen, daß in der Frühphase der Entstehung des Universums fünf Minuten vergangen waren, als das und das geschah? Aber so reden sie daher.

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Um uns vor Augen zu rücken (oder aufdringlicher: uns ins Gewissen zu reden), daß die Affen unsere Brüder im Geiste seien, raspelt man uns so allerlei Süßholz unter die Nase, was alles die Wissenschaft herausgefunden und ihre dienstbaren Voyeure ihnen im Busch von den Pfoten abgeschaut haben: daß sie gähnen wie wir, in der Nase bohren wie wir, mit der Zunge schnalzen wie wir, sich langweilen wie wir, daß sie Tüftler sind wie wir, wenn sie mit abgebrochenen und geglätteten Zweigen in Baumritzen nach Ameisen angeln, sich lausen und verprügeln wie wir, ja daß sie – pace Claude Lévi-Strauss – patriarchalisch oder matriarchalisch, monogam, polygam oder polyandrisch ihre dolce vita dahinbringen.

Worin besteht die Dummheit und Begriffsstutzigkeit dieser von bedeutungsblinden evolutionstheoretischen Narren und – hier sei es gendergerecht betont: Närrinnen – aufgezäumten und von wohlmeinenden Naturliebhabern nachgebeteten Analogien? Nun, Affen begatten sich wie wir, doch heiraten sie weder noch lassen sie sich scheiden; sie mögen sich den lieben langen Tag übers Ohr hauen, bespucken oder vermöbeln, doch werden sie nicht wegen Betrug, Beleidigung oder gefährlicher Körperverletzung angezeigt, vor Gericht gestellt und abgeurteilt, indem rechtmäßige Strafen aus höchstrichterlichem Munde über sie verhängt werden; sie mögen der eine dem anderen die Banane stibitzen, aber verüben keinen Diebstahl; sie töten sich, aber begehen kein Tötungsdelikt, weder Totschlag noch Raubmord oder Mord aus niedrigen Beweggründen. Die Forscher mit den bedeutungsblinden Stielaugen wollen gar beobachtet haben, wie sie ein Trupp gegen den Nachbartrupp losziehen und einander die Hucke vollhauen und sich von den Bäumen werfen; doch ist es absurd, von ihnen zu sagen, sie führten Krieg.

Tiere kennen den Begriff der Ehe, des Verbrechens und der Strafe, des Rechts, des Krieges nicht, kurz, sie haben nicht, was wir Sittlichkeit oder sittliche Ordnung nennen und was uns in den Begriffen sozialer Institutionen entgegentritt.

Wir können von Krieg nur sprechen, wenn wir den Sprechakt erfassen, aufgrund dessen er erklärt wird, wenn wir von einem Volk, einer Nation, einem Staat sprechen können, die von einem völkerrechtlich sanktionierten Territorium aus gegen einander ins Feld und in die Schlacht ziehen beziehungsweise völkerrechtswidrig die Grenzen eines fremden Territoriums überschreiten. Wir können von Krieg nur sprechen, wenn wir von Frieden sprechen können, der aufgrund des Sprechakts der Kapitulation eingeleitet wird und in Friedensverhandlungen mündet. Der Krieg ist menschlich gesehen ein Knotenpunkt eines engmaschigen Sprachnetzes, das aus Fäden besteht, die mit Begriffen wie „Landesgrenze“, „Volk“, „Nation“ und „Staat“, wie „Soldat“, „Offizier“, „Befehlshaber“ und „Verteidigungsminister“ oder wie „Diplomatie“, „Bündnis“, „Befehl“, „Strategie“, „Kriegserklärung“, „Entscheidungsschlacht“ und „Friedensvertrag“ verwebt sind.

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Der von einem stärkeren Männchen aus seiner dominanten Stellung verstoßene und verjagte Affenmann mag dumm aus der Wäsche schauen, wie einer, dem man mehr als einen Zacken aus der Krone gebrochen hat; doch wie töricht, ihn mit dem vom Thron gejagten Herrscher zu vergleichen.

Das verjagte Affenmännchen mag gekränkt sein, ja den Schmerz seiner Erniedrigung nicht lange überleben; doch etwas anderes sind die gewaltsame Eroberung und der Verlust der dominanten Position im Tierreich, etwas anderes die Verleihung der Insignien der Königswürde und die Abdankung des Herrschers bei den Bourbonen oder Habsburgern.

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Kann der Affe hoffen, nächste Woche Oberaffe zu werden? Warum nicht? Aus Willensschwäche? Aus Mangel an Zeitbegriffen?

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Kann der Hund es bedauern, daß sein Freund Klein-Fips wegrennt, weil er ihn zu arg gestupst hat? Warum nicht? Weil er ein Rabauke und so unzart und gewissenlos ist?

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Kann sich der Wellensittich wünschen, sein Besitzer möge aus Versehen das Fenster öffnen, wenn er auf seinem Käfig hockt, auf daß er ins Freie entkomme? Warum nicht? Aus Mangel an Phantasie? Weil dumpfe Gewohnheit und Sklavensinn seine Sehnsucht nach dem freien Vogelleben ausgemerzt haben?

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Kann die Katze beabsichtigen, den Nachbarshund bei der nächsten Begegnung mit Fauchen und aufgestelltem Schweif zu erschrecken? Warum nicht? Weil sie ein so sanftmütiges Tier ist und der treue Hund ihr nie etwas zuleide getan hat?

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Könnte Klein-Fips, der treue Hund, befürchten, daß die Nachbarskatze ihn nächste Woche wieder derart mit Fauchen und aufgestelltem Schweif erschreckt? Warum nicht? Weil er so vergeßlich ist? Weil er nicht über den Tellerrand eines Tages hinaussehen kann?

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Peter hofft, sein Freund Hans komme zeitig an den Ort ihrer Verabredung. Er wartet schon eine Weile und schaut nervös in die Richtung, aus der er das Kommen seines Freundes erwartet. Er geht auf und ab, schaut widerholt auf die Uhr, dann runzelt er die Stirn und steht unschlüssig da. Beginnt sein Hoffen auf das zeitige Kommen des Freundes am Morgen, wenn er auf seinem Taschenkalender den betreffenden Vermerk sieht oder wenn er sich von zu Hause aufmacht, steigert es sich, wenn er am verabredeten Treffpunkt auf und ab geht und nach Hans Ausschau hält, läßt es allmählich nach, wenn der Freund immer noch ausbleibt, und versandet es ganz, wenn die Zeit des ungeduldigen Wartens über Gebühr verstrichen ist?

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Hoffen, bedauern, befürchten, wünschen, beabsichtigen sind genauso wie an etwas denken, sich etwas fragen oder sich an etwas erinnern keine geistigen Erlebnisse oder mentalen Zustände, wenn sie auch mit typischen Erlebnissen, Empfindungen und Gefühlen einhergehen können. Das Gefühl der Erwartung und Ungeduld, das Peter beschleicht, wenn er nach Hansens Kommen Ausschau hält, es ist ja nicht das, was wir das Hoffen nennen; Peter könnte hoffen, daß Hans rechtzeitig eintrifft, auch wenn er gefühlsmäßig kalt und gleichgültig bliebe oder gar nichts empfände. Ja, er könnte dieses Gefühl der Erwartung und Ungeduld auch haben, wenn er insgeheim hofft, daß Hans NICHT komme, oder NICHT hofft, daß Hans komme.

Wenn wir hoffen, bedauern, befürchten, wünschen, beabsichtigen sowie an etwas denken, sich etwas fragen oder sich an etwas erinnern intentionale Zustände nennen, dann nur unter der Bedingung, daß wir sie nicht mit geistigen Erlebnissen und mentalen Zuständen verwechseln und in einen Topf, den Topf der begrifflichen Konfusion, werfen.

Die Dummheit und Begriffsstutzigkeit der Affenforscher und Evolutionstheoretiker und ihres parasitären Anhangs, der neurowissenschaftlich konfundierten Philosophen, besteht eben darin, das, was wir hoffen, bedauern, befürchten, wünschen, beabsichtigen sowie an etwas denken, sich etwas fragen oder sich an etwas erinnern nennen, als intentionale Zustände zu nehmen und sie mit geistigen Zuständen und ihren angeblichen, aber leider unauffindbaren neuronalen Zwillingen in einen Topf zu werfen.

Nur wenn man hoffnungslos begriffsstutzig oder eben Philosoph ist, fragt man, in welchem Hirnareal das Hoffen, Bedauern, Befürchten, Wünschen, Beabsichtigen sowie das An-etwas-Denken, das Sich-etwas-Fragen oder das Sich-an-etwas-Erinnern zu lokalisieren sind.

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Aber ist sich etwas zu wünschen nicht das Erlebnis eines Mangels, den wir mit dem gewünschten Etwas zu beheben gedenken? Doch wir können einen Mangel empfinden („Wie unsauber es hier wieder ist!“), ohne etwas zu wünschen (das Zimmer aufzuräumen); und wir können uns etwas wünschen (in die Sonne des Südens zu reisen), ohne einen Mangel zu haben (beispielsweise an Vitamin D).

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Warum heiraten Schimpansen nicht? Weil sie sich mangels Sprache kein Ja-Wort geben können? Weil sie keinen Ehevertrag unterzeichnen? Weil sie kein Standesamt haben?

Leben die Schimpansenweibchen, die von einem dominanten Männchen gedeckt werden, im Konkubinat? In einem Harem? In wilder Ehe?

Wer hat die Stirn zu behaupten, weil Affen nicht heiraten, seien ihre Kinder eo ipso unehelich?

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Wenn das trächtige Reh bittere Kräuter rupft, um vor einem Gewitter oder sonst drohender Gefahr den Einsatz der Wehen zu verzögern, gilt dieses Verhalten den bestallten Kündern der Veräffung des Menschen noch als Instinkt; wenn die Affen es tun, um Magenblähungen zu lindern, ist es schon Kultur.

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Mit seinem melodischen Raffinement und Wohllaut mag das Lied der Nachtigall die Hochzeitsgesänge der alten Völker in den Schatten stellen; freilich, daß die Vögel Hochzeit machen wollen, wissen aus dem bekannten Lied nur die lieben Kinderlein.

 

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