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Mai 25 25

Das Netz aus Worten

Der Sonnentag, dich läßt sein Glutblick kalt,
was groß er kündet, willst du nicht mehr wissen.
Du wühlst dich in den Traum, in dumpfe Kissen –
fiel doch die Dämmerung herab nur bald.

Und kommt das Zwielicht, wölbt sich schon das Netz,
worin du zappelst, eine graue Mücke,
daß sie die alte Spinne noch beglücke:
ihr Blut zu saugen, Abgrunds Ur-Gesetz.

Wob auch das Netz ein banger Atem nur,
ein Truggespinst von Versen, die erbeben,
tritt auf die Fäden sacht die Kreatur,

an deren schwarzen Fühlern Tropfen kleben,
gereimten Wehlauts rote Signatur:
Das Netz scheint dichter als das stumme Leben.

 

Mai 24 25

Das Rosen-Epigraph

Schmeckst du schon das Salz der Ozeane,
hörst du schon die graue Gischt im Schlaf,
lies des Dichters Rosen-Epigraph,
geh durchs Feld zum Leuchten der Zyane.

Mochte deines Opfers Rauch nicht steigen,
ward dir auf die Stirn das Mal gebrannt,
näh aus Schatten dir ein Bußgewand,
pilgre hin in kühlen Mondes Schweigen.

Siehst die Anmut du an Krücken hinken,
ihres Auges Stern erloschen schon,
pflücke ihr den schwarzen Glanz vom Mohn,
daß von ferne ihr die Schwestern winken.

Schmeckst du schon das Salz der Ozeane,
hörst du schon die graue Gischt im Schlaf,
lies des Dichters Rosen-Epigraph,
geh durchs Feld zum Leuchten der Zyane.

 

Mai 23 25

Das einsame Sonett

Der Abendwind, der ihm die Reime kühlt,
bringt dem Sonett nicht mehr aus trauten Zonen
von Hyazinthen Duft, von Anemonen,
so daß es einsam, heimatlos sich fühlt.

Wie eine Silberbrosche am Revers
der abgetragenen Jacke hat es Flecken.
Den alten Glanz kann keiner ihm erwecken:
Behaucht, poliert, das Trübe weicht nicht mehr.

Wie dumpf erloschener Blätter brauner Saum
an eines Schuppens kalkverätzter Mauer,
gedenkt es grünverzweigten Rauschens kaum.

Es hofft vergebens auf den süßen Schauer,
da Morsches schimmert jäh von Himmelsschaum.
Vor Sehnsucht wird es grau nur, immer grauer.

 

Mai 23 25

Robert Frost, Plowmen

A plow, they say, to plow the snow.
They cannot mean to plant it, no–
Unless in bitterness to mock
At having cultivated rock.

 

Pflüger

Ein Pflug, sagt man, den Schnee zu pflügen.
Doch den zu säen wär sich selbst betrügen.
Es sei denn, es soll bitteres Höhnen sein,
hat man den Pflug geschrammt im Totgestein.

 

Mai 22 25

Die Schwester der Plejaden

Was du noch halb im Schlafe hast vernommen,
Geschluchz war es, war Melusines Lied.
Wie es vorm Zischen düstrer Flammen flieht,
als wär’s zu Sterngeschwistern nur gekommen.

Und hat das blasse Lid dir aufgeschlossen
der Eos Fingerkuppe, blumenweich,
ist doch der Tau, der von ihr troff, sogleich
im Sonnenaug des grellen Tags zerflossen.

Leg nachts die Knospe Wort in eine Schale,
gefüllt mit reinentsprungener grüner Feuchte,
daß, Dichter, sie nicht vor Osiris fahle

und mit den Schwestern, die gerettet, leuchte.
Und täte sie sich auf zum letzten Male:
Die Nacht verhält, was tags den Duft verscheuchte.

 

Mai 21 25

Herbstliches Zwiegespräch

„Von der Knospe weiß ich nur,
Hagel haben sie zerdrückt.
Ich vergaß den Wohlgeruch,
der mich nachts dem Schmerz entrückt.“

„Ist der Duft auch hingeweht,
Erde trank der Blüte Licht,
und was ihren Durst gestillt,
kostbar macht es den Verzicht.“

„Eines weiß ich nur, dein Wort,
wie ein Blatt aufs Herz gelegt,
war von Herbstgefühl erglüht,
kalter Hauch hat’s weggefegt.“

„Wort, es findet Unterschlupf
unterm Moos, im Schnee, der wärmt,
gleich der Bienenkönigin,
die jäh auf zum Äther schwärmt.“

 

Mai 21 25

Robert Frost, A Prayer in Spring

Oh, give us pleasure in the flowers to-day;
And give us not to think so far away
As the uncertain harvest; keep us here
All simply in the springing of the year.

Oh, give us pleasure in the orchard white,
Like nothing else by day, like ghosts by night;
And make us happy in the happy bees,
The swarm dilating round the perfect trees.

And make us happy in the darting bird
That suddenly above the bees is heard,
The meteor that thrusts in with needle bill,
And off a blossom in mid air stands still.

For this is love and nothing else is love,
The which it is reserved for God above
To sanctify to what far ends He will,
But which it only needs that we fulfil.

 

Ein Gebet im Frühling

O, gib uns Freude an den Blumen hier.
Mach, daß unser Sinn sich nicht verlier
an Ernten, die noch ungemäht. Verwahr
uns schlicht im aufgeblühten Jahr.

O, gib uns Freude an der Blütenpracht,
so hell bei Tag, gespenstisch in der Nacht.
Laß uns im Glück der Bienen glücklich sein,
Schwarm, um Bäume schweifend, ursprungsrein.

Gib uns vom Glück des Vogels, der da schwirrt,
und plötzlich überm Bienenvolke sirrt,
der Meteor, die Nadel Schnabel treibt er ein,
und vor der Blüte schwebt er, schwereloser Stein.

Denn dies ist Liebe, und Liebe ist nur dies,
was Gott allein gebührt im Paradies,
sie heiligt, was zum guten End Er will,
doch unser Herz sei Quelle, die ihm quill.

 

Mai 20 25

Smart Poems

Smart Poems auf sterilen Plastikscheiben,
die kaum behaucht von grellen Phrasen flirren.
Metapherntrockne Mückenflügel sirren,
wenn sie in Pixelnetzen hängenbleiben.

KI-genährt sind sie wie Embryonen,
doch ohne ein Geschlecht, rein von Gedärmen,
die aus der Zahlenwolke erdwärts schwärmen,
im Schoß der Nacht als Zwitter-Ich zu wohnen.

Kein Dichter muß mehr Blut für die Chimären
vergießen, daß die Schatten Leben mimen,
kein Geistessperma, daß sie sich vermehren.

Im Meer der Algorithmen saugen Kiemen
verfaulte Reime, dumpfen Sinn zu nähren.
Doch er ritzt nie, der Stachel des Sublimen.

 

Mai 20 25

Robert Frost, In Hartwood Groves

The same leaves over and over again!
They fall from giving shade above
To make one texture of faded brown
And fit the earth like a leather glove.

Before the leaves can mount again
To fill the trees with another shade,
They must go down past things coming up.
They must go down into the dark decayed.

They must be pierced by flowers and put
Beneath the feet of dancing flowers.
However it is in some other world
I know that this is way in ours.

 

In Laubwäldern

Überall die gleichen Blätter ohne Zahl!
Sie sinken, die hohen Schattenspender,
ein Tuch zu weben nur, bräunlich-fahl,
und hüllen die Erde wie ein Handschuh aus Leder.

Bevor die Blätter wieder aufsteigen können,
und haben den Bäumen neuen Schatten gebracht,
müssen hinab sie vorbei an keimenden Dingen.
Müssen hinab sie in die Fäulnis der Nacht.

Müssen durchstoßen werden von Blumen,
geduckt unter tanzender Blumen Schuh.
Wie immer es sein mag in anderer Welt,
ich weiß, in der unsern geht es so zu.

 

Mai 19 25

Verse, Mücken

Stimmen, Wasser, wildes Kräuseln
hat sich unterm Mond geglättet.
Seufzer, fast im Schmerz ertrunken,
die ans Ufer sich gerettet.

Worte, Knospen, die verschlossen
bang sich vor dem Weltengrauen,
tuen auf die trunknen Lider,
in das Morgenrot zu schauen.

Verse, Mücken, die am Abend
durch den blauen Äther schwimmen,
scharen sich im Dämmerlaube,
und ihr Herz fängt an zu glimmen.

 

Mai 18 25

Das entstellte Dichterwort

Die Pickel, die sein Angesicht entstellen,
sie füllen wieder sich mit weißem Schleime.
Da hilft kein Puder aufgeschminkter Reime,
sie nähren sich aus subkutanen Quellen.

Die Lider sind verklebt, sie aufzureißen
schmerzt, aber mehr noch jenen Brand zu sehen,
aus dem die Funken des Gerichtes wehen,
wie trockne Blitze, die im Auge beißen.

Schon ringelt sich empor der Wurm, die Phrase,
verstopft den Mund mit seinem Schlauch, dem blinden,
den After reckt er vor die blasse Nase:

Erquickung soll das Dichterwort noch finden.
Dann schmatzt er in bacchantischer Ekstase
durchs Mark, sich um das Herz des Sinns zu winden.

 

Mai 17 25

Albrecht Dürer, Bildnis seiner Mutter

Kühl sind der Aphrodite Marmorlenden,
die Knospe Mund, betaut vom Abendlicht,
Duft dir zu strömen öffnet sie sich nicht.
Trieft Meerschaum noch aus fahler Anmut Händen?

Die Greisin, Augen, die ins Leere stieren,
Fleisch, ausgemergelt, Lippen, stummer Strich,
sterile Furchen, und sie fragen dich:
Wird sich vorm Tod die Seele schon verlieren?

Der Muschel dumpfes Brausen ist verklungen,
was ihr entstieg, zerstob im Gischt der Nacht.
Gestaltung, Abschiedsschmerz still abgerungen,

hat was verweslich wesentlich gemacht.
Es grüne, um ein graues Herz geschlungen,
die Ranke Vers, der Schwermut schlichte Pracht.

 

Siehe:
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Datei:Albrecht_Duerer,_Bildnis_seiner_Mutter.jpg

 

 

Mai 16 25

Die Haut der Worte

Verrunzelt, übersät mit Altersflecken,
die Haut der Worte. Kehlsack, abgeschlafft.
Kein Wunderbalsam, der sie wieder strafft,
Getast, ertaubt, kein Stich wird es erwecken.

Und die vom Phrasenstaub verstopften Poren,
durch die einmal der Hymnen Odem drang,
schließt weder Seufzen auf noch Klagesang.
Was Stickluft atmet, ist dem Geist verloren.

Den Staub wird dir nur feuchtes Glänzen lösen,
das aus dem Aug der hellen Einfalt rinnt,
Empfindung fädeln sich durch enge Ösen,

wenn ihr das Dichterwort entgegensinnt,
ins Offne lockt mit Gesten, graziösen,
wo Haut und Hirn erquicken Licht und Wind.

 

Mai 15 25

Baren Sinnes

Die Schwalbe hat die Zeit ja nicht zu trauern,
fiel auch ein Junges aus dem Nest herab.
Sie gräbt ihm, das verhungert ist, kein Grab.
Sie atzt, die leben und sich bänglich kauern.

Es starb ihr weg, kaum war das Kind geboren.
Die Mutter weiht das zarte Schattenbild,
daß Leuchten ihm aus Gnadenblicken quillt,
der Magd, zum Hort des hohen Lichts erkoren.

Riß, Dichter, dir der Ode heiße Saite,
laß nur ins Dickicht hin die Lyra fallen.
Brich baren Sinnes auf in Auen, weite,

durch weichen Grases Elegie zu wallen,
die dich zum Uferschilf hinabgeleite,
wo Wasser dir in sanften Jamben lallen.

 

Mai 14 25

Kalk

Hinabgeschüttet in die Grube,
als könnte er dem Schattenmund,
was aus ihm quoll,
das Blut,
ein Nein ins Nichts geröchelt,
löschen.

Graues Wort,
Schale,
zu oft gefüllt für einen Durst,
der unstillbar
glüht und tiefer glüht
unter Aschen der Erinnerung –

gebunden von der Feuchte,
die keinen Keim mehr nährt,
sintert er zu Schorf,
zur Kruste,
die bleibt und wächst,
soviel du feilst und scheuerst,
Dichter.

Unförmig das Wort,
die zarten Masern des Gefäßes
unsichtbar,
faßt kaum das Maß es noch,
das dürftige,
den trüben Schein der Fülle.

 

Mai 13 25

Im Zeitverlies ergraut

Das Licht staut sich am sanft gewölbten Blatt
und rinnt herab zu dunklen Seufzens Wellen,
die aus dem Schlaf der grünen Erde quellen.
Ihr Traumbild ward am Aschenrauch nicht matt.

Ein Schattenpfeil, der durch das Flimmern schoß,
geflügelt dringt sein Schwirren durch die Stille.
Apollon wollte, daß es erdwärts quille,
das Blut, aus dem die Wunderblume sproß.

Der Augenblick ist ohne uns vollkommen.
Wir sehen, wie der Schmerz der Liebe taut,
vom Glanz des Schnees geblendet nur verschwommen.

Gewißheit, die durch Zweifels Dickicht blaut,
zermürbte Lippe heißt sie nicht willkommen.
O heißes Herz, im Zeitverlies ergraut.

 

Mai 12 25

Klar und rätselhaft

Salzkristall, gelöst im feuchten Auge,
daß es nicht in Dämmerung versinke
und sich Süße aus dem fremden sauge.
Klar und rätselhaft; des Dunklen Winke.

Irrsal! ruft die Gischt aus wilden Wogen,
mondgeglättet sind sie trunkne Spiegel.
Daß die Macht des Ursprungs nicht getrogen,
öffnet Pindar hohen Waltens Siegel.

Strom, er scheint ins Abseits sich zu winden,
doch auch Karsten will er rauschen, kahlen.
Der Umnachtete läßt groß ihn münden,
wo Gestirne heller Sagen strahlen.

 

Mai 11 25

Ja und Nein zum Dasein

Wer ja zum Licht, zur Nacht, zum Dämmer sagt,
klingt es gedämpft auch wie todbange Schritte,
spricht mehr als eines Schattens leere Bitte,
der an des Hades Eisentor verzagt.

Des Wortes Rose ist herabgeblüht,
schon wehen Blüten auf das weiße Linnen,
nun fühlst den Tau du auf die Stirne rinnen,
der einst wie Dunst des Abendrots verglüht.

Wer aber nein gesagt, ihm lieh den Hauch
die Luft, der grünen Lebens Saat gezittert,
und ist im frühen Frost sie bleich verwittert,
sie stäubt im Schnee empor, ein lichter Rauch.

 

Mai 10 25

Erwachte Chiffern

Schaum, der über grünem Samt gefunkelt,
seufzt, nun matt, in Schlick und dumpfen Spalten.
Graue Trübsal rinnt in Worthautfalten,
und das Inkarnat des Sinnes dunkelt.

Die sie in den Katakomben malten,
Auren um die Schläfen der Erwählten,
daß sie mit dem Jenseits sich vermählten,
wie sie unter eitlen Blicken fahlten.

Veilchen, sanft gepreßt in alten Briefen,
trübem Auge kaum mehr zu entziffern,
atmen selig aus, erwachte Chiffern,
Düfte hell, die lang im Finstern schliefen.

 

Mai 9 25

Vom Bannen der Chimären

Wir haben Augen nicht wie kalte Scheiben,
zu spiegeln ferner uns die Glutgesichte.
Noch in des Traumes angstgedämpftem Lichte
sind sie Chimären, die den Schlaf vertreiben.

Und in der Schlucht der Seele hörst du schwellen
Sintfluten, gischtend über jähe Klippen.
Doch flüstert es wie von Ophelias Lippen,
seufzt Ohnmacht schon, versiegen ihre Quellen.

Der Bilder Flackern, Irrgeblitz von Stimmen
kann nur ein hoher Geist uns gnädig bannen
in Blüten, die wie stille Kerzen glimmen,

nur das Gedicht uns Schwebebögen spannen,
wie Schwäne unter ihrer Nacht zu schwimmen,
von Schimmern hell, getropft vom Bart der Tannen.

 

Mai 8 25

Sanfter Anmut aufgetane Hände

Kind, es kniet vor einer Bettelschale,
Hündchen kommt herbeigetrottet, wedelt.
Und sein Wedeln sagt: Auf, laß uns eilen
zu Mildherzigen beim Liebesmahle.

Graue Taube, jäh herabgeglitten
auf den Sims, als müsse sie dort sterben.
Angstgebläht lag nächtens sie im Regen.
Flaum, er blieb, um deinen Hauch zu bitten.

Einmal hat dir weich ein Mund gesungen,
streiften dich nachtblaue Hyazinthen,
sanfter Anmut aufgetane Hände.
Liebe schwieg, Lied, lang hat’s nachgeklungen.

 

Mai 7 25

Der Weinberg Sprache

Die uns des Wortes goldnen Wein verdünnen,
daß Sonne wir und Erde nicht mehr schmecken,
Entwurzelte und fader Phrase Gecken,
sie zappeln schon im Netz, das Nornen spinnen.

Die zwischen Mann und Weib den Abgrund füllen
mit queeren Puppen, glattrasierten Schranzen,
auf daß Sterile mit Kastraten tanzen,
ihr Name wird die Faust der Scham zerknüllen.

Was dir im Laub des Dämmers glüht an Beeren,
du pflückst und kelterst ihn, den Herbst des Lebens.
Und das gereifte Wort, das wir begehren,

gießt, Dichter, du in Strophen lichten Schwebens.
Wenn noch der Liebe Kinder davon zehren,
dienst du im Weinberg Sprache nicht vergebens.

 

Mai 6 25

Die Metamorphose der Aster

Aster, ach, sie mag nicht dunkeln,
nicht im faulen Humus stinken.
„Bruder Wind, trag mich zum Strome,
da will ich mir Reinheit trinken!“

Und der Wind hat es vernommen,
hielt die Blute mit den Lippen,
an das Ufer flugs gekommen,
barg sie unter feuchten Klippen.

Welle kam und Woge saugte,
Knospe, sie wird weggesogen
in die Strudel brauner Wasser,
und die Reine war betrogen,

denn es stiegen um sie Blasen,
Wülste, die ihr Bild verzerrten,
angefüllt mit Blut und Gasen,
lüstern schluchzend, wenn sie platzten.

Die Chimären spritzten Flecken
auf den Schnee der keuschen Wangen,
Wer kann noch emor sich recken,
hält der Orkus ihn gefangen,

wenn er sich ins Licht auch sehne,
fehlt sie ja, die Himmelsleiter.
Da erbarmte sich Selene,
ernstes Antlitz glänzte heiter.

Und ein Strahl, den sie ihr sandte,
ward zum Faden, lichtgewoben,
zog empor die Mondverwandte,
hat sie aus dem Grab gehoben.

Wollt ihr Zweifler aber sagen,
die geblüht sei längst verwittert,
müßt den Stern ihr nur befragen,
Funken, der vorm Monde zittert.

 

Anmerkung für das Verständnis: „Aster“ ist der Name für die Blume aufgrund ihrer gestirnhaft strahlenden Blüten-Corona. Lateinisch aster, griechisch ἀστήρ (Stern), hier dichterisch gesteigert zum Bild des Morgen- und Abendsterns, der Venus.

 

Mai 5 25

Wo sich die Sehnsucht staut

Aus Sommerabends offenem Fenster weht
ein Ton, ein dunkler, und wie eine Taube,
dem Täuberich wild schwirrend nach zur Laube,
ein heller. Schwermut, Süße, die zergeht.

Die Knospen, auf das Wasser sanft gesetzt
von Anmutsgesten, werden fortgetragen,
daß sie dem Morgenrot von Wangen sagen,
sie habe Tau der Sommernacht genetzt.

Wenn überm Grund gefrorene Seufzer hängen,
der grüne Sinn für immer scheint ergraut,
hörst, Dichter, du im Schnee ein Leben drängen.

Kristall, ein Schweigegitter, und es taut.
Schmelzwasser, schluchzend in nachtblauen Gängen,
schäumt wie ein Reim, wo sich die Sehnsucht staut.

 

Mai 4 25

Die kleine Therese

Dem Andenken an Thérèse von Lisieux

Ein Wunder rettet noch die Geistesschwachen.
Wenn hohl die Worte, große dumpf verhallen,
die Blüten hellen Sinns ins Dunkel fallen,
kann nur des Abgrunds Qual ein Licht entfachen.

So sah ein Kind, von Schwermut ganz benommen,
wie einer bleichen Kitsch-Madonna Wangen
sich röteten, wie feucht von Liebesbangen
dem blinden Aug die Iris war erglommen.

Der Gnade Lächeln kam aus totem Ton,
es hat der Lebensstarre sanft entbunden
Therese, Kind, das wie entschlafen schon

umflossen war vom dunklen Glanz der Wunden,
als glänzte schwarzes Blut im Acheron.
O Holde, lächle uns, daß wir gesunden.

 

Mai 3 25

Das verstummte Keuchen

Das Keuchen auf der Treppe. Spucken. Fluchen.
Nun schleppt er hoch das Kreuz der Nacht, das schwere,
in seines letzten Sommers dumpfe Leere,
wo Mücken nur und Schatten ihn besuchen.

Du hast sie manchmal ihm getragen, Tüten,
gestopft mit Einheitsfraß von Penny, Dosen,
ein Trost war nicht dabei, kein Duft von Rosen,
die ihm die Angst der Dämmerung durchglühten.

Die Lüge raunt, sanft sei er hingeschieden.
Ein Dämon würgte und der Geist zersprang.
Sein Engel aber, der ihn scheu gemieden,

ihm war vor dem zerrissenen Antlitz bang,
nun da geglättet es ein dunkler Frieden,
stand wie ein Bettelkind im Flur und sang.

 

Mai 2 25

Der blaue Nachtopal

Der Stimme Dolch, bedeckt ward er vom Staube.
Es hat sich ausgezischt die Wahngift-Schlange.
Nun schmieget Hand in Hand sich, Wang an Wange.
Nun gurrt von weitem sanft die Turteltaube.

Schnee glänzt, wo gestern Blütenflocken stoben.
Die Feuchte schluchzt, schwemmt sie die welken Träume
an dunkler Buchten unbetretene Säume.
Doch du bleibst hier, den Glanz des Schnees zu loben.

Laß, Dichter, Himmels blauen Nachtopal
sich überm Bett der Liebe langsam drehen.
Laß tönen fern ein tiefes Hornsignal,

wenn die Erwachten sich ins Auge sehen.
Verklang es wehmut-innig, pastoral,
die Stille lasse weinend sie bestehen.

 

Mai 1 25

Am Ufer hin bis in die Nacht

Wenn wir am Ufer hin zur Stunde gehen,
da schon die Vögel schweigen, kommt ein Wehen
von süßen Düften aus der Halme Schwanken.
Wir bleiben vor den weißen Blüten stehen,
die aus dem Schattenlaub herniedersanken.

Und droben schäumt’s, gleich selig Blinden,
von Wolkenflößen, die nie Buchten finden,
wo die verlorenen Seelen, die sie tragen,
das bange Tau um Finger könnten winden,
die aus dem Schlaf der braunen Erde ragen.

Und sind die Wolken kaum in Dunst zerronnen,
hat uns die Nacht mit schwarzem Vlies umsponnen,
aus dem gespenstisch trunkne Augen schauen.
O Bakchoschor von Myriaden Sonnen,
die sanft erblassen schon in Lüften, blauen.

 

 

Apr 30 25

Splitter und Blüten

Hier liegen Splitter, die im Sonnenlicht
wie Liebesmale, schmerzlich-süße, glimmen.
Dort siehst du Orchideenblüten schwimmen
auf trüben Wassern, ein zerrissenes Gesicht.

Die Splitter kannst du nicht zusammenkitten
zur Vase, die wie Hände, die sich falten,
das Licht der Blume hat emporgehalten,
wie sind ins Dunkel sie ihr jäh entglitten.

Die Blüten kannst du nicht zur Knospe runden,
daß sie sich öffnend Wohlgeruch noch spendet,
wie einst in jenen blauen Abendstunden,

da sich der Tag im Sternensang vollendet.
Nun trinkst Erinnern du, den Glanz aus Wunden.
O daß Vergessen Nacht, die Norne, sendet.

 

Apr 29 25

Der verletzte Maulwurf

Ihm bleibt nur Dunkelheit und Schmerz durchwühlen,
die Schatten häufen rechts und links der Pfade.
Er tastet nach dem Wurm, der fetten Made,
doch kann kein fremder Saft die Wunde kühlen.

Durchstößt er noch der Erde dumpfe Kruste,
sieht er verschwommen durch getrübte Linsen
den bleichen Mond im schwanken Schilfe grinsen,
auf schwarzem Samt die Nägel der Verluste.

In seinen Schlaf dringt aus vergessenen Gängen,
von ihm gebahnten, doch zerfallen lang,
als würde er aus sanften Kehlen drängen

zu kindlich-heitern Spielen, ein Gesang.
Tauwasser rinnt durch atemlose Engen.
Geschluchz, als straffe jählings sich ein Strang.

 

Apr 28 25

Das Schwirren des Pfeils


παλίντονος ἁρμονίη ὅκωσπερ τόξου καὶ λύρη

Heraklit

Widerspenstige Harmonie wie die von Bogen und Leier

 

Was zart das Herz preßt, wird es auch zerdrücken.
Was uns emporhebt, Abgrunds grüne Welle,
ruft tief und tiefer rauschend: Mensch, zerschelle,
die hohe Ode Tod soll dich entrücken.

Als ob die blaue Luft ein Schwirren teilte,
die Woge sprüht Gesang, und feuchte Funken
sind auf die kühne Stirn schon hingesunken:
Es ist der Pfeil, der unser Herz ereilte.

Wir gehen schweigend in die Abendröte,
und was wir scheu dem schwachen Hauch versagen,
tönt fern, das Silber einer Hirtenflöte.

Wir wollen das Geschmeid ins Dunkel tragen,
muß auch, was sich zum Liebesstern erhöhte,
herniedersinken in den Strom der Klagen.

 

Apr 27 25

Lebewohl, kurz aufgehalten

Mein Glück, in deinem Haar die lose Spange,
die du verloren hast, du liefst so schnell.
Sie war nicht teuer, aber honighell.
Weg war sie, suchten wir auch lange, lange.

Dein Glück hat eines Tropfenschimmerns Dauer,
es rieselt lau an deinem Rücken hin,
als ob ich nah dir, wenn ich ferne bin,
verblassend rasch, ein Sommerabendschauer.

Wie brüchig, was Zerbrechende verbindet,
ein Hauch, ein Lebewohl, kurz aufgehalten
im Wechselblick, der blitzend schon erblindet,

dringt Feuchte in die wimperndunklen Spalten.
Wie jeder sich zurück ins Dämmern windet,
wo Stern und Blume, Leid und Zeit erkalten.

 

Apr 26 25

Archaisches Lächeln

Wie unter hohem Sternensang Entrückte
sind jene frühen lichtverwöhnten Koren,
aus trunknen Perlmutts Muschelschaum geboren,
o daß der Charis Lächeln sie beglückte.

Als habe übersprengt mit feuchten Funken
Aurora eines Schläfers blasse Wangen,
sind sie erwacht, um lächelnd zu empfangen,
was im Korallengrund des Traums versunken.

Uns scheint die Sicht von Schattenschilf vergittert,
es kommt kein Gott, herab es uns zu biegen,
wie flehen wir um Nacht, vom Tag verbittert.

Nur wenn uns Mozarts Melodien wiegen,
sehn wir an Knospen noch, was selig zittert,
auch wenn wir schon am Rand des Abgrunds liegen.

 

Siehe auch:
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/a/a5/ACMA_671_Kore_1.JPG
https://de.wikipedia.org/wiki/Archaisches_L%C3%A4cheln#/media/Datei:Cavalier_Rampin_-_Louvre_2014.JPG

 

Apr 25 25

Die unbeschwerte Anmut

Des einen Zeilen kleben wie die Mücken
im Lügen-Sirup auf verfaultem Brot.
Sie zappeln noch, doch ist ihr Sinn schon tot,
erstickt an selbstgefälligem Entzücken.

Des andern Reime sind wie Apfelsinen,
die winters glühen am entlaubten Ast.
Wie gleicht sein Vers dem ungeladenen Gast,
der uns betrügt mit gleisnerischen Mienen.

Beschwer die Anmut nicht mit Edelsteinen,
die ihrem Aug den sanften Glanz entwenden.
Wähl, Dichter, von den Bildern nur die reinen,

die, was verschwiegen, schweigend uns noch spenden.
Daß stumm die Träne wir des Abschieds weinen,
zeig uns der Lilie Schnee in keuschen Händen.

 

Apr 24 25

Im Reich des Irrealen

Die Flamme des Gedichts kann nichts versengen,
vom Hauch entfacht, singt Asche sie aus Lettern.
Der Blitz des Sinns, er muß sich selbst zerschmettern,
aufseufzt der Vers nur, wenn ihn Rhythmen zwängen.

Der Muse Kuß schmatzt nicht von feuchten Zungen,
und ihre Brüste sind wie blasse Blasen,
gefüllt mit allegorisch-dünnen Gasen.
Langt Hermes hin, ist Zwillingssinn zersprungen.

So schweben wir im Reich des Irrealen
an Zwielichtfäden, Zwirn, im Schlaf gesponnen.
Wir sehen sie, kaum aufgeblüht, schon fahlen,

des Mundes Blume, Schwester kalter Sonnen.
Bleich, wie Naive die Madonnen malen,
ist ihr der letzte Reim vom Lid geronnen.

 

Apr 23 25

Doppelgänger

Ich schlafe auf Etruriens Grabeshügeln,
wo warm der Sand und sanfter rieselt Stille.
Mir träumt, wie fern ein weiches Wasser quille,
wie Schatten in die blauen Nächte flügeln.

Ich liege bei den Menhir-Monolithen,
die unterm Strahl des Mondes dunkel tönen,
als könnten Ahnengeister sie versöhnen,
die Seele, jäh vom Sonnendolch zerschnitten.

Du aber tanzt mit einer Knospe am Revers,
die an der Schwermut Gitter aufgesprossen,
in eines trunknen Abends Ungefähr.

Doch ist ihr süßer Duft schon bald verflossen
in tote Dünste von Urin und Teer.
Das Tor, weinlaubumrankt, war zugeschlossen.

 

Apr 22 25

Die trunknen Knospen Mozarts

Kurz aufgeflackert wie ein Traumgesicht,
im Nu des Dunkels langer Qual enthoben,
fiel eines Lächelns Blüte von dort oben,
entsprossen unter fernem Himmelslicht.

Und keine Schale war, den weichen Schnee,
kein Herz, den Flockenschimmer aufzufangen.
Er ist geschmolzen wie auf heißen Wangen,
versunken wie der Schaum der Orchidee.

So sind erloschen auch die Silbertöne,
die aus dem Schilf der Serenade sprühten,
als ob die Wildnis Sternenglanz versöhne.

Du aber wähntest, daß die kaum erblühten,
die trunknen Knospen Mozarts jäh verhöhne
Gischt der Lagune, der Chimäre Wüten.

 

Apr 21 25

Der Strom der Dichtung

Was in die Nacht Ophelia getragen,
es war ihr Lied, ein Strom von wilden Klagen.

Wie durch den Karst ein Fluß sich Ufer sticht,
und in der Ödnis will ein Bleiben grünen,
mag sich des Wortes feuchte Glut erkühnen,
wenn sie die Kruste unsres Schlafs durchbricht.

Laßt uns es sehen, wie Gesang betaut,
die schon herabgebeugt, todmüde Seelen,
daß sie sich recken gleich beglänzten Stelen,
wie Knospen, denen Luft der Liebe blaut.

Wohin er zieht, wir können es kaum ahnen,
der Strom der Dichtung, dunklem Grund entquollen.
Mag er zum Meer den Schlangenpfad sich bahnen,

befruchten ferner Enkel dürre Schollen,
aus Schlämmen wühlen noch Geseufz der Manen,
mag fern verrauschen er in Traumes Stollen.

 

Apr 20 25

In die Irre gegangen

Es fügt der Schlußstein sich zur Mitte dicht,
und über uns fließt zart des Maßwerks Licht.

 

Die Angst verlockt uns in ihr Labyrinth,
und wir mißtrauen selbst gewohnten Worten,
als wären Mauern sie, verschlossene Pforten,
und wissen nicht mehr, wer, wozu wir sind.

Dann wieder hat aufs Glatteis uns gejagt
verwirrter Fragen Sturm, wir rutschen, gleiten.
Statt Arm in Arm gemach ans Ziel zu schreiten,
zieht eins das andre nieder, wild-verzagt.

Wir fühlen nicht die Rhythmen mehr, die tiefen,
im Meer des Epos hin- und widerfluten.
Als ob in harten Kapseln Düfte schliefen,

in Lethes Dunkel Rosen Sapphos bluten.
Die Stimmen, die uns aus dem Irrsal riefen,
betäuben nun wie schwarzer Sonne Ruten.

 

Apr 19 25

Epiphanien der Klage

Du gehst hinaus, da hockt sie auf der Treppe,
sie lächelt auf zu dir, der Nymphe gleich,
die nachts herumgeirrt am toten Teich.
Tritt nicht auf ihrer Seufzer graue Schleppe.

Und liegst du spät noch unterm Dämmerlaube,
da schläfrig tropft herab ein matter Tau,
fahlt träumerisch gewiegt Gefieder grau.
Erkenn am dunklen Gurren sie, die Taube.

Und sinken hin gesanglos deine Tage,
als wäre nie ein Musenquell entsprungen,
am letzten neigt sie sich dir zu, die Klage,

und hält den bleichen Arm um dich geschlungen.
Daß deine Schwermut noch zu atmen wage,
bis sie ihr süßes Lied dir hat gesungen.

 

Apr 18 25

O Hauch der Nacht

Kartage-Sonett

Nacht zwischen all den Sonnen, Nacht und Nacht.
Corona jeden Wortes, strahlt die Stille.
Wer mag von Leere reden, wer von Fülle?
Des Morgens Rose dämmert, welke Pracht.

Durch Gärten gehst du, blühendsten Verfall.
Die Mauer zeigt dir schon, das Wort die Spalten,
wo graue Moose sich und Schatten ballten
und was im Schlaf herniederrinnt, Gelall.

Und doch sprach Segen jener bei dem Mahle
mit Flammenzungen über Brot und Wein,
daß nimmer ihnen das Gedächtnis fahle.

Uns blieb vorm Kreuz der stumme nur, der Stein,
da wir der Kerzen banges Flackern sehen.
O Hauch der Nacht, o schwarzer Flocken Wehen.

 

Apr 17 25

Die Entsprungene

Jäh hat dich, sonst von Schatten ernst umschlossen,
wie Inseln keuschen Sands im Ozean,
wie Schnee von Blüten, die sich aufgetan,
ein Lächeln kühlen Mondlichts überflossen.

Auf deiner Lippen samten-roter Schwelle,
die noch kein grauer Zweifel je betrat,
erglomm wie Tau auf purpurnem Brokat
ein feuchter Glanz, ein Hauch verborgner Quelle.

Ja, dies geschah, als um uns Dunkel wehte
traumdichtes Gras und fahles Rauschen stieg,
als lägen wir im Uferschilf der Lethe.

Dich aber weckte auf der Sonne Sieg,
wie heißer Zonen Wild bist du entsprungen.
Ich sank zurück, ein Schwamm, der ausgewrungen.

 

Apr 16 25

Die Götter Griechenlands

Wie Gips schmolz – was? Die Götter Griechenlands,
auf Neckars Dämmerauen noch beschworen.
Nun ist Apollons Blondgelock geschoren,
verblich der Goldsaum pythischen Gewands.

Es blieben nur Chimären, Geistersang.
Nicht lächelt Aphrodite queeren Drohnen,
und Charis würgt’s vom Schweiß der Amazonen.
Die Muse peitschte Jazz: Sie nahm den Strang.

Du hörst nicht die homerisch-grüne Welle
die fahle Muschel Ithaka beklagen.
Du fühlst nicht, was dir netzt des Schlafes Schwelle,

rührt noch von Amphitrites Flossenschlagen.
Sind Diotimas Inseln, Eros’ Funken
schon in ein schwarzes Weltenloch gesunken?

 

Apr 15 25

Verwischte Spuren

Den Abendhauch, den kühlen, spürst du kaum,
doch kräuselt sich der See, und Tropfen scheinen
still auf des Wassers zarte Haut zu weinen,
schon schwebt herab Selenes blonder Flaum.

Du hörst das Schluchzen deines Schritts im Schlamm,
die Spur wird bald verfüllt vom Lehm, dem feuchten,
Es können Knospen schlaffen Lids nicht leuchten,
die Harze stocken am verfaulten Stamm.

Hier ist die Bucht, wo träg die graue Vene
das ausgelaugte Blut ins Schilf ergoß.
Nein, sage nicht, daß Liebe sich noch sehne

nach dem Gesang, der hellen Nächten floß.
Hier ist versandet er, versickert sind die Namen,
die aus der fernen Heimat Quelle kamen.

 

Apr 14 25

Die Ägypterin

Wie die Ägypterin den schwanken Krug,
hat sie aus Brunnendunkel ihn gezogen,
ein Flimmern vor der Isis Silberbogen,
trägst eignen Lebens Fülle du genug.

Sie aber geht, was Glanz der Armut leiht,
zu schütten über Schultern und in Schalen,
daß auferweckter Knospen Augen strahlen.
Es wirren Fäden Lichts, sie wringt ihr Kleid.

Was dir ward aufgebürdet, Herthas Last
an Scheiten, mußt du durch die Schneenacht tragen
zum Vaterhaus, wo du nun weilst als Gast,

zu sorgen für der Fremden Wohlbehagen.
Du schürst die Glut, Waldgeister, Feen singen,
die selbst der Hathor wildes Herz bezwingen.

 

Apr 13 25

Die Flucht nach Arkadien

Καὶ ποιμένες ἦσαν ἐν τῇ χώρᾳ τῇ αὐτῇ ἀγραυλοῦντες καὶ φυλάσσοντες φυλακὰς τῆς νυκτὸς ἐπὶ τὴν ποίμνην αὐτῶν. καὶ ἄγγελος κυρίου ἐπέστη αὐτοῖς καὶ δόξα κυρίου περιέλαμψεν αὐτούς, καὶ ἐφοβήθησαν φόβον μέγαν. καὶ εἶπεν αὐτοῖς ὁ ἄγγελος· μὴ φοβεῖσθε, ἰδοὺ γὰρ εὐαγγελίζομαι ὑμῖν χαρὰν μεγάλην ἥτις ἔσται παντὶ τῷ λαῷ, ὅτι ἐτέχθη ὑμῖν σήμερον σωτὴρ ὅς ἐστιν χριστὸς κύριος ἐν πόλει Δαυίδ. καὶ τοῦτο ὑμῖν τὸ σημεῖον, εὑρήσετε βρέφος ἐσπαργανωμένον καὶ κείμενον ἐν φάτνῃ. καὶ ἐξαίφνης ἐγένετο σὺν τῷ ἀγγέλῳ πλῆθος στρατιᾶς οὐρανίου αἰνούντων τὸν θεὸν καὶ λεγόντων·δόξα ἐν ὑψίστοις θεῷ καὶ ἐπὶ γῆς εἰρήνη ἐν ἀνθρώποις εὐδοκίας.

Lukas, 2, 8–14

Und da waren Hirten auf dem Feld, die hüteten des Nachts ihre Herde. Und der Engel des Herrn trat zu ihnen und die Herrlichkeit des Herrn umstrahlte sie und sie ängstigten sich sehr. Und der Engel sprach zu ihnen: „Fürchtet euch nicht. Siehe, ich verkünde euch eine große Freude, die allem Volk zuteilwird: Es ist euch heute der Retter geboren, der ist Christus der Herr, in der Stadt Davids. Und dies ist für euch das Zeichen: Ihr werdet ein Kindlein finden, gewickelt in Windeln und in einer Krippe liegend. Und plötzlich war um den Engel die Menge der himmlischen Heerscharen und sie priesen Gott und sprachen: Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden den Menschen, die guten Willens sind.

 

Laß, Liebe, uns aus dieser Dürre flüchten,
wo Rauschen schläft tief unter dem Asphalt.
Hier bleibt das Herz an greller Lampe kalt,
verzerrt sieht eins des anderen Gestalt.
Laß uns aus dieser Dürre, Liebe, flüchten.

Wir wollen, Liebe, nach Arkadien wandern
und sehen, ob noch Quellen, blaue, sind,
der Mond noch küßt umschilfte Knospen blind
und süßen Liedes Duft uns bringt der Wind.
Wir wollen nach Arkadien, Liebe, wandern.

Laß, Liebe, uns vergilsche Hirten fragen,
wenn sie im milden Abendsonnenschein
uns Becher reichen voll mit goldnem Wein,
ob sie gehört das hohe Benedein.
Laß uns vergilsche Hirten, Liebe, fragen.

Wir wollen, Liebe, heimwärts nicht mehr kehren,
wenn auch die Hirten sagen: „Ach, hier war
kein Glanz, kein Sang aus hoher Engelschar,
wir wandeln trostlos, aller Gnaden bar.“
Wir wollen heimwärts, Liebe, nicht mehr kehren.

Laß, Liebe, uns bei bittern Quellen schlafen,
wo ausgespien das Lied vor Zeiten schon
der Überdruß, der Schwermut wüster Sohn.
Lang ist der Schlaf, genährt von schwarzem Mohn.
Laß uns bei bittern Quellen, Liebe, schlafen.

 

Apr 12 25

Tote Herzen

Ἐὰν ταῖς γλώσσαις τῶν ἀνθρώπων λαλῶ
καὶ τῶν ἀγγέλων,
ἀγάπην δὲ μὴ ἔχω,
γέγονα χαλκὸς ἠχῶν ἢ
κύμβαλον ἀλαλάζον.

1 Korinther 13, 1

Schwadronierte ich, wie Menschen tun,
und schluchzte auch mit Engelszungen,
doch kennte stille Liebe nicht,
hohl dröhnend Blech wär ich,
scheppernd eine Rassel.

 

Es kann uns kein Geschwätz der Not entreißen,
nicht die durch Phrasendickicht schlängeln, Zungen,
nicht was sirenenhaft die Nacht gesungen,
wenn dürstend wir die Lippen blutig beißen.

Die Spiegel trüben uns Verwesungsdünste.
Was wir im irren Blick der Wollust sehen,
sind Gluten, die um Lethes Wasser flehen.
Im Leeren schweben wir wie Traumgespinste.

Daß aufgetan uns würde jene Schneise,
die Lichtung, wo das Kreuz der Liebe ragt
und um uns flockt das Wort wie Schneien leise,

bleibt uns, vom eignen Maulen taub, versagt.
Wir schlagen blind aufs Blech von hohlen Becken,
die toten Herzen können wir nicht wecken.

 

Apr 11 25

Gerank von Versen

An überkreuzten Maßwerks zarten Gittern,
erweckt von milden Himmels milder Leuchte,
genetzt von wehmutblauer Abendfeuchte:
Gerank von Versen, leiser Reime Zittern.

Ins Dunkel hat gesenkt der Gärtner Samen,
ob sie geerbt, ob sie ihm zugeflogen,
das Erbe hat, den Fund er aufgezogen,
er kennt des Wachstums Nacht, der Sterne Namen.

Uns aber freut, das weiche Grün zu sehen,
und wenn sich strahlend aufgetan die Augen,
still atmend, einsam oft, entlangzugehen,

mit holder Liebe auch, um einzusaugen
tief Düfte, deren Zauber sanft entrücken,
die Blüte ihr, der Anmut Bild, zu pflücken.

 

Apr 10 25

In jenen Welten

In jenen Welten, sprach er, ist Kristall
der Schmerz geworden und ihn bringen
erglühter Monde Strahlen zum Erklingen,
erloschen ist der Drangsal Feuerball.

Dort wandeln wir, der Liebe Schattenspiel,
vor sanften Himmels sanft erhellten Weiten,
dort beben wir wie orphisch-trunkne Saiten,
Akkorde, steigend, sinkend, sonder Ziel.

Das sagte er, da er im Sterben lag.
Blaß war sein Antlitz wie die letzte Rose,
die du ihm noch gepflückt im stillen Hag,

wo eure Wangen kühlte einst im Moose
Tau, fahlem Laub der Dämmerung entronnen,
dem Abendlicht sein goldnes Vlies gesponnen.

 

Apr 9 25

Kein Grund zu weinen

Ich sah der Rose müdes Haupt sich senken,
und taumelten im Halbschlaf schon die Bienen,
noch kreisten auf dem Teich, vom Mond beschienen,
zwei Schwäne. Und ich mußte dein gedenken,

wie du sie mir gereicht, Adonisblüten,
süß war der Duft, der ihre und der deine.
Wie schnell war er verweht wie Flusen, feine,
wie Rauch von fahlen Aschen, ausgeglühten.

Ach was, aus Worten hab ich bloß gewoben
den Garten, Blumen, Bienen und den Teich,
aus Wortes dunklem Spiegel es gehoben,

der Liebe Antlitz, süß und wehmutbleich.
Warum denn weinen, weil es rasch verblaßte?
Es sind nur Reime, die ein Narr verpraßte.

 



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