Antoine Watteau, Gilles
Auf Grabeshügeln sitzen wir und träumen,
es scheint uns zwischen Aschenwolken Licht
aus einer andern Welt, aus einer goldenen.
Dort schwebt ein Rosenblatt, es ist ein Mund,
den er gemalt, der liebliche Watteau,
und diese zart gesproßte Liebesknospe
ist einer Hirtin hingegebene Brust.
Doch jenes blasse Blau, das uns am Abend
in Wellen noch umspielt und leerem Schaum,
lockt zwischen Meer und fahlem Himmel schwappend
höfisch-feine Damen nach Kythera,
der Insel, wo ihr holdes Gegenbild,
die Göttin aus der Wundermuschel stieg.
Und über alles dieser feuchte Schimmer
von Bernstein, geronnen aus dem Purpurblut
urzeitlich-dunkler Bäume, der ferne Blick
der trunknen Puppe Gilles, o welche Mücke,
welche Biene ist ihm eingeschmolzen
und saugt ihm alle heißen Tränen weg.
Die Komödiantin schaut uns an, die Muse,
gewandet ins Perlmutt des keuschen Schnees,
des kalten, der das Herz gefrieren macht,
das kindliche des traurigen Pierrot.
Wer hat den Hut ihm aufgesetzt, die Haube,
hat ihm mit rotem Band den Schuh umneckt?
Colombine mit rötlich-blonden Locken,
die auch die Hände ihm geküßt, die Waisen,
von eignem Werk verlassen, fremdem Dienst,
um müßig nur ins süße Nichts zu baumeln.
Und die Geselligen, die Lustgefährten,
sie machen mit dem tumben Esel Jux,
ihn schert es nicht, der allem abgewandt.
Hat auch dich bespuckt, mit Kot beworfen
der puritanisch-rohe Geist, der Sansculotte,
der grelle Flicken hißt statt Lilienbanner,
weil du ein Décadent, ein Müßiggänger
den frommen Eiferern erschienst, die jauchzend
zuletzt der Pastorale graziösen Hirten
und seine Diana aufs Schafott gezerrt?
Gilles, dein Gott, es ist der Faun, der grinst,
jäh bricht er durch die Rokokogirlanden
mit dem Gehörn des Bocks, des tragischen,
und einer Flöte silberkühlen Tau
träuft er ins taube Ohr der Langeweile.
Dann flattern dir die Hände, Harlekin,
wie Vögel, die ihr Nest nicht wiederfinden,
und deine Füße zucken, bis du tanzt,
dann schließt du deine Augen, schmerzlich-froh.
Ja, sitzen wir auf Grabeshügeln, träumend,
weht uns ein Lied aus alten Gärten an
und mischt den Honig mit der herben Asche.
Siehe:
https://de.wikipedia.org/wiki/Gilles_(Gem%C3%A4lde)
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