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Blumen

17.06.2022

Ihr Augen, Spiegel nur,
und nur für Traumgesichte.

Ihr Blicke, die nicht fordern,
nicht entblößen oder stellen,
sondern weilen, gehen lassen.

Ihr hebt die Zeit in leichtem Bogen
herabgeschwiegenen Lichts
über unsre Ungeduld hinweg.

Getreue dunkel-stummer Mitte,
macht treu uns eigenem Geschicke.

Und sagen wir ein trübes Wort
mit gramdurchwalkter Zunge,
umhüllt ihr gnädig es mit Duft,
o Duft aus fernem süßen Innen,
und tragt es, von sich selbst gelöst
wie von mütterlichen Küssen,
ins blaue Schweigen fort.

Wie trunkener Muse ist die Anmut,
da eure Blütenkronen zittern
vom Tau des Morgenrots,
doch Pollen sind wie Spuren,
verschollener Kindheit Glück,
die unverhofft wir abends
aus hingegossenen Locken pflücken.

Die ihr nicht tastet ungescheut
nach verworrener Herzen Saum,
den, der vorübergeht, kaum merklich streift
und gnädig dämpft die hochgereckte Pracht,
daß ihm der Dämmerung
fahler Schimmer Kühlung schenkt,
wenn Schwestern schaut der Schmerz
in Wasserrosen,
die ihre blassen Lider senken.

Die ihr nicht tönt nach Menschenart
mit Lauten, die sich schamlos stehlen
in die fensterlose Kammer,
wo sterbensmüd wir liegen.

O seid es, Blumen, die uns gönnt
jähen Stillstand nach dem Ächzen
heißgelaufenen Lebensrads.

Ihr überhöht das Kunstgebilde
der kristallenen Vase
mit dem Rätselschaum des Lichts,
dem Sohn der großen Nacht.

Ihr Veilchen Sapphos,
ihr Rosen des Horaz,
und Lilien ihr,
keuscher Wange hingeschmiegt,
ihr Hüterinnen
rein entsprungenen Worts,
daß eure Lippen noch
im Abschied beben:
„Dichter, kehr zurück!“

 

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