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Das Verblassen der Bilder

07.10.2022

Die uns die Namen schenkten,
wußten göttlich den Ursprung der Sterne,
Tropfen Milch, die Heras Brüsten entquollen,
als Herakles daran gesaugt.
Sie sahen Äthiopiens schöne Tochter
Andromeda strahlen am nächtlichen Himmel
und Perseus, der sie aus dem Rachen
des Ungeheuers gerettet.
Sie sahen Pegasus, dem Haupt der Medusa
entsprungen, als der Heros es abschlug,
das geflügelte Pferd, das auf dem Helikon stampfte,
und der Dichtung Quell hat gesprudelt,
den Delphin, vom Meergott zum Sternbild
verklärt, weil er die schöne,
die er begehrte, gefunden,
Amphitrite.
Sie auch glänzte ihnen herab,
die Locke der Berenike,
die sie der Liebesgöttin geweiht,
nach höchstem Ratschluß aber
blähte sie Sternenwind.

Und all die anderen Bilder,
Leier, Schwan und Plejaden,
Fische, Widder und Stier,
sind Bilder der mythischen Seele,
die hellenische Dichter behaucht.
Diadem auf des Weltgrunds blauschwarzem Samt,
das aus sich selber immerdar funkelt,
haben die Kosmosgeschwister,
die tragisch vom Dasein Entzückten,
gerne betrachtet,
unverwelkliche Blüten
im Meer der ewigen Nacht
sah ihr ungewappnetes Auge,
und woran wie Tränen
Sterne geglitzert,
die Fäden des Fatums.

Gedenke auch der Propheten,
die im Licht des Tags und der Nacht
die göttlichen Spuren gewahrten,
das Antlitz des Herrn in der Sonne,
der Weisen aus dem Morgenland,
sie führte der Stern der Erlösung.
Dem bangen Herzen auf schwankendem Boot
aber winkte zum rettenden Ufer
des Morgensterns keuscherer Strahl.

Was bleibt uns statt Bildern heiliger Dichtung?
Monströs behelmte Astronauten,
künstlich beatmet,
die auf der öden Mondoberfläche
hampeln und hopsen,
während im Hintergrund der blaue Planet
unwirklich leuchtet,
und uns der Zweifel beschleicht,
ob solch technophrene Banausen
von dorther stammen,
wo Luna dereinst Endymion küßte,
wo Sappho Selenes Trauer empfand,
wo der Wandsbeker Bote
das Siegel des Monds
auf das weiche Wachs
der Empfindsamkeit drückte,
wo der schlesische Sänger
deutscher Seele Flügel verlieh,
die vom Tau des Mondes geschimmert.

 

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