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Der Knoten löst sich

17.11.2020

Als läg es auf der Zunge,
dies lang gesuchte Wort,
du lallst, du stotterst,
doch wars bloß ein dünnes Haar,
und hast du endlich es erwischt,
ist alles gut, das Missen,
Fragen, Zagen weicht
dem schönen leeren Selbstgefühl,
und alles löst sich auf
in Schweigen, Schweigen.

*

Die Welt ist ohne Frage,
das Sein gibt keinen Halt,
wonach du fragst,
ist wie dein Schatten,
der mit dir wandert,
vom Morgen bis zum Abend,
doch stehst du einmal still
im hohen Mittag,
ist sie verschwunden,
ist schattenlos
der stille Augenblick.

*

Da steht wer auf dem Markt,
ein tätowierter Muskelmann,
und stemmt Gewichte,
schreib auf die harten Kugeln
„Gott“ und „Welt“ und „Tod“,
sag ihm dann „Laß sie fallen“,
sie fallen plump zur Erde,
und jener wischt den Schweiß
sich von der Stirn und geht
zunächst verblüfft und dann
ein Liedchen pfeifend heim
und braut sich eine gute Suppe.

*

Der Gast hat auf der Schwelle sich
den Unrat von den Sohlen abgewischt,
dann tritt er ein und läßt mit seinem Gruß
und seinem Lächeln alle Fragen hinter sich,
die wie gläserne Kugeln dumpf tönend
zwischen den Gläsern, Tellern, Vasen
über den Tisch des Freundschaftsmahls
am Rand ins Leere rollen würden.

*

Ein zu eng geschnallter Gürtel
ist manches Sinnen, mancher Wunsch,
ein vom eignen Atemdunst
beschlagnes Fenster manches Träumen,
ein Faden, überzählig, starrt ein Wort
aus einem fein gewebten Muster,
wie leicht löst sich der Knoten,
und schön strömt, ziehst du
die Nadel, Lockengold herab,
wie unbeschwert geht nackt
dein Fuß auf Grases Teppich.

 

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