Gedankenlyrik
Hölderlin
Der golden-stille Rauch
stieg abendlich aus deutscher Elegie.
Dann kroch ein kalter Hauch
aus Knochengruben und rief: Flieh!
*
Mann und Weib
Das ließen sie nicht gelten.
Wer? Die anstatt zu zeugen,
unters Kreuz der Liebe sich zu beugen,
das Leben um die Zeche prellten.
*
Das Lied
Heroisch war der erste Ton,
da eines Mannes dunkles Sehnen
die Flöte schnitt, umkränzt mit Mohn
das Blau des Dämmers blauer sich zu dehnen.
*
Das Leid
Ja, Fatum ist, daß Leid geschieht.
Doch wollen wir es tragen,
solange uns das Lied
Licht schenkt an dunklen Tagen.
*
Vater und Mutter
Schrillt weh in ihrem Ohr,
wie nächtlich-wildes Weinen.
Daß Liebe führt der Sorgen Chor,
dünkt lästig den Gemeinen.
*
Gott Vater
Ein Vater spricht den Frommen Gott
im Strahl, im Schattenspiele.
Für Stern und Blume hat nur Spott
der Feind der Schöpfung, der sterile.
*
Imago Dei
Verätzt von eines Dämons Spucke,
der Anmut, reiner Liebe Bild.
Daß Geilheit am Gemächte jucke,
ward es gehäutet wie ein Wild.
*
Salz und Wort
Daß wir das Wahre wahrer schmecken,
gesalzen hat des Wortes Brot der Geist.
Nun werden wir mit schalen Wecken,
von Lüge überzuckert, abgespeist.
*
Post festum
Wir sehen umgestoßen Krug und Vase
und Schatten ranken an bemalter Wand,
auf nackten Fliesen bauscht laszive Gaze,
als hätte abgestreift sie bange Hand.
*
Des Schauens müde
Und sind des Schauens wir am Abend müde,
die Bilder fahlen und das Licht wird Schaum,
und was uns zittert am erschlafften Lide,
woher die Träne rührt, wir ahnen’s kaum.
So tasten wir die Lippen uns wie Blinde,
erflehen Trank von hingeneigtem Mund,
und bricht ein Seufzen durch des Dunkels Rinde,
ist es wie Wein, der kühlt, was innen wund.
Wir wollen mit geschlossenen Augen lehnen
am offenen Fenster hoher Sommernacht,
und ferne Quellen singen unser Sehnen,
und Gärten sind, die süßen Duft gebracht.
*
Die trübe Lache
Die Quelle, die in frühen Liedern singt,
ist ungetrübt und zweifelt nicht,
weil sie der Erde dunklem Schoß entspringt,
trägt sie der Jugend Blütenlicht.
Der Knabe, der an Sevillas Brunnen saß,
er schwang den Arm, der Kehle Krug
ergoß den Strahl so heiß und doch voll Maß,
das Herz, es schrie: Genug, genug!
Die trübe Lache, die ein Abraumwind
auf dem Asphalt zum Kräuseln bringt,
zeigt uns, wie dumpf wir ohne Musen sind,
o Lied, das siech nach Atem ringt.
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