Philosophische Krümel
Er schoß das Tor mit seinem linken Bein,
doch hat das Tor geschossen
das linke Bein nicht ganz allein.
So hat der Philosoph geschlossen,
von wem wir immer sagen,
er tue dies, er lasse das,
es muß ein Jemand sein.
Und jemand ist kein anonymes Was,
muß einen Eigennamen tragen.
*
Was aber jemand tut,
ist, was wir Handlung nennen.
Daß er nur bleibe auf der Hut,
muß er die Regeln kennen
des Spieles, das er spielt.
Spielt wer mit Karten oder Worten,
ihm öffnen sich die Pforten,
wenn er ins Schwarze zielt.
Doch sind gezinkt die Karten,
muß er im Finstern warten,
bis wieder er darf kommen
ins warme Licht der Frommen.
*
Die Regeln sind erfunden,
wenn wir Figuren setzen,
wir sind daran gebunden,
sie grob nicht zu verletzen.
Doch wie wir Sätze formen,
erlauschen wir mit Ohren,
die uns sind angeboren,
Wir fügen uns den Normen,
die keiner uns erklärte.
Verläßt wer diese Fährte,
bleibt er nicht ungeschoren.
*
Es hat gefunkt im wirren Zwirn
wohl hinter seiner krausen Stirn,
als Peter Petra küßte.
Doch war’s kein angespannter Nervenstrang,
der klagevoll elegisch klang,
als Peter aufgeschluchzt, der sie vermißte.
*
Die Welt ist nicht die Welt von Dingen,
der Denker hat’s herausgefunden.
Wir reden metonymisch nur von Kehlen,
daß wir die Pointe nicht verfehlen.
Stimmbänder sind es nicht, die singen
im Abendmond der Dämmerstunden,
Organe nur, die zur Gestalt sich ballen,
es sind die Rätselwesen, Nachtigallen.
*
Die in den Sinn uns kommen,
Gedanken über dies und das,
sind Flecken nicht auf der Empfindung zartem Glas,
behaucht von etwas, was wir wahrgenommen.
Sonst irrten wir wie Traumes Schatten,
die bald auf kaltem Erdgestein ermatten
und nie berühren, was sie überfliegen.
Doch dürfen wir auf Auskunft hoffen,
des Sinnes Fenster stehen offen,
wenn wir das Stumme in die Satzform schmiegen,
zu prüfen, ob wir klar gesehen,
wenn nur die Form uns nicht zerbricht,
als Wahrheitsträger kann bestehen,
färbt sich an ihr wie am Kristall das Licht.
*
Wohl können wir das Ganze nicht erfassen,
die großen Sätze, die es nennen wollen,
sind alle vor dem innern Riff verschollen,
wie jener von der Klasse aller Klassen.
Doch sehen wir, wie sich im Kleinen spiegelt
das All, wenn einsam nur ein Vogel singt –
weiß er auch nicht, was in ihm schwingt,
ob Klage oder Lust, es bleibt versiegelt.
*
Wenn Blitze in der Nacht ihn uns zerreißen,
den Schleier, der vor unsrer Seele weht,
empfinden wir, was in den Schriften steht,
die uns den Untergang der Welt verheißen.
Wir sehen uns wie Tropfen niederrinnen
an Gräsern, die ein fremder Geist erschuf,
wie Falter folgen süßer Düfte Ruf
und sich verfangen im Geweb der Spinnen.
Wir können wie der Knabe einst am Meer
nicht mit der zarten Muschel der Gedanken
die ungeheure Tiefe schöpfen leer.
Die wir wie Pascals Schilfrohr unstet schwanken,
ersehnen blind des Feuers Wiederkehr,
auf daß es uns verzehrt, die Schwermutkranken.
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