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Prophetenzorn, verpufft

21.05.2014

Berger Straße, Frankfurt am Main

Der tätowierte Friseur, um den sich süße
Pornomädchen scharen,
die schrill wie ihre Hündchen kläffen,
macht nicht mal Eklat
mit obszönen Puppen, knapp verhüllt
von lila Bischofsschärpen,
oder gotteslästerlichen Arrangements,
die er ins Schaufenster hängt:
barbieschlanke Nüttchen
mit goldnem Feenhaar,
die an ihren knochenzarten Händchen
und unbestrumpften Füßchen
mit den heiligen Nägeln Christi
an Christi heiliges Kreuz genagelt sind –

du freilich würdest in einem Anfall
heiligen Zorns an das Amt
(doch welches, das, was einmal „Sitte“ hieß?)
ein geharnischt Schreiben adressieren
des Inhalts, diesem Unfug, der zarte Herzen,
fromme Seelen und die wohnen dichterisch,
beleidigt, Einhalt zu gebieten.

Du siehst dich schon den Delinquenten
auf der Reise in die öde Steppe
seelsorgerisch begleiten
und ihm aus der Juden heiligen Schriften
den Levitikus rezitieren,
der dem Lästerer zu seinem und der Gemeinde
Heil das böse Ende hat beschieden –

oder du versteigst dich,
der Sittenstrenge eines halb erträumten
heiligen Russland das Wort zu reden,
allwo gleich hoch entrüstet Patriarchen
das Sündenfenster mit den weißen
Prophetenbärten zu verhängen
sich anschickten.

Ich aber sage dir: Lass fahren all dahin.
In diesen Höllenkreisen ist selbst der Zorn
auf Sakrilege dem Sakrileg gleich
an heillos-ungeregelter Empfindung.

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