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Unterm Strich

11.01.2022

Wir wissenʼs ja,
unterm Strich,
der zitternden Schattenlinie,
der steinigen Schmerzensfurche,
steht „Verlust“,
steht „Ohne mich“.

Doch auf der Linie balancieren
grüne Bienen,
und in der Furche schlafen
gelbe Falter,
die nicht wissen,
daß ihr Tun ein Ritus ist,
ein Opferkult,
ein Gottesdienst,
ein hoher, grausamer,
ein faltenknisternder,
gestaltenrauschender
und formenwandelnder
für eine Majestät,
die sie von fern nur wittern,
ein Knüpfen fein verwobener Muster,
deren harmonisch-dunklen Sinn
ein ferner Dichter übersehen mag und deuten.

Die Chiffren ihrer bunten Flügel
bleiben ihren Schöpfern Rätsel,
gemalt dem Sonnenauge,
das lächelnd sie goutiert
und wieder bleicht.

Uns ist das Wissen nicht bekömmlich,
wenn es den Nerv des Augenblickes lähmt,
und besser wärʼs, wie Tiere stumm-ergeben
des Tages Faden abzuwickeln,
der Blicke und der Blüten Strahlen
gelassen zu bestehen,
am Abend aber in die Glut zu starren,
die Asche,
die aufblätternd atmet,
aus der uns schon die neue Maske
der ausgebrannten Seele
entgegenstiert,
der überzeitlich hohe Geist,
der kühn mit Pollenfunken
die aufgetane Hyazinthe
der blauen Nacht bestäubt.

 

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