Im Schatten schon von jenen Schilfen
Die Greisin hat das Haupt geneigt,
die welken Wimpern trinken salzige Lake.
Ihr Runzelkinn wird weich umschlungen
von einem blaß geblümten Seidenschal.
Schläft sie?
Hört sie rings des wirren Lebens Schritte,
den metallenen Klang der Werktagsfron,
Kehlen, die einander kitzelnd rufen,
Zischen, Klingeln, Taubengurren?
Träumt sie?
Wie die Hortensien blauten, einst,
im Beet des heimatlichen Hinterhofs,
wie in hellen Sommermorgendünsten
überm grünen Schlummer der Lagune
der Sonne goldnes Siegel aufgeflammt?
Und vor der Hingesunkenen,
im Schatten schon von jenen Schilfen,
die von Jenseitsufern ihr entgegenseufzen,
sieht man straffe Häute glänzen,
die Aphrodite summend selbst gesalbt
jungen Frauen, die in Hotpants
ihre grell geschminkte Anmut schaukeln.
Die Pflegerin, die im Hintergrund
auf- und abstolzierte,
das Smartphone wiegend in der Hand
wie eine heilige Oblate,
ist zurückgekehrt.
„Ist doch gut, so ein Mittagsschlaf im Freien!“,
sagt sie mit polnischem Akzent
und schiebt den Rollstuhl mit der Alten
geradewegs an mir vorbei,
der auf der Bank den tauben Toren mimt.
Sie hat mühsam den Kopf emporgehoben,
und über dem Geblüm des Schals
scheint sie mir zuzulächeln.
Doch weiß ich nicht, galt mir ihr Blick,
der wie ein Schaum auf grauem Schiefer glomm,
oder einem Nachbild ihrer Träume.
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