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Unglückliche Mänade

24.04.2023

Der Himmel fahlt, Vergessenheitstürkis,
die Häuser, weißer Würfel Durcheinander,
Eroten, Knospen, blassender Mäander
auf einem eingesunkenen Tempelfries.

Die Stirne blank, die Schultern kalkgebleicht,
als schwebte sie auf Wellen, unsichtbaren,
ein Geisterhauch in losen Mädchenhaaren,
das Auge feucht, vom Blau des Meers erweicht.

Das Kleid gerafft, die Ärmel hell gebauscht,
mag sie, ein abgefallenes Blatt, hochheben
die Sommerabendluft, sich preiszugeben
entzücktem Wasser, das schon näher rauscht.

Sie weiß nicht mehr, ob sie dem Dorf entstammt,
wo alte Frauen jetzt zur Andacht gehen,
sie könnte, was sie beten, nicht verstehen,
ihr eignes Herz nicht, das der Gott entflammt.

Sie weiß nicht, wer sie in die Fremde zieht,
daß sie vertrauter Hände Spiel vergesse,
des mondgeküßten Lakens Traumesblässe,
sie fühlt nur, wie ein Äußerstes geschieht.

Schon wogen Wipfel, weich mit Dunst bespannt,
die Äste winden sich, gefleckte Schlangen,
hier war es, wo einst Nachtigallen sangen,
nun sind sie fort, vom Feuergeist verbannt.

Umsonst sucht sie die schwesterliche Schar,
zu schweifen auf den dämmergrünen Auen,
in dunklen Augen schön das Bild zu schauen,
wie ihr es wiederkehrt, der Seele Jahr.

Wohin sie auch die Rätselflamme trägt,
sie frißt sich tief und tiefer durch die Venen,
nur eines löscht das geisterhafte Sehnen –
o Meer, das über sie das Grabtuch schlägt.

 

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