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Das Gebet der alten Frau

28.10.2017

Schöpfergeistes Freude brennt,
eine Kerze, still,
Geheimnis unerkannt,
in der gewölbten Muschel
eines barocken Seitenaltars,
wo dann und wann ein altes Weib
krumm und peinvoll kniet,
in die Finger eingeschlungen
den Rosenkranz,
sie betet geschlossenen Auges
sich über den Abgrund
der Verlassenheit hinweg
in ein verschneites Bethlehem,
weiß und glühend wie der Winter
ihres fernen Heimatdorfs.

Sie fühlt an ihrer bleichen Hand
den Schmerz der Rosen,
die Tropfen Bluts,
da sie die harten Kräuter rupfte
und löschte sie mit Spitzwegerich-
Blättern, damals auf den Krumen
trockener Geduld,
sie fühlt die warme Milch
ihr an den Händen aus vollem Euter rinnen,
und war noch kalten Sternes Zittern,
das in der dunklen Stalltür stand.

Ihre Knie sind so wund,
o könnte sie wer tragen,
wie jener dunkle Mann,
der nach Weines Wehmut schmeckte,
und hob sie über des Schicksals
blütenweiße gnadenlose Schwelle
in das Gemach, das sie seufzend
allmählich mit ihres kleinen Leibes
wehem Duft erfüllte,
Lilien und Rosmarin,
Honig stiller Kerzen,
bis sie würgte
die harte Göttin der Geburt,
doch hing ihr weich am Halse
bald ein stiller Knabe,
und lief nicht weiter,
als ihr Schatten um ihn spielte,
zu süß war dies Gesicht,
zu traurig diese Augen,
ihr Atem reichte nur für kleine Lieder
eines Schlummers, blau umwölkt,
der, eine weiße Blüte, immer weiter
weg vom bangen Ufer trieb.

Sie barg ihm in den Staub,
zu dem er wieder kehrte
allzubald zurück,
das Püppchen eines Puttenengels,
dem er gern die Federflügel
glatt gestrichen,
ein bemaltes Büchlein mit Weisheitssprüchen,
das seiner Augen Trauer
unerschlossen blieb,
und legte auf sein Kindergrab
das kleine Amulett der Muschel,
das sie ihm umgelegt,
wie schlugen hoch der Iris
schlanke Flammen,
als der Sommer schied,
doch Winter hüllte das schmale Grab
in Schweigens strenge Andacht,
Schlaf war ein Schnee,
vom roten Flackern des Stundenbrenners
geisterhaft entzündet.

 

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