Der abwesende Gott
Wir sehen sie, als lichteten sich Nebel,
als hauchte dunklem Laub ihr Odem Gold,
als täten Ranken ihrem Blick sich auf.
Und ist es auch antiker Vase Bildnis,
gegraben, halb geborsten, aus dem Schutt,
von Moosen wie von Schatten überwachsen,
die fein geschwungene Linie scheint zu zittern
und matt zu glänzen noch ein Inkarnat,
um das ein Wasserschleier weicher Falten
ein Träumen aus geheimer Quelle gießt.
Als schluchzte unterm Schritt der Bakchen Gras,
und Wein, der aus dem trocknen Felsen sprudelt,
wird er geweckt von heißem Thyrsosstab,
fängt die Entrückte auf in blanker Schale.
Und tönt es nicht im Wind, der ihre Locken
aufdreht und gierig zerrend am Gewand
die volle Brust entblößt, und taumelt nicht
Silen, der Becher, den er kaum noch hält,
umtropft von Glut, doch wo ist er, der Gott,
dem Urzeitrausch bekränzt das Haupt mit Reben,
Dionysos? Entflohen zu den Musen,
heißt es, ins Dichterland Erinnerung,
wo ihn noch eine Weile Purpurtrauben
am Rebstock eines Distichons verlocken,
und zärtlich noch umfächeln Fittiche
der schwermutwilden deutschen Elegie.
Auch sagt man, er sei in einen See gestürzt,
die Wassernymphe trank den Feuergeist.
Ist jener es, wo sich die Schwäne wiegen,
ein Schnee umsäumt von Sapphos Blütenschnee,
ist jener es, wo abends hell im Schilf
die Woge schäumt und Seufzen sie verdunkelt,
als käme aus der Tiefe Klagesang?
Comments are closed.