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Die Metamorphose der Aster

06.05.2025

Aster, ach, sie mag nicht dunkeln,
nicht im faulen Humus stinken.
„Bruder Wind, trag mich zum Strome,
da will ich mir Reinheit trinken!“

Und der Wind hat es vernommen,
hielt die Blute mit den Lippen,
an das Ufer flugs gekommen,
barg sie unter feuchten Klippen.

Welle kam und Woge saugte,
Knospe, sie wird weggesogen
in die Strudel brauner Wasser,
und die Reine war betrogen,

denn es stiegen um sie Blasen,
Wülste, die ihr Bild verzerrten,
angefüllt mit Blut und Gasen,
lüstern schluchzend, wenn sie platzten.

Die Chimären spritzten Flecken
auf den Schnee der keuschen Wangen,
Wer kann noch emor sich recken,
hält der Orkus ihn gefangen,

wenn er sich ins Licht auch sehne,
fehlt sie ja, die Himmelsleiter.
Da erbarmte sich Selene,
ernstes Antlitz glänzte heiter.

Und ein Strahl, den sie ihr sandte,
ward zum Faden, lichtgewoben,
zog empor die Mondverwandte,
hat sie aus dem Grab gehoben.

Wollt ihr Zweifler aber sagen,
die geblüht sei längst verwittert,
müßt den Stern ihr nur befragen,
Funken, der vorm Monde zittert.

 

Anmerkung für das Verständnis: „Aster“ ist der Name für die Blume aufgrund ihrer gestirnhaft strahlenden Blüten-Corona. Lateinisch aster, griechisch ἀστήρ (Stern), hier dichterisch gesteigert zum Bild des Morgen- und Abendsterns, der Venus.

 

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