Gegenstrebige Harmonie
ὁδὸς ἄνω κάτω μία καὶ ὡυτή
παλίντροπος ἁρμονίη ὅκωσπερ τόξου καὶ λύρης
Heraklit (B 61, B 51)
Hinauf gehst du, du gehst hinab,
und immer geht dein Schatten mit,
die Rose hat dir kaum gelacht,
schon löst sich ab das Blütenblatt.
Du bist gemischt aus Licht und Wahn,
im Dunkel blüht die Knospe Traum,
im Laub des Traums fliehst du den Strahl.
*
Die Liebe auch, die sanfte Katze,
die schnurrend um das Bein dir streift
mit ihrer Blicke süßen Funken,
entflieht dir in die Sommernacht
zur wilden Jagd, das Ungeheuer,
und wachst du auf, liegt vor dem Bett
ein Mäuschen, das noch zuckt, die Gabe
scharfer Krallen, weicher Tatzen.
*
Das Negativ kann man entwickeln,
und wunders lächelt ein Gesicht,
so auch Erinnerung, den matten
Kiesel, tauchst in den Tau du ihn
des Auges, und zarte Maserungen
leuchten auf, verblaßtes Glück.
*
Fast ohne Spannung ist die Fläche
des leeren Blattes, wie der Schnee,
der weich ins Grau des Himmels schäumt,
tropft aber Tusche schwarze Glut,
zertrennt ein Herzschlag Schlaf und Tat,
sein Lid schlägt auf der Horizont.
*
Auf dunklen Wassers Schweigen schwimmt
das Wort, die Knospe bleichen Schwankens,
die unterm Mond sich aufgetan,
Duft verströmend, namenlosen,
und glitzert es von Morgenhauch,
hat schon die Woge alle Blüten
hinweggeschwemmt wie Schwanenflaum.
*
Es purzeln um die Majestät,
würdevoll im Hermelin,
weich umbauscht von Zofenschleiern,
Hündchen, Äffchen, freche Zwerge,
die ihr in die Waden kneifen,
Unsinn in die Ohren keckern,
quirlig auf die Schultern steigen
und mit einer wächsernen Maske
ihr des Lächelns Glanz verdunkeln,
und die Gnomen und die Schönen
tanzen einen Totentanz.
*
In der Finsternis des Gartens,
wo in schwüler Geisternacht
Oliven an den Zweigen schwitzen,
Honig tropft vom Aronstab,
baumelt schwer von dunkler Schuld
an dem zweiten Baume Edens,
wie der Sünde Hand verdorrt,
der Verräter ewiglich,
während auf der Schädelstätte
segnend strömt das Schöpferwort
Leben aus den Purpurwunden –
wo sie in die Erde tropften
ihre süße Liebesqual,
flammen Rosen, dämmern Veilchen.
Christus küßt Dionysos.
*
Sinn ist uns der lichte Pfad,
den wir durch das Dunkel schlagen,
trunken aber unterm Mond
überwuchert uns der Traum.
Und wenn wir die Beete jäten,
sorgsam winden auf die Rebe,
kriecht der Ampfer auf dem Fuß,
fällt im Rücken schwarzer Tau.
*
Ist Gott Liebe, so auch Zorn,
weiche Form, die wild zerlief,
wird die Töpferhand zerschlagen,
und die hohe, die geriet,
wird er in der Hölle brennen,
gnädig aus den Flammen bergen,
die sein Antlitz milde spiegelt.
*
Wie die Lust ersterbend schluchzt,
hohle Scheite sprühend sinken,
süßer quillt Violenduft,
nächtlich schwirren lichte Mücken,
hören wir das Dunkel weinen,
singt im Traum die Nachtigall.
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