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Kindergeplapper

06.11.2017

Kleines Mädchen, es kramt aus seinem Rucksack ein Stofftier, ein wolliges Häschen mit allerliebsten Langohren und funkelnden kleinen Bernsteinaugen:

Mein liebes Schnuffelkind,
hast du dich wieder mal versteckt,
bist ins Dunkel du gekrochen
vor dem wilden Lärm der Autos,
dem Klingeling der Fahrräder,
wolltest du ein bißchen dösen
tief in meinem Beutel
unter meinem Wolleschmeichelschal,
als ich mit den andern Kindern
in der Schule hab gemalt
und einen Weihnachtsstern gebastelt,
hast du schön geträumt
im warmen Dunkel
von dem süßen Küchel
aus Mehl und Honig, Ei und Zucker,
das deine Freundin dir gebacken hat?

Die Kleine bewegt das Köpfchen des Hasen, als würde er beifällig nicken. Sie brockt von einem Lebkuchen ein Stück ab und tut so, als füttere sie das Häschen.

Sehnst du dich nicht
nach deinen Brüderchen
und Schwesterchen da draußen
im freien grünen Feld,
bist traurig, wenn sie über Gräser hoppeln,
und kennst hier nur den Teppich,
auf dem die blauen Bäche trockne Fäden sind,
und die weichen Kissen meines kleinen Betts,
doch sind sie nicht aus Moos
und duften nicht nach Thymian,
Lavendel oder Rosmarin,
sehnst du dich nicht nach ihnen,
wenn sie hüpfen über Ginsterbüsche
oder schwuppdiwupp,
die Mama hat gerufen,
in ihr Stübchen sausen
im gelben Lehm,
dort hinter dem Kastanienbaum,
und schlafen sie, klopft es auf die Erde,
das sind die dicken braunen Früchte,
mit denen sie gern spielen,
weil sie glatt sind, weil sie glänzen,
dann ist es wieder still in ihrer Höhle,
da pressen sie sich Fell an Fell,
dann ist es warm,
dann ist es schön.
Willst du, mein Herz, zu ihnen
wieder bald zurück?

Das Häschen wiegt das Köpfchen zaudernd hin und her und nickt dann seltsam träumerisch.

Willst du lieber bei den Deinen sein,
da saust der Wind ins Fell
und Regen tropft von einem Näschen,
das schimmert feucht,
da bist du immer nah bei Tante Mond,
die geht im Dunkeln gern am Fluß spazieren
und badet ihren großen blonden Schopf darin,
und schaut auch nach den Hasenkindern,
ob sie noch wach sind,
ob sie aus dem Fenster lugen,
da wohnt auch Onkel Kauz
im hohlen Baum,
du siehst, wenn seine Augen glühen im Geäst,
da zieht die Mutter gleich den Vorhang zu,
willst du mit den Geschwistern lieber
mit den Löffeln um die Wette wackeln,
morgens im Ringelreihen den Tau
von Gras und Butterblume schütteln,
willst du, willst du?

Das Häschen weiß nicht, soll es nicken, soll es leugnen, es hält das Köpfchen ziemlich schief und ist verlegen. Die Öhrchen baumeln hin und her.

Ach, mein gutes Schnuffelhäschen,
bleib lieber bei der Freundin hier,
kannst mit meinen andern Püppchen spielen,
da ist das weiße Schäflein Wilmeli,
klammerst du dich nur an seine Locken,
trägt es dich ein wenig durch das Zimmer
unter Tische, unter Stühle, ja sogar
auf die Terrasse, wo ein Kätzchen manchmal
Milch trinkt und euch harmlos anfaucht,
da ist das kleine Hündchen Wuffeli,
das dir so gerne zart am Ohre zaust,
da ist die brave kleine Kuh,
Carla heißt sie, ist recht gescheit,
kann auch wie ich für ihre Herzensschar
backen, brutzeln, kleine bunte Cocktails mischen,
und manchmal singt sie euch
ganz wunderliche Liedchen vor
vom Leben auf der Alm,
vom dicken Murmeltier,
das in die Fugen seiner Stube
Kräuterkissen stopft,
und dem stolzen Gemsenbock,
der auf dem Felsen steht und starrt.

Du bleibst doch lieber hier bei mir
und deinen treuen Freunden?

Das Häschen nickt wieder beifällig. Die Öhrchen wippen.

Denn draußen ist die Welt so schlecht,
weißt du, in den Wäldern,
unter Disteln, zwischen Holunderbüschen,
die im Regen wie Gespenster schweben,
dort hängen helle Fetzen eines Fells
an spitzen Dornen, weißt du, Kleiner,
da schleicht der Fuchs herum,
wenn die Sonne schlafen geht,
Meister Reinecke genannt,
er schmeichelt gern den Häschen,
wedelt mit dem roten Schweif,
verspricht den Kleinen Leckereien,
die seine Mutter für sie angerichtet
im Festsaal ihrer Felsenburg,
doch wehe den verführten Häslein,
sie erwartet dort nichts Gutes,
denn der Kochtopf,
in den die böse Alte Kräuter rupft,
wartet nur auf sie, die armen.

Du bleibst doch lieber hier bei mir
und deinen treuen Freunden?

Das Häschen nickt enthusiastisch, die Öhrchen fliegen.

 

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