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Miniaturen

24.02.2021

Aufklaren, Dämmern – und inmitten das Wort, das seine Lider blütenlangsam auftut, das seinen Blick flügelschnell ins Ungesagte schickt.

Der Mond, die Sonne, das Gestirn des Dichters gleichen den naiven Tupfen und Augenstrahlen kindlichen Bilds.

Die Naivität des Gemüts ist wie der vergessene Brunnen in überwucherter Gemarkung, zerfallen, voll triefender Moose und um die Leere geringelter Farne, auf seiner sommerwarmen Wölbung schlafwandelt die Echse, in den schneegedämpften Nächten schickt er der zitternden Lampe des Traumlotsen Mond sein dumpfes Glucksen nach.

„Warum ist es manchmal so dunkel in philosophischen Texten?“ – „Weil die trübe Funzel des Logos im Luftzug flackert, der aus den Ritzen des Unsagbaren dringt.“

„Was tun, wenn die Zeile abbricht und der Geist die plötzlich aufgetauchte Hürde nicht zu überspringen weiß?“ – „Willst du nicht auf den Engel warten, mußt du dich der Sprungkraft der Metapher anvertrauen.“

Da schleppt sich einer nur mühsam des Weges, ihn drückt die Last des prallen Rucksacks, in dem er die Elfenbein-Figuren seiner Idole und die blechernen Souvenirs seiner Reise verstaut hat.

„Was hast du?“ – „Ich bin traurig.“ – „Und weswegen?“ – „Ich weiß es nicht.“

„Doch damals, als du fröhlich warst, ja gewiß, wir waren jung, es war Frühling und die blaue Luft erfüllt von …“ – „… Vogelrufen …“ – „… von Erwartung …“ – „… vom Plaudern unterirdischer Quellen …“ – „… damals wußtest du auch nicht, weshalb.“

„Ist alles Sterben gleich?“ – „Sind alle Seelen gleich?“ – „Darauf haben die Philosophen nicht geachtet.“ – „Die Theologen schon.“ – „Du meinst, daß die einen zur Hölle fahren, die anderen aber …“ – „Nein, daß die einen im Frieden entschlafen, die anderen aber …“ – „… verzweifelt, ächzend am Haken zucken …“ – „Die einen haben dem Gewesenen den Rücken zugekehrt …“ – „… das Gesicht gekühlt vom Wind, der die dürren Blätter der Wünsche, der Träume, des Gesagten schon verweht hat …“ –„Und die letzten Gesichte, die letzten Worte, die letzten Seufzer …“ – „,,, kommen schon aus anderen als irdischen Gründen …“ – „… kommen schon von Strahlen …“ – „… die das Auge nicht faßt …“ – „… rinnen schon mit dem Tau der Asphodelen an den Jenseitsflüssen …“

Genug gesehen. Genug gehört. Genug gesagt. – Der Atem reicht noch bis zur Mauer mit dem ausgerauschten Efeu, bis zum Stein mit der überwachsenen Inschrift, bis zum Wasser, das die Flammen herabgesunkener Blüten mit seinem dunklen Murmeln erstickt.

Das Leid, du hast es ja gesehen. Und was mehr ist, daß die Träne, des Unbewußten Tau, an zarter Wimper schwebend, von Blumen ferner Gärten sprach.

Im zitternden Wasser der schmutzigen Lache sprach zu dir ein Hauch wie eines erweckenden Worts.

„Was hebst du da auf?“ – „Ein Blatt.“ – „Nicht gerade viel.“ – „Mehr als ich je sagen konnte.“

Zerfurchte, alte Hand, sich langsam schließend, wie über der Frage, ob sie das Rechte getan.

Der Kuß schmolz schon dahin, der Händedruck, ein Knick im Kissen, das sich langsam wieder wölbt, das Wort aus weichem Mund, ein Kiesel, der schon unter Stiefeln knirscht.

 

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