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Mundwasser gegen Sprachfäule

21.02.2016

Der aufrechte Gang verhilft immerhin einigen dazu, dem großen Bruder nicht in den Hintern zu kriechen.

Es gab in der Alma Mater bedeutende Frauen, die das weibliche Zartgefühl und den genauen Blick für die geheimnisvollen Muster des Webstücks und die fein umklöppelte Naht zum Erschließen der Texte haben fruchtbar werden lassen können.

Der neue Typus des bebrillten, sterilen Weibs ist dem Mann durch Nachäffen seines akademischen Jargons und seines keimfreien Habitus höriger als die Matrona dem Pater familias.

Für die Narren ist der Held ein Narr, närrischer als sie selbst.

Die der eigenen Kultur wie der Ochs vorm Berg gegenüberstehen, flüchten in exotische Gefilde, wo sie von Kamelen gebissen werden.

Dem Großen ist nichts fremd, den Kleinen stört selbst der heimische Mistkäfer.

Als Ausflucht vor dem eigenen Leben dienen ihnen die Behinderungen anderer.

Je verlogener das Ideal, desto salbungsvoller das Gerede.

Tausend Worte für ein verschwiegenes.

Die große Eiche reißt ein paar kleinere mit in den Abgrund.

Die Bakterie ist der deus absconditus des Leibes.

Was dich bei manchen abstößt, ist nicht der ranzige Schweiß, es ist der Fäulnisgeruch der Seele.

Im europäischen Kaisertum wurde der germanische Titel romanisiert und der römische Titel germanisiert.

Das germanische Gefolgschaftsrecht ist der Kontrapunkt zum cäsarischen Imperium.

Der American Way of Life ist der Tod der europäischen Lebensform durch Fitnessprogramme und mentales Training.

Schon das alte Rom verstand sich als Nation, seine Bewohner als Kinder eines mythischen Stammes. Erst durch die germanische Invasion wurde dieses Bewußtsein getrübt.

Der brave moslemische Knabe, der in hundert Jahren das Bild der deutschen Schulen prägen wird, schaukelt somnambul über dem heiligen Buch. Wie sollten für ihn Sappho und Sophokles, Horaz und Tacitus, geschweige denn Gryphius, Luther und Bach ein Begriff sein?

Der deutsche Michel jagt wie bei Wilhelm Busch mit der Fliegenklatsche dem Surren und Summen einer böse stechenden Fliege nach und zerdeppert, wütend links und rechts dreinschlagend, sein kostbarstes Porzellan. Nur ist es keine Fliege, sondern die Phatasmagorie eines winzigen schwarzen Schnurrbarts.

Es ist denkwürdig, daß der erste christliche Kaiser das Zentrum des Reiches in die östliche Gegend verpflanzte, die heute Istanbul heißt.

Nicäa ist das Schibboleth des Westens.

Der Priester, einst die charismatische Lebensform, zählt heute zu den verachtetsten Menschen.

Daß heute Priester, die den göttlichen Auftrag höher stellen als parlamentarisches Geschwätz, von der eigenen Kirche gemaßregelt und geschurigelt werden, belegt die Tatsache, daß diese von den finsteren Mächten der Aufklärung schon heimgesucht und verseucht ist.

Welche Mächte werden in das Vakuum sickern, das der Zusammenbruch des heutigen Europas aufreißt? Der Islam oder ein erstarktes russisches Imperium.

Wenn der Muezzin von einem Turm des Kölner Doms aus blökt, wäscht sich der ehemalige Klerus die Füße im ehemaligen Tauf- und Weihwasserbecken.

Das Ehrgefühl, ein mächtiger Antrieb des individuellen und historischen Handelns, spiegelt die vitalen Grenzen des Einzelnen oder der Gruppe und ihre Verletzung.

Zeitungslektüre verwässert das Gefühl für das eigene Dasein.

Theaterbesuche schüchtern heutzutage das Recht des Einzelnen auf eine eigensinnige Rolle im Leben ein.

Aufklärung ist der Fetisch der Zeitung.

Welch ein Triumph der Aufklärung, daß derjenige, der das Charisma des Königs für höher erachtet als das geistlose Flattern der Trikolore, für verrückt erklärt werden kann!

Wir lernen sprechen, auch wenn wir noch nicht genau wissen, was wir sagen.

Wir können uns nicht im Spiegel erkennen, auch nicht im Spiegel der anderen.

Mit der ständigen Wiederholung und dem theatralischen Herausbrüllen gestanzter Phrasen gelangen sie ins Scheinwerferlicht.

Wenn sie sich aufblähen wollen und nichts Eigenes haben, dichten sie sich ein modisches Trauma an.

Zu glauben, das Bewußtsein sei das Phosphoreszieren eines kontingenten Schimmels auf der Erdkruste, ist genauso dumm wie die Annahme, die Ilias Homers komme zutage, wenn man das große Wörterbuch von Liddell-Scott so lange schüttelt, bis die richtigen Wörter in der richtigen Reihenfolge herauspurzeln.

Den göttlichen Nous an den Anfang der Welt zu setzen ist klüger, als das kosmische Feld dem Ungefähr blinder Photonen zu räumen.

Die Sätze normativer Kraft, die das Handeln hervorrufen, stehen nicht in einem Lehrbuch der Deontologie oder einem moralphilosophischen Traktat.

Das Schrille, das Marktschreierische, das Staccato der Stimme ist ein index falsi.

Je sorgfältiger, genauer, feinhöriger du vorgehst, umso verhaltener, leiser, inniger wird deine Stimme.

Die Häßlichen und die Literaten flüchten zu obszönen Gesten, um das vulgäre Publikum zu bannen.

Die schlichte Butterblume bricht durch den Asphalt ans Licht.

Das Feuilleton ist dieser Asphalt. Was aber die Blume?

Klare, nüchterne Sentenzen als Mundwasser gegen Sprachfäule.

Nicht wahrnehmen, ignorieren, vergessen – Tugenden einer neuen Askese.

Du erzählst von den wunderlich-unwirklichen Orten, an die dich der Traum entrückt hat, ohne zu erwähnen, daß es ein Traum war – und dein Gegenüber fällt gleich ein: „Kenne ich, war ich schon!“

Es gibt keine Abenteurer mehr, nur noch Touristen.

Der Tourismus ist der Dolch ins Herz des Fernwehs.

Museumsgaffer und Gartenschauglotzer – Bilder-Touristen, Touristen im heimischen Park.

Die Hecke um den hortus conclusus der reinen Empfindung ward von den Vollstreckern der Aufklärung um der Zudringlichkeit von Hinz und Kunz willen niedergerissen.

Die Psychoanalyse ist die Methode, dem Menschen seine Lebensmysterien, die sich in seiner Krankheit krankhaft verpuppen, zu entblättern und zu entreißen. Nach einem solchen Kahlschlag soll er sich glücklich schätzen, zu sein wie alle anderen, leer, geheimnislos, entkernt und entbeint.

Die Dichtung sei die schlichte Butterblume, die durch den Asphalt bricht.

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