Rabindranath Tagore, The Crescent Moon, Der Sichelmond XXXVI–XXXIX
XXXVI The Gift
I want to give you something, my child, for we are drifting in the stream of the world.
Our lives will be carried apart, and our love forgotten.
But I am not so foolish as to hope that I could buy your heart with my gifts.
Young is your life, your path long, and you drink the love we bring you at one draught and turn and run away from us.
You have your play and your playmates. What harm is there if you have no time or thought for us.
We, indeed, have leisure enough in old age to count the days that are past, to cherish in our hearts what our hands have lost for ever.
The river runs swift with a song, breaking through all barriers. But the mountain stays and remembers, and follows her with his love.
XXXVI Das Geschenk
Ich will dir etwas schenken, mein Kind, denn uns reißt der Strom der Welt mit sich fort.
Wir werden an den Rand gedrängt und was wir lieben wird vergessen werden.
Doch bin ich nicht so töricht zu glauben, ich könne dein Herz mit Geschenken gewinnen.
Dein Leben ist jung, dein Weg ist weit und du trinkst die Liebe, die wir dir reichen, in einem Zug und drehst dich um und gehst von uns.
Du hast dein Spiel und deine Spielkameraden. Was sollte es dir schaden, wenn du keine Zeit und keinen Gedanken an uns verschwendest.
Wir indes haben auf unsere alten Tage Muße genug, der vergangenen Zeiten zu gedenken und im Herzen zu ehren, was unsere Hände für immer verloren haben.
Der Fluß strömt sanft mit einem Lied und läßt alle Grenzen hinter sich. Doch der Berg steht und erinnert sich und begleitet ihn mit seiner Liebe.
XXXVII My Song
This song of mine will wind its music around you, my child, like the fond arms of love.
This song of mine will touch your forehead like a kiss of blessing.
When you are alone it will sit by your side and whisper in your ear, when you are in the crowd it will fence you about with aloofness.
My song will be like a pair of wings to your dreams, it will transport your heart to the verge of the unknown.
It will be like the faithful star overhead when dark night is over your road.
My song will sit in the pupils of your eyes, and will carry your sight into the heart of things.
And when my voice is silent in death, my song will speak in your living heart.
XXXVII Mein Lied
Dieses mein Lied wird seinen Klang um dich verströmen, mein Kind, den holden Armen der Liebe gleich.
Dieses mein Lied wird deine Stirn berühren dem Segenskusse gleich.
Wenn du einsam bist, wird es bei dir sitzen und dir ins Ohr flüstern, wenn du im Gewühl der Menschen bist, umhegt es dich mit unsichtbaren Gittern.
Mein Lied wird wie zwei Flügel sich um deine Träume legen, es wird dein Herz zum Rand des Unbekannten tragen.
Es wird als Stern des Glaubens dir aus der Höhe leuchten, wenn dunkle Nacht sich über deine Schritte breitet.
Mein Lied wird in den Pupillen deiner Augen wohnen und deinen Blick ins Herz der Dinge lenken.
Und ist im Tod die Stimme mir verstummt, wird mein Lied in deinem lebendigen Herzen tönen.
XXVIII The Child-Angel
They clamour and fight, they doubt and despair, they know no end to their wranglings.
Let your life come amongst them like a flame of light, my child,
unflickering and pure, and delight them into silence.
They are cruel in their greed and their envy, their words are like hidden knives thirsting for blood.
Go and stand amidst their scowling hearts, my child, and let your gentle eyes fall upon them like the forgiving peace of the evening over the strife of the day.
Let them see your face, my child, and thus know the meaning of all things; let them love you and thus love each other.
Come and take your seat in the bosom of the limitless, my child. At sunrise open and raise your heart like a blossoming flower, and at sunset bend your head and in silence complete the worship of the day.
XXXVIII Der Kind-Engel
Sie lärmen und kämpfen, sie zweifeln und verzagen, sie finden kein Ende ihrer Zwistigkeiten.
Laß dein Leben, mein Kind, unter sie fahren wie eine lichte Flamme, die nicht flackert und rein ist und sie mit Stille erquickt.
Sie sind grausam vor Gier und Mißgunst, ihre Worte gleichen verborgenen Messern, die es nach Blut gelüstet.
Geh und stell dich aufrecht inmitten ihrer finsteren Herzen und laß deine milden Blicke auf ihnen ruhen, dem Frieden der Vergebung gleich, der sich abendlich auf den Streit des Tages legt.
Enthülle ihnen dein Gesicht, mein Kind, und sie erkennen den Sinn aller Dinge; erwecke ihnen Liebe zu dir und sie werden einander lieben.
Komm und nimm Platz im Herzen des Grenzenlosen, mein Kind. Öffne und erhebe dein Herz beim Sonnenaufgang wie eine aufgehende Blüte, und beim Sonnenuntergang neige dein Haupt und vollende die Anbetung des Tages im Schweigen.
XXXIX The Last Bargain
‘Come and hire me,’ I cried, while in the morning I was walking on the stone-paved road. Sword in hand, the King came in his chariot.
He held my hand and said, I will hire you with my power.’
But his power counted for nought, and he went away in his chariot.
In the heat of the midday the houses stood with shut doors.
I wandered along the crooked lane.
An old man came out with his bag of gold.
He pondered and said, I will hire you with my money.’
He weighed his coins one by one, but I turned away.
It was evening. The garden hedge was all aflower.
The fair maid came out and said, I will hire you with a smile.’
Her smile paled and melted into tears, and she went back alone into the dark.
The sun glistened on the sand, and the sea waves broke waywardly.
A child sat playing with shells.
He raised his head and seemed to know me, and said, I hire you with nothing.’
From thenceforward that bargain struck in child’s play made me a free man.
XXXIV Das letzte Angebot
„Auf ihr Leute und stellt mich ein“, rief ich, als ich am Morgen über das Pflaster der Straße schritt. Der König fuhr in seinem Streitwagen vorbei, das Schwert in der Hand.
Er ergriff meine Hand und sprach: „Ich will dich kraft meiner Macht einstellen.“
Doch seine Macht zählte nicht, und er fuhr in seiner Kutsche fort.
In der Mittagshitze waren alle Häuser verriegelt.
Ich schlenderte die Biegungen des Pfads entlang.
Da kam ein alter Mann daher mit einer Tasche aus Gold.
Er überlegte und sagte: „Ich werde dich einstellen mit meinem Geld.“
Er wog seine Münzen, eine nach der anderen, doch ich wandte mich ab.
Es war Abend. Die Gartenhecke stand in voller Blüte.
Die tauchte eine schönes Mädchen auf und sprach: „Ich will dich einstellen mit einem Lächeln.“
Ihr Lächeln verblaßte und schmolz in Tränen hin, und sie ging einsam in die Dunkelheit.
Die Sonne funkelte im Sand, und die Meereswogen liefen eigensinnig auseinander.
Da saß ein Kind und spielte mit Muscheln.
Es hob seinen Kopf und schien mich zu kennen und sagte: „Ich stelle dich ein mit nichts.“
Dieses Angebot, im kindlichen Spiel gefallen, eröffnete mir augenblicks die Bahn des freien Menschen.
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