Skip to content

Splitter vom krummen Holze

15.10.2023

Philosophische Sentenzen und Aphorismen

Wer ist – außer dem deutschen Michel – so töricht, Leute im eigenen Haus zu beherbergen, die aus ihrer Absicht, es zu verwüsten, kein Geheimnis machen?

Die Ausnahme konstituiert die Regel.

Im Moment, da wir gewahr werden, falsch abgebogen zu sein, tritt unser wahres Ziel ins helle Bewußtsein.

Es gibt auch Leute, die es sich (finanziell oder psychisch) leisten können, das unfreiwillige Fahrtziel, nachdem sie in den falschen Zug eingestiegen sind, sich nachträglich zu eigen zu machen.

Wir SIND die Möglichkeit, zu handeln und zu unterlassen, zu reden und zu schweigen; die Realität dessen, was wir getan und unterlassen, gesagt und verschwiegen haben, gilt den Richtern der Unterwelt, solange wir leben, noch nicht als unwiderrufliche Manifestation unseres Wesens.

Der Fehler im Satz und in der Rechnung, den wir einsehen und korrigieren, die Tat, die wir bereuen und wiedergutmachen, beweisen, daß wir mehr sein können als das, was wir waren.

Das Chaos überzeugt uns vom Sinn der Ordnung.

In der höchsten Gefahr scheiden sich die Geister. – Wer flüchtet, wer stellt sich dem Kampf, wer rettet wen, wer verrät wen?

Die primordialen Geister sind die Geister des Bluts: Kommt es zum Kriegseinsatz, bangt die Mutter um ihren Sohn, nicht um den der Nachbarin, es sei denn, er ist ihr Schwiegersohn; doch dann zittert sie nicht um ihn, sondern ist seinetwegen in Sorge.

Der Kampf der ethnisch-kulturellen Einheiten, ob Völker oder Nationen, ist gleichursprünglich mit dem Gang der Geschichte. Der utopisch-religiöse Glaube, er löse sich in Wohlgefallen auf, wenn die Ströme der Kulturen in den großen Ozean der homogenen Weltzivilisation münden, ist ein Zeichen übereilten Denkens und geistiger Unreife.

Die einen massakrieren die anderen; wir mußten darauf gefaßt sein. Schrille Töne moralischer Entrüstung anzuschlagen zeugt von mangelnder Einsicht in die Conditio humana.

Der deutsche Antisemitismus, der sich heuchlerisch die Maske des Antizionismus übergestülpt hat, weint angesichts von Massakern an Juden einige Krokodilstränen, doch wenn diese Vergeltung üben, zeigt er die alte Fratze.

Sie haben Heerscharen von Orientalen, die den Judenhaß mit der Muttermilch aufgesogen haben, ins Land geholt und heucheln moralische Empörung, wenn diese tun, was sie nicht lassen können, und den Konflikt zwischen Israel und der islamischen Welt auf den Plätzen und Straßen deutscher Städte austragen.

Die Floskel von den „abrahamitischen Religionen“ stammt von einem theologischen Dilettanten, der nicht minder blauäugig war als der Ertüftler der Ringparabel.

Wie die marmorne Kore, das Selbstporträt und das Stilleben sind die Ode, das Sonett und das Lied charakteristische Formen der europäischen Kultur.

Der west-östliche Divan ist keine Form des Eskapismus und Exotismus, sondern eine Wiedergeburt deutscher Dichtersprache aus den Quellen des Orients.

Je exklusiver die Sitte, desto intensiver das gemeinschaftliche Leben: die Sabbatfeier der Juden oder das altbairische Weihnachtsfest.

Der Trappist will von der Unruhe der Welt nichts wissen; und erführe er davon, muß er darüber schweigen. Den global Vernetzten entnerven die Stimmen und Bilder jenseits der Grenze der Wohnung und des Landes; der Mönch trägt den spirituellen Sieg davon.

Dichtung als Flucht, Eskapismus, Rückzug vor dem Lärm und Grauen der Welt; Wahnsinn des Pan, der sich im silbernen Ton der Flöte mildert und sublimiert.

Die Tora kann nicht zwischen den homerischen Epen und der Edda eingereiht werden.

Die Hermeneutik der Entmythologisierung bleibt ohnmächtig vor dem Geist Gottes, der über den Wassern geschwebt.

Die alle Rede von Volk und Nation als völkisch und nationalistisch diskreditierten, wir sahen sie auf den Straßen und Plätzen die Fahnen des Vietcong, der Rotchinesen oder Palästinenser schwingen und die israelische verbrennen.

Wir sahen die Entwurzelten sich mit exotischen Masken und Emblemen schmücken, wohnten in einer mit Ikea-Regalen verbarrikadierten Wohnung einer japanischen Teezeremonie bei und ließen uns zu Gast bei einem alten Akademikerpaar masochistisch von Free-Jazz-Ruten peitschen.

Die sich rühmen, das Bizarre, Irre, Pathologische zu normalisieren, entblöden sich nicht, das Schöne, Vernünftige, Normale zu pathologisieren.

Neurose, Hysterie, Depression und Psychose sind keine gültigen, authentischen Lebensentwürfe, die sich von selbst verstünden, weil sie der verständigen Borniertheit Herrn Biedermanns unzugänglich bleiben.

Wie sich wissenschaftliche Vermutungen nach dem Grad ihrer Wahrscheinlichkeit und fruchtbaren Anwendbarkeit unterscheiden, so Lebensentwürfe nach dem Grad ihrer sittlichen Bewährung und kulturellen Prägnanz.

Wir denken angesichts religiös-fundamentalistischer Bewegungen wie Hamas und Hisbollah zurück an den fanatischen Orden der Assassinen, die Mordbefehle aus dem berufenen Munde des Alten vom Berge in frenetisch-berauschtem Zustande ausführten. Der Zerfall der säkularen Staaten des Orients führte zu einer Art Wiedergeburt des Islams mit politisch-eschatologischen Auswüchsen wie den Moslembrüdern, die an die radikalen Endzeitströmungen des deutschen Reformationszeitalters erinnern. Während hierzulande der christliche Gottesdienst zu moralisch-sentimentalen Selbstbeweihräucherungsevents entartet, blitzt dort der Ruf des Propheten aus den Gewehrläufen.

„Et pax bonae voluntatis“ – daß er den guten Willen der Beteiligten voraussetzt, wird von den törichten Verkündern des um jeden Preis zu feiernden Friedens verleugnet.

Es bestürzt wahrzunehmen, wie gerade Mädchen und Frauen der Schaum der Phrenesie an den Lippen glänzt, wenn sie die heroischen Taten ihrer Brüder und Männer, die blutigen Massaker am Feind, hochleben lassen; nein, Mitgefühl ist keine menschliche Universalie.

Sich von den Greueln der Welt abwenden und unter das silbrige Laub des epikureischen Gartens flüchten; doch über die Mauern noch dringt Brandgeruch, in das Murmeln des Quells mischen sich die Schreie der Hingeschlachteten.

Der Physiognomie, die Züge der eigenen Abstammung und Herkunft trägt, schenken wir einen Vertrauensvorschuß, auch wenn die Enttäuschung oder das Entsetzen darüber, daß ihr Lächeln die böse Absicht verhüllte, um so größer und schmerzlicher ist.

Wer wolkig, kernlos, zwittrig schreibt, kann sich nicht darauf berufen, daß sich sublime Dinge bisweilen eindeutiger Darstellung entziehen.

Das selbstgefällige Geschwätz der Parlamente und der literarischen Salons bricht ab, wenn die Sirenen heulen und der feindliche Angriff Entscheidungen und Befehle der staatlichen Macht und der militärischen Führung erheischt.

Der große Krieg ist ausgebrochen, der Feind ist über die Grenzen vorgestoßen: Diskurs und Diskussion, welche Torheit! Die Kampfmoral zersetzende oppositionelle Meinungskundgabe, welche Gefahr!

Von der Grenze her, jenseits derer die von ihr erlassenen Gesetze ihre Geltung einbüßen, definiert sich der Begriff staatlicher Hoheit.

Im Morast des Wahnsinns sehnen wir uns nach dem Felsen der Vernunft.

Aber Vernunft – das sind nur schmale Bretter, vorsichtig über das Schwappen und Glucksen des Morasts der Ungewißheit ausgelegt, auf denen wir uns nicht ohne Risiko vorwärtstasten.

Was wir nicht wissen, können wir nicht einmal ahnen.

Das Geschehen überrascht uns an den entscheidenden Punkten; könnten wir es, wie geschichtsphilosophische Propheten wähnen, voraussehen, wären wir nicht überrascht.

Die unbegründbaren Grundlagen unseres Wissens sind Trivialitäten, derer wir nicht ansichtig werden, weil sie vor aller Augen liegen.

Das Wunder des Lichts erfühlen wir, wenn der Schatten der Nacht uns erreicht hat; der Sinn des Lebens erschließt sich uns an der Grenze des Todes.

Die Krise, die Gefahr, der Ernstfall belehren uns über die Gründe des Vertrauens und des Mißtrauens.

Das Mißtrauen wächst nicht ohne Grund mit der Entfernung von der eigenen ethnischen und kulturellen Zugehörigkeit.

Der soziale und politische Friede ist der durch Konformitäten und Konventionen gedämpfte Konflikt und der mittels militärischer Drohung aufgehaltene Krieg.

Güte ist das Verschweigen all dessen, was für den anderen peinlich, beschämend, demütigend sein könnte.

Glücklich, wer den destruktiven Neidimpuls in Bewunderung des höher Begabten, der reicheren Natur, des genial Veranlagten umzuwandeln vermag.

Oft bleibt uns nichts, als Splitter und Späne aufzulesen; wie wunderbar, grünt am krummen Holze, eines Menschen schon ausgedörrt scheinender Substanz, ein junges Blatt.

 

Comments are closed.

Top