Versunkene Amoretten
Vignetten von einem verfallenen Lustschloß in Ostpreußen
Aus den Schatten einer Dornenhecke,
verwildert wie die Dichterseele,
zwitschert es aus kleinen Nestern,
im weichen Zittern roter Blüten
spielt der Wind mit müden Bienen.
Öde liegt der grüne Teppich
eines Rasens, angefressen
und geschwärzt vom Schicksalsstrahl,
um den braunen Schlaf des Teiches,
wo vermodert, wem das Gold
von zarten Schuppen einst geblitzt.
Und der auf dem Marmorsaume
schwankt, von Flechten überwachsen,
Triton scheint zu schlafen auch,
aus dem Muschelhorn, gewunden
wie sanft flehend Liebesqual,
ergießt kein Schaum sich und kein Schluchzen,
und in ihrer trocknen Mündung
nistet jetzt ein Taubenpaar.
Die da auf moosigem Pfad gewandelt,
plaudernd unter bunten Schirmen,
mit Bonmots sich köstlich neckend,
elegante Paare, stolze Frauen,
mit rosa Seidenbändern Hündchen
tollten zwischen ihren Beinen,
und die unter Myrtenlauben sich
auf sonnenwarme Bänke setzten,
Haupt an Haupt im vagen Abstand
eines Kusses, der sein süßes
Zögern wie ein später Falter
taumelnd dunkle Düfte kostet,
und der Musen hübsche Kinder,
in das Abendgrün des Grases
ausgestreckt, den Serenaden
lauschend, die sanft plätschernd
aus den offenen Fenstern wogten –
waren sie nur Traumreflexe
auf dem Schlaf des blauen Wassers,
die mit einemmal verlöschten,
als die Nacht die Lider schloß,
Nacht, auf die kein Tag mehr folgte?
O, die Wahrheit stiert aus leeren
Fensterhöhlen und sie tropft als
matter Tau vom Moos der Simse,
bleiche Knochen läßt sie schimmern,
grinst im Schädel eines Pferdes,
Nest, wo junge Ratten fiepen,
doch die Mähne königlich,
in die ein Mädchen sich gekrallt,
um höher als die Saat zu fliegen,
stieg als Rauch ins Preußisch-Blau
des Himmels. Die Wahrheit, sie zerbröckelt
in algentrüber Dämmerung:
der Amoretten holdes Lächeln,
goldgesäumte Adelswappen
mit dem Einhorn und den Greifen,
schön verzierte Blumenschalen
und die freudig tönten, hohen
Festes Kelche aus Kristall,
von Barbarenhand entweiht,
zerschellt, mit Kot beschmiert.
Zerbrochen sind die Sonnenuhren,
schattenlos die fahle Zeit,
des Spiegels Lustgefäß zersprang,
die Bilder edler Lebenshöhe,
schwermutsanften Seelentums,
von Kugeln rohen Wahns durchsiebt.
Und die sich zart gerankt, Vignetten
auf dem Pergament der Stille,
fraß die Flamme, die nicht singt.
Es geistert noch in Traumgesichten,
Dasein, heiter und sublim,
wie es einst Watteau gemalt,
besungen trunken ein Verlaine.
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