Skip to content

Auf Fingers Spitze

05.06.2013

I

Zwischen den Kuppen von Daumen und Zeigefinger
prüfst du den Feingehalt der Welt,
deines Anteils am Schicksal,
schnipst du Samenfädchen der Luft,
zählst du den Zyklus des Gelds,
streust du Würze ins Leben,
streifst du den Ring um das Ja.

Zwischen dem Daumen und dem Ringfinger
kehrst du dich blumenhaft schließend zu dir zurück,
unbeladen von Bildern und Sprüchen,
wie die Zaubertafel des Kinds,
die alles Gekritzel-Gekringel gelöscht hat –
so bist du die dünne Membran
des atmenden Zwischen.

II

Die schweren und leichten Elemente des Daseins,
Kampf und Freude, Staub und Fontäne,
Not und überfließendes Fest,
lernst du mit dem Nervengeflecht deiner Hände.

So hart der Stein, so trocken das Holz,
so weich das Wachs, so rissig die Haut.

Wie sänftigt das Wasser den Mut.
Wie berückt das Feuer mit Träumen.

Wie fein wirst du beim Zupfen, Fädeln und Wickeln.
Wie scharf beim Klatschen, Schnipsen und Hauen.

So birgst du zwischen Händen das Kind vor Gespenstern.
So schöpfst du das Wasser zu Taufe und Weihe.

Was du im Auge des Freundes erblicktest,
wird wahr, wenn es von Hand zu Hand
die Wärme getauscht.

III

Mit Fingern liest von der Haut der Dinge
du ihre verborgene Wahrheit.

Die warme, weiche Fläche äugend
mit Poren, die sich öffnen, sich schließen,
die hohen Ebnen grasüberhaucht –
an jähen Beugungen, Buchten nächtig verschilft –
die Finger erspüren die Brandung des Bluts,
das Schwellen von Adern, der Pulse
Pochen, die flauen und fluten.

Die an der Wimper schwebt wie leuchtende Frucht
und Botschaft bringt von Neigung und Liebe,
die Träne liest zärtlich mit der Fingerspitze du auf.

Kommentar hinterlassen

Note: XHTML is allowed. Your email address will never be published.

Subscribe to this comment feed via RSS

Top