Skip to content

Aus den Angeln

16.03.2024

Philosophische Sentenzen und Aphorismen

Sinn: weder Faktum noch Konstrukt.

Jemand, der trotz faktischer Zugehörigkeit zum männlichen Geschlecht als Frau angesprochen zu werden wünscht, ist entweder krank oder der deutschen Sprache nicht mächtig.

Wir werden einen, der eine Fichte als Tanne bezeichnet, aufgrund des Hinweises auf gewisse botanische Merkmale eines Besseren belehren.

Benennungen oder im Jargon gesprochen performative Sprechakte sind korrigierbar.

Zu glauben, performative Sprechakte machten, was sie benennen, allererst zu einem Faktum, gilt nur bei Benennungen bestimmter sozialer Institutionen, beispielsweise der Freundschaft; nenne ich Hans nicht mehr meinen Freund, ist es mit der Freundschaft vorbei. – Ansonsten, wie im Falle physikalischer und biologischer Tatsachen, ist die Annahme, der Name bringe das Benannte ans Licht der Welt, eine Form magischen Denkens.

Was wir Sinn, Bedeutung und Norm nennen, ist keine natürliche Tatsache; der Evolutionsbiologe, mag er auch eine weltweit anerkannte Koryphäe seines Fachgebietes sein, der behauptet, aus der Lehre Darwins folge, daß der Sinn des Lebens, also auch des menschlichen, in der Optimierung der biologischen Fitness bestehe, ist ein philosophischer Kretin.

Wenn die polygame Lebensweise des Mannes darwinistisch betrachtet von größerem biologischem Vorteil ist als die monogame (mit mehreren Frauen können eben mehr Nachkommen desselben genetischen Musters erzeugt werden), folgt daraus nicht, daß wir, eingeschüchtert durch das pseudophilosophische Geschwätz eines die Grenzen seines Fachgebiets hochnäsig überschreitenden Meisterdenkers, am sozialen Sinn der abendländischen Errungenschaft der Einehe verzweifeln müßten.

Wären normative Gehalte wie Treue, Fürsorgepflicht, Verantwortung und Opferbereitschaft nichts als ein Ausdruck natürlicher Anlagen, müßten sie nicht in Gesetzestafeln gemeißelt, in moralischen Kodizes aufgeführt, gelernt und verinnerlicht werden.

Erwiesen sich die Zurückhaltung und Rücksichtnahme eines Menschen als Ausdruck pathologischer Schüchternheit oder als Form von Masochismus, wären wir ihm nicht zur Dankbarkeit verpflichtet.

Die menschliche Sprache ist ein sowohl faktisches wie normatives Gebilde.

Das grammatische Faktum der deutschen Sprache zu leugnen, daß Substantivbildungen wie „der Lehrer“, „der Arzt“, „der Kunde“, „der Fahrer“ oder „der Bürger“ das natürliche Geschlecht der jeweils benannten Person nicht markieren, ist entweder ein Ausdruck von Dummheit oder ideologischer Verblendung. Ausdrücke dieser Art künstlich und zwanghaft zu sexualisieren („die Büger:innen“) verformt das grammatische Skelett der Sprache und ist somit normwidrig.

Die obszöne Sexualisierung der Sprache ist keine konventionelle Bereicherung ihres Wortschatzes, sondern eine Deformation ihrer grammatischen Struktur.

Der Sprachgeist, der uns gegenwärtig anweht, ist giftig und verursacht Brechreiz.

Der lyrische Rhythmus haucht dem alltäglichen Wort Anmut und Würde ein.

Dichtung vermag das gewöhnliche Wort in eine außergewöhnliche, ja transzendente Atmosphäre zu tauchen.

Der heutzutage beliebte unreine Reim ist ein Ausdruck der Verlegenheit und der Resignation angesichts der Verschmutzung der medial geschändeten Sprache.

Das grammatische Genus für ein geschlechtliches Wesen zu halten blieb den illiteraten Narren des Zeitgeistes vorbehalten.

Allgemeinbegriffe wie Verantwortung, Feindschaft oder Liebe sind Verdichtungen und Kristallisationen von Tätigkeiten. So ist ja Liebe, was Eltern tun, die sich um ihre Kinder kümmern.

Das alte Rom hatte einen sublimen Sinn nicht nur für Abstraktionen, sondern auch für ihre Personifikation. – „Bonus Eventus“ bezeichnet eine ländliche Gottheit, der man für einen guten Ernteertrag Dankopfer darbrachte.

Dummheit folgert aus der Nachricht, daß der Bankräuber eine Geisel genommen habe, es müsse sich dabei um eine Person weiblichen Geschlechts handeln.

Allerdings, als mythische Wesen und als Gottheiten personifizierte Allgemeinbegriffe wie „die Horen“, „die Musen“. „die Parzen“, „die Eumeniden“ oder Allegorien wie „Caritas“, „Bona Fides“, „Spes“ und „Iustitia“ sind Feminina – und diese grammatische Eigenschaft verdankt sich gewissen natürlichen Eigenarten des weiblichen Geschlechts.

Die neuronale Struktur der Sprachzentren des menschlichen Gehirns hat keine Ähnlichkeit mit der grammatischen Struktur der menschlichen Sprache.

Grammatiken sind keine bloß konventionellen Gebilde, auch wenn die artikulierten Laute in Bezug auf die gemeinten realen oder irrealen Gegenstände mit Ausnahme der Onomatopoesien konventionell sind. Sie wurzeln tiefer, beispielsweise im Thymos, im Ethos und der Weltsicht der Sprecher.

Es gibt gereimte und ungereimte Gedichte; aber es ist kein Zufall, daß die antiken Sprachen aufgrund der quantitativen Silbenmessung die ungereimten lyrischen Gattungen der Ode, der Elegie und des hexametrischen Epos ausgebildet haben, die akzentuierenden germanischen und romanischen Sprachen aber den Stabreim und den Endreim.

Grammatische Formen ermöglichen uns, nicht nur konkrete und abstrakte Gegenstände und Ereignisse zu bezeichnen, sondern auch, sie in temporale, modale und logische Bezugssysteme einzuordnen.

„Die gestrige Examensprüfung hat der Student bestanden.“ – „Daß der Geselle die morgen anberaumte Meisterprüfung bestehen wird, darf er wohl hoffen, weil er sich hinreichend darauf vorbereitet hat.“ – „Obwohl er fleißig gebüffelt hat, wurde dem Schüler die Klausur zu einem Debakel.“ – „Hätte der Kandidat nur eifrig gepaukt, wäre er nicht durch die Prüfung gefallen.“

Insbesondere die grammatische Möglichkeit zur Bildung des irrealen Konditionalis ist ein Eckstein für das philosophische Leistungsvermögen unserer Sprache. – Beispiel: Wären die Anfangsbedingungen der Entstehung des Kosmos um ein Jota von den tatsächlichen abgewichen, würden wir nicht existieren.

Je stärker das Gefälle, umso heller rauschend der Strom. – Die Steigerung des dichterischen Ausdrucks ist eine Funktion der Beschränkung seiner metrisch-rhythmischen Bedingungen.

Wir können das Präsens als unmarkiertes Tempus verwenden; so wenn wir sagen: „Wir sind miteinander befreundet“ oder „Ich pflege in der Nacht zu schreiben.“ In der Dichtung finden wir den Gebrauch des Präsens als Form der Evokation einer unbestimmten, unwirklichen, ja traumhaft zeitlosen Gegenwart, wie etwa bei Stefan George:

Der hügel wo wir wandeln liegt im schatten ·
Indes der drüben noch im lichte webt ·
Der mond auf seinen zarten grünen matten
Nur erst als kleine weisse wolke schwebt.

Die Dichtung vermag die Sprache gleichsam aus den Angeln der temporalen und logischen Alltagsverortung zu heben. – Daher ist sie den Zwängen und Engen der Alltagsprosa entrückt, deren Pforten leicht zu öffnen, aber auch zu schließen sein müssen, aus welchem Grund sie in den festen Angeln grammatisch-logischer Strukturen aufgehängt sind.

Wenn indes prosaische Geister die Sprache aus den Angeln der Grammatik heben, ist das Ergebnis alles andere als poetisch.

Die Sprachquader eines Livius, Caesar, Sallust oder Tacitus; der Quark, der aus den Spalten der Gazetten quillt.

In vielem ähneln die Psychiatrie und die Psychoanalyse einer rationalisierten Form des Exorzismus.

Die Pschoanalye ist der vergebliche Exorzismus jener Geister, die sie selbst heraufbeschworen hat.

Es sind die alten, aus dem gelichteten Wald der Aufklärung geflohenen Geister und Dämonen, die im Dickicht kranker Nerven und im verhedderten neuronalen Netzwerk des Psychotikers Unterschlupf gefunden haben. Dort hört er sie wimmern und klagen oder muß schmerzhaft fühlen, wie sie verzweifelt an seinen Empfindungsfasern zerren.

Die groteske Epiphanie der Musen im Stimmenhören des Wahns.

 

Comments are closed.

Top