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Brief der kleinen Hildegard aus Koblenz am Rhein, 10 Jahre

18.03.2013

An den Papst in Rom

Lieber Heiliger Vater,

du heißt ja Franz wie mein Onkel. Der ist Bauer in der Eifel und geht im Mai oft zu der Marienkapelle auf dem Berg, da ist das Gnadenbild. Ob er auch mal eine Schale mit bunten Blüten mitbringt und der Maria auf den Altar stellt, weiß ich nicht. Glaub es eigentlich nicht. Du hast es getan, hab ich alles im Fernsehen gesehen: Das war so lieb von dir.

In meiner Kinderbibel ist ein Bild vom Heiligen Franziskus, wie er mitten in einer Schar von Vögeln steht. Zwei Vögel sitzen ihm auf den Schultern. Und er spricht mit den Vögeln. Was er ihnen wohl Liebes gesagt hat? Du musst mir eins versprechen, lieber Heiliger Vater: Auch du musst mit den Vögeln sprechen, bald, da kommen sie geflogen, im Frühling – und noch mit anderen Tieren, wenn sie zu dir kommen und du auf dem großen Platz vor dem Dom spazieren gehst.

Noch zwei Wünsche habe ich, lieber Vater: Wenn du das nächste Mal auf den Balkon am Dom gehst, bring nicht wieder diese alten Männer mit, die bloß um dich rumstehen und grinsen. Da sollen lieber schöne, strahlende Engel mit Heiligenschein ihre weichen Flügel um dich legen.

Und mein letzter Wunsch: Bitte übertreibe es doch nicht mit der Armut. Bei uns gegenüber wohnen auch arme Leute in einem Fachwerkhaus: Da riecht es nicht gut aus der Tür und wenn im Sommer die Fenster offenstehen, hörst du schreien und fluchen. Du willst doch nicht den Dom und all die hübschen und prächtigen Kirchen in Rom abreißen lassen, weil sie so reich geschmückt sind – für den lieben Gott?

Bitte ziehe doch die alten schmutzigen Latschen aus, die du aus Argentinien mitgebracht hast, und schlüpfe geschwind in die roten Schühchen, die unser letzter Heiliger Vater, der sanfte Großvater aus Bayern, so gern getragen hat – ʼs wär so schick!

Ich mache einen Knicks und küsse von Herzen deinen Ring.

Aus dem fernen Land am Rhein

Deine Hilde

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