Im Nest der Nacht verwahrt
Principio caelum ac terras camposque liquentis
lucentemque globum lunae Titaniaque astra
spiritus intus alit, totamque infusa per artus
mens agitat molem et magno se corpore miscet.
Inde hominum pecudumque genus, vitaeque volantum,
et quae marmoreo fert monstra sub aequore pontus.
Vergil, Aeneis, 6, 724–29
Himmel und Erde zunächst, des Meeres Wogengefilde
und die leuchtende Kugel des Monds und die riesige Sonne
nährt von innen der Geist und gliederdurchflutend bewegt sein
Walten den Weltenbau, vermählt sich dem mächtigen Leibe.
Hieraus stammen Menschen und Vieh und das Leben der Vögel,
und was an Wesen der Ozean birgt unter marmornem Spiegel.
Übersetzung: Johannes Götte
Erstlich denn also: den Himmel, die Erde, die flüssigen Flächen,
Auch das Titanengestirn und die leuchtende Kugel des Mondes
Nährt im Innern der Geist. Die ganze Masse bewegt er,
In die Glieder ergossen, vermengt mit dem großen Gebilde.
Ihm entstammen die Menschen, die Tiere, das Leben der Vögel,
Was an Wundergeschöpfen der Marmorspiegel des Meers deckt.
Übersetzung: Emil Staiger
Sonett vom Nest der Nacht
Der Odem, der gelichtet hat den Dunst,
das Chaos, floß aus keines Dämons Lungen,
schien von sublimem Duft durchdrungen,
der fühlbar wird in Werken höchster Kunst,
wenn durch der Verse Ranken jäh erglänzt
ein goldner Tau auf Bacchus reifer Traube,
sich im Gedicht Vergils bezeugt der Glaube,
daß irdenes Wortfragment ein Gott ergänzt.
Dies ward den Auserwählten offenbart
in Völkern, die noch nah am Ursprung wohnten,
wo mit Semele sich der Blitz gepaart.
Doch wir sind die vom Feuergeist verschonten,
unflügge, blind, im Nest der Nacht verwahrt,
das dunkel schwankt, wo sie auf Flammen thronten.
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