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Kleine Theodizee

10.02.2016

Unter grüner Woge des Efeus
Rosiges flimmert,
Rötliches schmilzt
aus dem Schnee der Lippen:
wieder im Krokus reinstes Beginnen.

Ein sanfter Jubel am Wegsaum,
hinter dem fetten Marmorklotz einer Villa,
gleich beim Übergang zum Grüneburgpark,
wo die Jogger taub sind
vom Rauschen der Zeit.

Hier stand einmal der bescheiden-
kokette Flachbau des alten Gräzisten,
an den Epen des Balkans
komparatistisch geschulten Gehörs,
der uns zerzausten Barbaren,
die unter dem Tinnitus von Pop und Jazz litten,
den echten Klang,
die Prosodie Homers glaubte
daherpsalmodieren zu können,
zu müssen … abends sah ich ihn oft
unter grüner Lampe über die Blätter gebückt …
er imponierte ansonsten mit
englischen Maßanzügen …
Friede seiner Asche!

Hat er damals, er oder seine Frau,
die Frühlingsboten ausgesandt,
und ihre Urenkel sind heute noch treu
in der süßen Liebe zur Sonne?

Blieb denn keiner stehen,
mit mir über dies Wunder
gebeugt zu weinen,
dies lächelnde Jawort des Seins?

Auch wenn es den Blitz der Liebe
schüchtern verhüllt
in lauter schimmernde Anmut,
ist es da und atmet,
und wenn du in dir ein wenig nur öffnest
die Muschel der Stille,
hörst du vielleicht,
wie in der Dämmerstunde
Chorgesang anhebt
mit lindem Lispeln
in seufzendem Tau.

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