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Blauen Abgrunds Rätselschrift

07.07.2020

Schreibt uns ein Fremder wunderliche Briefe,
schreibt er uns Traumberichte
in flüchtiger Wolkenschrift?

Wie wechselt grau und blau sein Blatt,
wer kann es lesen denn mit Sterbensblicken,
was Blitze zuckend krakeln
auf der grünen Tafel Nacht,
die Adern, Flecken, Falten
auf Stein und Blatt und Tiergesicht,
der Erde moosumschluchzten Dämmerschoß,
und die ihn wecken, furchen, ritzen,
Sonnenküsse, Sonnendolche,
wie Wasser Blumenworte wiegen,
Flocken blinde Wildnis streuen.

Ihr Quellen dunkler Klagen!
Warum die Ströme jubelnd ins Verlöschen schäumen,
bunte Falter braun verrotten,
Libellen-Flimmerflug erstarrt,
warum der heißen Tiere Nachtgebell,
und aus der Asche wieder Grünen,
und aus gekosten Wangen Staub,
warum geküßten Augen Tränen rinnen
auf den kahlen Karst der Einsamkeit,
warum der Anmut roter Mohn ergraut
und Hohnes Spucke löscht die reine Flamme Lied.

Warum sich aus dem Lachen weicher Knospen,
von Lichtes Zähnen wild zerbissen,
in wuchernde Fäulnis immer stürzen
Samen neuen Lebens,
Samen neuen Tods.

O blauen Abgrunds Rätselschrift,
o Rosen, Flehen, dornenwund.

 

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