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Dies Land ist nicht mein Land

30.07.2019

Die Ranken über der Laube
am glitschigen Saum einer Grube,
wo Schädel von Nachtigallen
und Knochen von Ungeborenen schimmern,
sind Zungen rußiger Flammen
und was sie lecken
sind Trauben schlafloser Augen.

Hier wandern Todesschreie
blasser Knaben, sommersprossiger Mädchen,
von Beduinen geschächtet und Mamelucken,
unterm blitzenden Halbmond gemäht,
vom Zischen der Ratten weiter und weiter gehetzt,
durch die Abflußrohre der Kloaken
in den Siphon der Westendküche,
wo ihr ersticktes Schluchzen
eines Rohköstlers Rülpsen übertönt.

Die weiße Muschel der Marienkapelle,
überwuchert von bacchischen Blättern,
von siechem Blumendunst erfüllt
und dem Zucken hilfloser Kerzen,
schwimmt auf dem Blutstrom der Nacht,
die bunten Scheiben erblinden
unterm Hohngelächter der Blitze,
und die Nacht, sie hat keine Ufer.

Hier starren runzlichte Gesichter,
Mottenkugeln unterm Lid,
aus den Schränken der Witwen,
blecken gelbe Gebisse der Ahnen
aus dem Ornament der Tapete,
der Einsamkeit ausgerissene Haare
wehen, wenn Nachtluft sie bläht,
in der Gardine des Dichters,
kindlichem Lächeln ausgerupfte Wimpern
kleben im verstaubten Album,
das ein betrunkener Bote
in den Schlitz des Traumes quetscht,
und auf der Terrasse sitzt
die mit Kassenzetteln und Rezepten
ausgestopfte Puppe einer Greisin
und leiert Namen um Namen,
Rose, Aster, Lilie, Flieder, Gladiole,
Tote ihres asphaltierten Gartens.

 

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