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Diurnum philosophicum III

03.01.2023

Philosophische Sentenzen und Aphorismen

Die leisen Gesten, die uns vom Geheimnis sagen, Geheimnis, das wird sind, nicht kennen, sind wie zarte Schimmer im jungfräulichen Schleier über morgenkühlen Teichen.

Die das Wort traktieren, die Popularen, schwadronieren von großen Dramen, die uns läutern, uns in die Peripetie einer letzten Entscheidung reißen.

Doch werden wir ganz undramatisch von Wellen, die uns wiegen, von Klängen, die uns lösen, gleichsam uns selbst zurückgegeben.

Freilich sind wir Tropfen nur in einer Welle, die steigt und fällt und fällt und steigt, mag sie bisweilen auch in einer öden Wüstenei versickern.

Was zwischen Geburt und Tod uns widerfährt, ist dramatisch nur in der Wiederkehr uralter Rituale, der Rites de passage zwischen Kindheit und Jugend, Jugend und Reife, Reife und Alter.

Der philosophische Trug, das Proton Pseudos, beginnt mit dem dämonischen Glauben an die wahrheitskonstitutive Macht der Geschichte, mit Hegel und Marx.

Die Torheit im Glauben an das, was sie Freiheit und Entwurf nennen, Fichte, Hegel, der frühe Heidegger, Sartre, als könnten wir den formlosen Teig des Lebens in die selbstentworfene Plastik unserer eitlen Selbstvergötzungen transfigurieren.

Der individuelle Entwurf führt zur Erstarrung und den Karikaturen des amusischen und akademischen Daseins, der kollektive mündet in Terror oder dem Wahnwitz des computergesteuerter sozialen Lebens.

Sie hassen oder verachten das Provinzielle, das in überlieferte sittliche Ordnungen ruhig eingebettete Dasein; der rastlose Trieb wütet in ihnen, durch den Goethe Mephistopheles sich in die große Staatsaktion hat stürzen lassen, vor deren Fortschrittssegnungen die zeitlos-schlichten Gestalten von Philemon und Baucis zu weichen hatten.

Die Progressiven hassen oder verachten den freien Bauern, den schweigsamen Winzer mit dem ewigen Grind unter den Fingernägeln, die ernst, fromm und streng eingefügt leben in die Rhythmen der ewigen Wiederkehr der Jahreszeiten, von Aussaat und Ernte, und mit dem eigenen Land, Wingert und Erbe der Macht der Überlieferung huldigen.

Die Revolutionen sind die epileptischen Anfälle und Krämpfe des Molochs Stadt.

Wer dem Fortschritt, ob zur egalitären Demokratie oder zum Thermitenstaat des Kommunismus, beide sind ja in ihrer Art totalitär, rein aufgrund seines provinziellen Gebarens im Tun und Reden auch nur den Schatten eines Widerspruchs entgegenhält, wird bald vom gnadenlosen Strahl der höheren moralischen Wahrheit ihrer herrschenden Eliten ausgetilgt.

Wie Hegel der Kunst nur die befremdlich-museale Schönheit abgeworfener Schlangenhäute zubilligte, während der Weltgeist schon innerlichere Gemächer zur Behausung aufgesucht habe, verwirft der Fortschrittler die plumpen, ranzigen und etwas ungut riechenden alten Kulturen, ihre rätselhaften Sitten, ihre abergläubischen Frömmigkeitskulte, Litaneien und Wallfahrten, ganz zu schweigen von ihrem Gallimathias an unverständlicher Rede.

Ihre gesinnungsethisch reingewaschenen Pädagogen wittern den geringsten Rest von Dung und provinzieller Schlacke, der dir am Fuß, und sei es am Versfuß, kleben mag.

Der provinzielle Dung und der unaustilgbare Schmutz des Lebens sind der Einspruch wider den moralischen Purismus der Aufklärung und die Sozialhygiene der technisch verwalteten und überwachten modernen Welt.

Der Argot, die Zigeuner- und Gaunersprache machen dem Dichter noch ein wenig Hoffnung.

Die rhetorischen Nebel eines unfruchtbaren grauen Lifestyle-Jargons senkten sich über den dichterischen Geist, er atmete noch, doch vernahm man nur mehr ein rhythmisches Röcheln.

Die Karikatur und Parodie des religiösen Heilsgedankens in den messianischen Prophetien einer revolutionär erhitzten pubertären Jugend.

Sprache dient nicht nur und nicht einmal hauptsächlich der Verständigung. Du nimmst ein Wörterbuch zur Hand, um dich im fremden Land verständlich zu machen und was geredet wird zu verstehen; das Wörterbuch dient dir zur Verständigung, aber es ist mehr als ein Instrument der Kommunikation, nämlich eine Repräsentation einer beliebig großen Anzahl von Wörtern der fremden und der eigenen Sprache. Ähnlich der topographischen Karte, anhand derer du einen Weg zu einem bestimmten Ziel zurücklegen kannst: Sie ist mehr als ein Instrument der Orientierung, nämlich die projektive Abbildung einer Gegend mit ihren Straßen und Wegen, Orten und Sehenswürdigkeiten, Wäldern und Flüssen mittels ikonischer und symbolischer Kennzeichnungen.

Wir geben mit Äußerungen wie dem Schmerzensausruf und der Klage, der Freude und des Behagens unserem Befinden Ausdruck, wir nehmen mittels performativer Sprechakte wie der Aufforderung, der Frage, des Hinweises gezielt und zweckgerichtet Einfluß auf den Willen und die Willensbildung unserer Gesprächspartner; das ist angesichts unserer biologischen Konstitution und unserer sozialen Einbettung nicht weiter verwunderlich. Doch daß wir etwas verlautbaren, sagen und aufschreiben, was bedeutsam und sinnreich anmutet, aber unmittelbar keinem Zwecke dient und keine Absicht verfolgt wie einen Erinnerungs- oder Traumbericht, eine Anekdote, eine Fabel, ein Gedicht, dies ist das eigentliche Wunder der menschlichen Sprache.

Sine ira et studio, sagt Sallust, und er meint eben dies: historische Objektivität des Berichts und eine möglichst genaue und ausgewogene Geschichtserzählung.

Das Gedicht ist wie jeder literarisch-fiktionale Text kein Mittel der Verständigung, sondern ein Spiel mit Worten.

Manchmal gleicht es der einsam gelegten Patience, manchmal dem munteren Ballspiel der Kinder, bei denen es keine Gewinner und Verlierer gibt, aber Kombinationsgabe, wacher Sinn für Anspielungen und Andeutungen sowie Freude an der Eleganz und Anmut der Bewegungen gefordert und gern gesehen sind.

Der Geist des Spiels weht bereits als kleine Brise oder duftiger Hauch in die Täler unserer gewöhnlichen Unterhaltung, wenn wir sie durch einen Witz, ein Bonmot, eine Anekdote würzen oder durch eine Erinnerung, eine kleine Geschichte, eine Fabel erhellen.

Die Sprache ist nicht die ancilla rationis, die Dienstmagd der Vernunft.

Die Vernunft ist nur ein Zweig am großen Baum des Lebens, und wenn er Blüten treibt, werden sie von Wurzeln genährt, an die sie nicht heranreicht.

Das Leben hat wohl Ursachen, die uns Biologie und Genetik vor Augen führen, aber es muß sich nicht durch Gründe rechtfertigen wie Hypothesen, die nach der Rechtfertigung ihrer Plausibilität und Wahrscheinlichkeit verlangen.

Sprache ist wie ein pflanzlicher Organismus eigenen Gepräges, der je nach dem fruchtbaren Boden, dem er entwächst, sehr verschiedene, immer aber einzigartige Blüten und Früchte hervorbringt.

Wir können die Wörter einer fremden Sprache mit denen unserer Muttersprache übersetzen, aber nicht die grammatische Struktur, an der sie hängen wie Früchte an rätselhaft verschlungenen Ranken.

Die vermessene Dummheit, an den Formen der grammatischen Struktur einer Sprache herumzulaborieren, gleicht jener, die sich an der Erbsubstanz zu schaffen macht.

Die ins Unbewußte des organischen menschlichen Lebens eingesenkte Sprache ist seine kulturelle Erbsubstanz.

Der von rationalen und moralischen Absichten geleitete Eingriff in die sprachliche Erbsubstanz erzeugt Monster und Chimären.

Der echte Dichter kann nur seiner eigenen Sprache dienen, keinem Globalesisch oder einem gesinnungsethisch gereinigten Esperanto.

Der echte Dichter inspiriert sich an den großen Dichtungen zumindest der alten europäischen Völker, und doch muß er, um die eigene Stimme zu finden, ein sprachlicher Nationalist und Liebhaber seines mütterlichen Idioms sein oder er bleibt ein hohles Windei.

Das Geschwätz der Parlamente vermag nur Einfaltspinsel oder das Projekt der Moderne feiernde Philosophen darüber zu täuschen, daß es von Sprechpuppen im eigenen Interesse geführt wird, das mittels hochtrabender Phrasen von Menschenrechten und Zukunftsvisionen geschickt als Allgemeinwohl getarnt und verkauft wird.

Das tumultuarische, verräucherte Palaver der Stammkneipenrunde, die diskrete Unterredung der Attachés und Diplomaten, das Gemauschel der Teppich- und Diamantenhändler, die Besprechung zwischen Richter und Staatsanwalt, das heimliche Geflüster der Liebenden und tausend andere Dialogsituationen zeigen: Es gibt kein allgemeines, einheitliches oder allein verbindliches Schema und Ethos des Diskurses und Gesprächs; jeder Dialog hat sein eigenes Lokalkolorit, seinen eigenen psychosozialen Hintergrund, sein eigentümliches Idiom.

Es gibt keinen rationalen Dialog zwischen Habermas und seinen Opponenten wie Lyotard, Foucault und Deleuze, die ja die Idealität des herrschaftsfreien Diskurses in Frage stellen.

Welches Grauen oder welche Lachanfälle überkommen einen angesichts von pseudomephistophelischen Visagen oder verlogenen Frömmigkeitsmasken solcher, die sich rühmen, sich selbst verwirklicht zu haben.

Normen wie die des Ausgleichs, der Vergeltung, der Wiedergutmachung oder der Ahndung des Unrechts hat nicht Vernunft in steinerne Tafeln gemeißelt, sondern entspringen der Verletzlichkeit der Lebenssubstanz. Vernunft kann sie nicht begründen, sondern nur praktikable Folgen und angemessene Mittel ableiten, die der Durchsetzung von Normen dienen, wie Arten der Vergeltung oder der Bestrafung.

Nur der einzelne Täter trägt seine individuelle Schuld, freilich im Mythos und bei den Deutschen auch die Eltern, die ihn zeugten, oder seine Nachbarn, ja seine ganze Sippe, auch wenn sie der Tat nicht einmal beiwohnten.

Aus deiner Verpflichtung, mir das geliehene Geld zurückzuerstatten, folgt mein Recht, es einzufordern, solltest du den ausbedungenen Rückgabetermin verstreichen lassen. – Aus der Pflicht folgt das Recht, nicht umgekehrt.

Je mehr Rechte man der von archaischen Impulsen getriebenen und von Aufrührern leicht entzündbaren Masse einräumt, umso mehr verwildert der amtlich gepflegte öffentliche Garten der Pflichten.

Die moderne Demokratie hat keinen singulären Anspruch auf Rechtsstaatlichkeit, auch die Sklavenhaltergesellschaft der Römer, das imperiale England und das über Pickelhauben thronende Preußen waren Rechtsstaaten.

Gut, ich bin immer noch verpflichtet, dem Nachbarn, der mir Geld geliehen hat, die Summe wie ausbedungen zu erstatten; nicht aber, nachdem er mich als arbeitsscheuen Parasiten bei Krethi und Plethi und meinen Freunden verleumdet hat, ihm mit Hochachtung zu begegnen; habe ich meine Schuldigkeit getan, besteht meine Form der Anteilnahme an seinem Schicksal darin, ihn zu ignorieren.

Die angeblich allgemeine Norm, die mich dazu verpflichtet, Hinz und Kunz in gleicher Weise wie meinen Freund und Wohltäter zu achten, haben lebensfremde Theologen oder doktrinäre Gesinnungsethiker wie Kant und Habermas ausgebrütet.

Gott bewahre uns vor dem Weltethos eines Hans Küng oder Jürgen Habermas, denn es ist die alle Lebensfrische und schöpferische Lust erstickende Gärung über der kulturellen Einebnung der lokalen und nationalen Kulturen. Ach nein, es ist nur der süßliche Fäulnishauch über der Verrottung der eigenen nationalen Kultur.

Die Athener hatten ihren Ostrakismos, der die Verbannung des Verurteilten nach sich zog; unser Scherbengericht besteht in der Ächtung der Person und ihren Ausschluß aus der medialen Öffentlichkeit. – Dem Scherbengericht freilich, das Jürgen Habermas über Ernst Nolte einberief, folgte allerdings nicht nur seine Ächtung und sein Ausschluß aus der Öffentlichkeit, sondern auch sein Exil.

Wer dem hohen Ethos der Eliten nicht willfahrt, wird zunächst zur Persona non grata abgestempelt, dann für einen Geisteskranken erklärt, mit dem ein vernünftiges Gespräch zu führen ganz unmöglich sei.

Hegel und Marx: die Paten; Lenin, Mussolini, Hitler, die Enkel und Erben.

Die zugleich absurde und faszinierende Idee: Das Ich, der Geist, die Menschheit durchlebe und durchleide das Drama der Entäußerung und Entfremdung bis zum höchsten Grade des Selbstverlustes, der die Peripetie, den Umschwung der Wiederaneignung in der absoluten Selbsterkenntnis oder der befreienden Tat der Avantgarde einleitet. Die Avantgarde und ihre Schergen können dann, vom Weltgeist oder dem Gesetz der Geschichte autorisiert, getrost darangehen, den leider noch verbliebenen Rest an Äußerlichkeit und Fremdheit, der den reinen Selbstgenuß verdirbt und verhindert, den Bourgeois, den Kulaken, den Juden auszumerzen.

 

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