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Grünspan und Katzengold

29.05.2017

Sentenzen für leichtfüßige Schwermütige

Die wesentlichen Ingredienzen der Schicksalssuppe, die Menschen auszulöffeln haben, sind die Rasse und das Geschlecht.

Das Genie ist wie ein drittes Auge angeboren.

Unter ihrer Dummheit leiden sie nicht, sonst wäre die Welt ein einziges Lazarett.

Die Welt auf Tod und Teufel ändern wollen, die sich als Mißgeburt wahrnehmen.

Weltfrieden, zu dem die Toren pilgern wollen, ließe sanft sich nieder, verweilte nur jeder am Ort seiner Geburt.

Das Mißverständnis ist der Schatten zwischen den Geschlechtern, denen kein Licht der Nachkommenschaft leuchtet.

Die Frau findet im Kind oder im kindlichen Spiele die Erfüllung, die der Mann ihr nur vorgaukelt.

Frauen ohne Kinder, Frauen ohne Spiel – neurasthenische Mücken unter der Neonlampe des Großraumbüros.

Die meisten leben, Gott sei Dank, im Halbschlaf der Konvention.

Die erwachen, flüchten in den Wahn oder die Kunst.

Die Kunst ist ein disziplinierter Wahn, der die Wahrheit im konvexen oder konkaven Spiegel zeigt, wie „Lear“ in den Delirien eines Wahnsinnigen gipfelt, der weiß, daß er die wahre Königswürde besitzt.

Stumpfsinn faßt die antike Lehre vom Vorbild der Natur als Maßgabe, die natürlichen Dinge im Spiegel der Kunst zu äffen. Die Kunstwerke sollen vielmehr so sein wie die natürlichen: hart, glänzend, griffig wie ein Stein, farbig, graziös, duftend wie eine Blüte, primitiv, äugend, sich bäumend wie ein Tier.

Siamesische Zwillinge empfinden wir als natürliche Monstra: so auch Kunstwerke, die sich in zwei verwachsenen Leibern einen Blutkreislauf teilen.

Wenn sich das Christentum in dieser süßlichen Bonbonniere mit der rosaroten Schleife der Aufschrift „Alle Menschen werden Brüder“, durch deren Genuß einem in kürze die Zähne ausfallen, in seiner tiefsten Wahrheit entpuppt haben sollte, dann mögen sie nur kommen und die Kreuze gegen Halbmonde austauschen.

Der Dichter schöpft aus dem Zwielicht-Brunnen die glänzendsten Wahrheiten.

Der nachtwandelnde Dichter, vom Applaus oder den Schmährufen der Kritik erschreckt, erwacht und stürzt in den Abgrund des Geschwätzes.

Das grelle Licht des Bewußtseins verscheucht die Dichtung, das scheue Wild, das im Dämmerlichte grast.

Die Epoche der Aufklärung konnte bei ihrem flachen Resonanzraum keine großen Klänge und Gesänge hervorbringen.

Der kritische Geist nagt an Abfällen vom Tisch der Götter und Göttersöhne.

Nation ist der Boden, den die Augen ihrer großer Dichtung gesegnet und ihre Tränen benetzt haben.

Heimat ist das Hoheitsgebiet des Volkes, das seinen Boden mit eigenem Blut und Schweiß gedüngt und seine Früchte und Trauben zur Feier des eigenen Daseins gepflückt hat.

Die humanitäre Phrase ist der Knebel im Mund der großen Natur.

Künstler, die sich vom Uringestank der medialen Jauche inspirieren lassen.

Der Dichter, der sich selbst kommentiert, ist der Parasit seiner Werke.

Zersetzer der Sprache schänden die Mutter, Verletzer der Grenze entehren den Vater.

Dichter, die Verse zu außerpoetischen Zwecken wie politischen und moralischen verbiegen, sind wie Mütter, die ihrem Nachwuchs die Milch verweigern und durch ein Surrogat ersetzen.

Gedichte sind Pfade, die sich durch Gärten und Auen schlängeln, Pässe auf verschneiten Höhen, Ströme, die sich in vielen Armen im Meer verlieren.

Philosophische Sätze sind Ausblicke aus hochgelegenen Fenstern.

Reden von Pfaffen und Politikern sind gemütliche Verliese.

Demokratien haben ihren eigenen Tyrannen: die öffentliche Meinung.

Geld ist das abstrakte Schlachtvieh des Lebens, das sich durch Inzucht selbst verzehrt.

Schwermut ist die Krankheit der edlen Seele, die einmal Duft aus dem Garten Eden geatmet.

Das Vaterland ist manchmal nur durch einen Krieg zu reinigen.

Wie wunderbar ist die vom Gewitter gereinigte Luft!

Verse, die aufbrechen wie die Knospe des Morgens.

Verse, die wie ein großer Strom sich im Delta verzweigen.

Verse, schwingend wie der Blütenzweig im Wind.

Verse, deren Reime dumpf wie Früchte des Herbstes aufschlagen.

Verse, die sich tierhaft unter den Zugwind der Hinterhöfe ducken.

Flocken, jäh aufgewirbelt vom Fahrtwind, verschollene Rufe.

Ist es ein blühender Zweig, ist es eine zarte Hand, was im Dämmer der Ferne so inständig winkt?

Verse, die im Asphalt glitzern wie Katzengold.

Die leisen Erschütterungen einer zarten Seele gewahren, die sich im Zittern des Blumenwassers schimmernder Verse spiegeln.

Was vom edlen Stein weggehauen wurde, damit sein kristallenes Auge glänze, war kostbar auch.

Die nichts opfern an eigener Substanz, sind Gefangene des zufälligen Stoffs und Götzendiener der groben Masse.

Mit dem Schein zu spielen ist eine Konvention, gleich der Ironie, die eine Übereinkunft darüber voraussetzt, was wir für wahr und gültig ansehen.

Dichter, die ironisch werden, um den Schein des Gedichts zu durchbrechen, stürzen leicht auf den platten Boden der Moral.

Wer sagt, Gedichte seien aus Worten gemacht, hat vergessen zu sagen, wer die Worte gemacht hat.

Die dichterischen Worte aber sind nicht gemacht, sie entstammen der Parthenogenese der Sprache.

Verse, die wie Grünspan auf geborstenen Mauern schillern.

Verse, die wie Blasen aus dem Mund eines Ertrinkenden in einem Tümpel aufsteigen.

Als würde über dem Fleck verschütteten Weins auf dem Boden des verlassenen leeren Zimmers noch ein Duft schweben.

Wenn Schatten windgepeitschter Zweige stumm über die strömende Fensterscheibe streichen.

Verse, die aus den eingravierten Namen auf Grabsteinen zusammenfließen.

Verse, die wie das abendstille Leuchten des Wassers aus dem Geheimnis quellen.

Verse, die den Mund wie eine Knospe schließen.

Verse, überströmend von Schale zu Schale, von Einsamkeit zu Einsamkeit.

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