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Paradoxien der Abwesenheit

27.04.2013

Wie seltsam-befremdlich ist dies:
Du kramst in deinem Gedächtnis
und findest die Stelle nicht,
an der du gestern um diese Zeit
hier gewesen wärest –
woran erinnerst du dich,
woran denkst du, wenn du denkst:
„Nein, ich war nicht hier?“

Als wärest du mit hellen Fingern
einmal über eine feine Naht gefahren –
und plötzlich spürst du sie nicht mehr,
alles ist eben und glatt.

Wenn du nicht hier warst,
bist du woanders gewesen,
bist vorher abgebogen.
So verzweigt sich das Dasein
in zahllose An- und Abwesenheiten –
ein Baum, der seine essbaren Früchte
ins Sichtbare reckt,
seine ungenießbaren Früchte
ins Unsichtbare.

Wie du ein Los aus der Schale klaubst,
schlürfst du dies Wort: „abwesendes Glück“
aus der überschwappenden Schale der Sprache.
Und es mundet dir wohl wie reine Beglückung.

Solange du den Weg ausmisst
zwischen dem Dunkel deines Noch-Nicht
und dem Aber-Dunkel deines Nicht-Mehr,
haftet Gewesenes dir an
wie Erdkrumen der Sohle.

Deine Abwesenheit auf Wegen der Unzeit,
die du nicht gehst, durchschneidet
die Zeit deiner Anwesenheit auf Wegen,
die du mit der flackernden Kerze
des Bewusstseins gehst,
als würde ein winziges Totsein
die Fuge zwischen den Atemzügen
des vollen Selbstgefühls bilden.

Ähnlich der Bilderfolge
des Daumenkinos: Die Löcher
der Wahrnehmung sind gefüllt.

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