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Sightseeing in Babylon

26.05.2017

oder zwölf Gründe, die demokratische Lebensform zu verabscheuen

1. Die demokratische Bewegung hebt mit dem Vorhaben an, die Vorrechte und Privilegien der gehobenen Stände, des Adels und des Hofes abzuschaffen; sie kulminiert in ihrer letzten Konsequenz, das Vorrecht und Privileg des vornehmen Menschen, eine über die Masse herausragende Individualität zu sein, und das Vorrecht und Privileg des künstlerischen Menschen, eine über den vulgären Massengeschmack herausragende Begabung zu sein, zu verpönen, zu diskreditieren und schließlich zu sanktionieren. Deshalb spült die demokratische Bewegung alle Dämme des rituellen und zeremoniellen Verhaltens hinweg, und dahinter schwillt die Kloake der großen Gier und des zügellosen Lebensverzehrs: das Prinzip, das alle mit gleicher Elle mißt.

2. Das künstlerische Genie gedeiht auf dem Boden oft jahrhundertelanger Überlieferungen des verfeinerten Geschmacks und des sublimen Ausdrucks in elitären Kreisen wie den höfischen oder klerikalen Gemeinschaften, wo es wie die seltene Blüte unvorhersehbarer Kreuzungen in das allgemeine Erstaunen aufleuchtet. Da die emanzipierte Masse nicht nur den Traditionen abschwört, um sich im verantwortungs- und resonanzlosen Tümpel der Gegenwart zu suhlen, sondern auch das Genie um den Kopf, mit dem es sie überragt, kleiner macht – durch die Guillotine auf der Place de la Révolution oder durch die Guillotine der Ehrabschneidung und sozialen Ächtung –, ist das mediale Gesicht der Demokratie diese hässliche Fratze eines teigigen Allerweltsgesichts und ausdruckslosen Hanswursts.

3. Die demokratische Masse legt sich mit Hinz und Kunz ins Bett – dies promiskuitive Gebaren ist es, was sie als Toleranz verklärt. Die kühle Aura der wesentlichen Einsamkeit des großen Menschen löscht sie wie alle Aureole des Heiligen und Erhabenen mit der ätzenden Lauge distinktionsloser Umarmungen, die sie als Gleichheit und Brüderlichkeit verklärt. Nur aus der gleichsam übermenschlichen Höhe und beinahe unmenschlichen Härte und Distanz geschehen das Aufscheinen und der Anblick der Lebensfülle, des Vollkommenen, der Schönheit. Wo aber das Häßliche dem Schönen gleich gilt, das Vollkommene dem Nichtswürdigen, die Weissagung dem Geschwätz, haben Dummheit, Häßlichkeit, Niedertracht, die Götzen der Mehrheit und der Vielen, schon obsiegt. So waren und sind die Egalitären auf Raub aus, aufs Requirieren und Säkularisieren, und Bruder nennen sie, der sich in ihre schmutzigen Geheimnisse einweihen läßt und vor ihren fetten Götzen kehrt.

4. Die demokratische Masse ist die vater- und vaterlandslose Horde grölender und brandschatzender Spießgesellen, die im Dichter als Gesetzgeber der Sprache des Vaterlands die patriarchalische Autorität haßt, lächerlich macht, in die Jauche des satirischen Geheuls hinabstößt.

5. Die demokratische Lebensweise ist mit den Dämonen des Geldes und der Technik im Bunde, globalen Maschinen, die um der wahnhaften Vermehrung von Waren, Gütern und Märkten willen das Gesicht der Mutter Erde plattwalzen und die Physiognomien aller Rassen, Völker, Ethnien in die Stanze eines trüben, leeren, grauen Einheitslächelns preßt.

6. Hitler war eine Mißgeburt der Weimarer Republik. Der demokratischen Lebensform wohnt der Drang inne, sich aus Selbstekel, Überdruß und Langeweile der Peitsche eines Tyrannen zu unterwerfen, der ihr Gesicht hat, eben das eines ausdruckslosen Hanswursts.

7. Die Demokratie vermengt Staat und Gesellschaft, staatliche Institutionen und die Kulturen der Gemeinschaft, die infolgedessen mehr und mehr ihr Lokalkolorit und ihre Dialekte des Sagens und Tuns zugunsten einer staatlich-medial regulierten uniformen Allerweltsrede und fügsamen Esperanto-Geste einbüßen – ein Grau-in-Grau, das sie heuchlerisch als Regenbogen der Diversität verklärt und das sich ironischerweise tatsächlich ergibt, wenn man stumpfsinnig und wahllos alle Farben in einer Brühe vermanscht und vermengt.

8. Die demokratische Erziehung ist Einübung in Argwohn und Selbstverachtung, Argwohn gegen die eigentümliche Artung gehobenen Lebens und Verachtung aller inneren Regungen, die Bilder der Schönheit der eigenen Sprache und Kultur beschwören – sie mündet in knechtischer Gesinnung und der servilen Hinnahme all der Herabwürdigungen und Verhäßlichungen des Daseins im Lärm und babylonischen Tohuwabohu der großen Städte.

9. Nichts ist der demokratischen Masse verhaßter als die Stille, die unter den anmutigen Bögen großer Musik atmet oder sich über die Meditationen der Weisheitslehrer wie Abendrot ergießt. Innerlich erstorben oder verfault wie ein quallendumpfes Wasser giert sie nach den Blitzen immer neuer seelischer Erregungen und Entladungen und den Blutspritzern auf den Bildschirmen und Leinwänden ihrer obszönen Zerstreuungen.

10. Der Begierde der demokratischen Masse ist unfruchtbar, sie will nicht zeugen, was Zukunft verspricht, sondern beschleunigen, was im Gefängnishof ihrer Gegenwart im Kreise läuft. Deshalb ist ihr sexuelles Ideal nicht das fruchtbare Paar von Mann und Frau, sondern der zeugungsunfähige Hermaphrodit, der das Begehren ein für allemal vom göttlichen Zweck der Befruchtung abschneidet und in trostloser Selbstbefriedigung in die Leere verfließen läßt.

11. Die demokratische Masse verabscheut Herkunft und Abstammung, die Pigmente des landschaftlichen Lichts auf der Haut der Seele, den Zungenschlag, der sich von den Dünsten und Früchten der Erde und des Waldes nährt, die charakteristischen Farben, Düfte und Klänge der Blumen, der Vögel, des Wassers, die elementare Heimat der Dichtung, kurz das Mysterium des Blutes oder der Gene – deshalb ist ihre Rede aus blutlosen Phrasen gedroschen, die sich wie der nomadische Wind in die abstrakte Nacht des Allgemeinen dehnen – allgemeine Bürgerrechte, allgemeine Menschenrechte, universale Toleranz sind solch wohlklingende Phrasen, doch Marionetten ohne Bein und Fleisch, verkündet und exerziert, um dem hörigen Volk das eigene Fleisch aus den Rippen zu schneiden.

12. Die häßliche Fratze der demokratischen Gesinnung versteckt sich hinter der verführerischen Phrasen-Larve von der Freiheit: Doch ein anderes ist die Entscheidungsmacht und Willensbekundung des souveränen Menschen aus der lichten Höhe des freien Geistes, etwas anderes der dämonische Drang der Tiefe nach Entfesselung und Selbstverwirklichung seiner kleinen Lüstchen und großen Perversionen. Das erste führt große fruchtbare Ordnungen und Hierarchien des sozialen und geistigen Lebens herauf, das zweite, wonach die Masse drängt: die Auflösung alles Distinkten, Würdigen, Sublimen in der Nacht urtümlicher Verwirrung.

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