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Wo das Fragen mündet

07.03.2023

Philosophische Sentenzen und Aphorismen

Sie können mit immer effizienteren Motoren sich immer schneller fortbewegen – doch wohin die Reise geht, wissen sie nicht.

Was für ein erbärmliches Volk, das jene Frauen kürt und feiert, die sich öffentlich brüsten, die Leibesfrucht getötet zu haben (die anderen verdienen keine Erwähnung).

Alle sagen, was alle sagen, alle denken, was alle denken. – Wer etwas anderes sagt und denkt, fühlt sich gleich unbehaglich.

Wer etwas verlautbart, ohne Partei zu ergreifen, gilt für verdächtig.

Sine ira et studio, die Devise der abendländischen Historiographie: Schall und Rauch.

Ähnlich wie die Kontinentalplatten zu Rissen und Brüchen, Verwerfungen und Erschütterungen zwischen Landmassen und Regionen führen, ist es mit der von den Unterweltsströmen der Geschichte hin- und hergetriebenen Tektonik der Kulturen.

Das Bemühen um historische Gerechtigkeit bei der Beschreibung vergangener Ereignisse beginnt mit der Aufzeichnung des Konfliktes zwischen Okzident und Orient in den Perserkriegen.

Die polemische Spannung zwischen hellenischer Freiheit und persischer Tyrannei, selbstherrlicher Gesinnung und hündischer Proskynese in der ersten uns erhaltenen Tragödie, den „Persern“ des Aischylos.

Die Schlacht bei Actium markiert die einschneidende Zäsur zwischen dem Imperium Romanum und dem Orient (aus den Persern werden die Parther, später die von asiatischen Nomaden vor sich hergetriebenen Goten).

Kleopatra als Femme fatale, Kokotte, Megäre und Mänade im Zerrspiegel der römischen Kriegspropaganda, von den Platitüden der Gasse bis zu den Gipfeln eines Horaz; die Ausschweifungen am ägyptischen Hof als Orgien unter bacchantischer Begleitung eines Chors von Kastraten.

Unter Perikles wurden die größten Künstler gefördert, unter Augustus die größten Dichter; unter Hitler und Stalin fast nur Ausschußware. – Unter dem Meinungsregime von Habermas und Konsorten sah sich einer der größten Gelehrten der Historikerzunft zur Emigration gezwungen.

Wie grandios die Rasse dichtet, sieht man an der Poesie der Négritude.

Will man den Stier zum friedlichen Kommunarden der Kuhherde machen, muß man ihn kastrieren.

Der Faszinierte kann recht dämlich dreinschauen.

Sagen wir, Testosteron sei das chemische Gemisch, das in Gewalttaten und Kriegen explodiert, wäre die Kastration des Mannes der Königsweg zu einer effeminierten und pazifizierten Weltkultur.

Von den üppigen Brüsten der Frau Welt ist einer nur so lange fasziniert, bis er das wurmzerfressene Hinterteil erblickt hat.

Wem aus den unendlichen Abgründen des Universums kein gütiger Blick mehr den seinen spiegelt, wäre erleichtert, träfe ihn wenigstens der böse eines Ungeheuers, wie es sich die Manichäer erträumten.

Wer den liebenden Blick der Frau sich verdunkeln sieht, was gewahrt er anderes als jene leeren kosmischen Tiefen?

Eine Art surreale Bombe explodiert, und am Ende bilden sich Sterne und Galaxien aus dem stofflosen Abgrund.

An die eigene Existenz kann man sich nicht gewöhnen wie an einen neuen Wohnort, andere Sitten oder sich in einer fremden Sprache auszudrücken, ja in ihr zu träumen.

Die Idee der Heiligkeit und Reinheit und die Idee der genozidalen Vernichtung alles Unreinen koinzidieren im Gott des Alten Testaments.

Das eine ist ohne das andere nicht zu haben, wie die schöpferische Potenz des männlichen Geschlechts nicht ohne seine destruktive.

Mit der Möglichkeit der Wahrheit, Luzidität und Redlichkeit kommt die Möglichkeit der Unwahrheit, Verwirrung und Verlogenheit zur Welt der Sprache.

Der treue Hund – doch weil er nicht lügen kann, vermag er auch nicht aufrichtig zu sein.

Im letzten trügt der Anschein nicht. – Jener scheue Schweiger und schamhafte Stotterer war der Verfasser des größten Epos der Römer.

Den Namenlosen krönt der Ruhm der Selbstüberwindung.

Nach dem genialischen Anfall, der ihn rätselhafte Ranken und panische Striche kritzeln und überkritzeln ließ, überkommt den Künstler der frostiger Schauer der Ernüchterung und er tilgt sie wieder aus.

Die Stille einzig ist wahr; waren alle nervösen Versuche, die Tür ihres Hauses zu öffnen, vergeblich, dem ohnmächtig auf die Schwelle Herabgesunkenen, dem Hoffnungslosen, tut sie sich mit einemmale von selbst auf. – Doch es ist zu spät, er hat die Kraft nicht mehr, sich zu erheben und die Schwelle zu übertreten.

Er hatte all sein Kraft bei den vergeblichen Versuchen, die Tür des Hauses der Stille durch Anwendung immer ausgefeilterer Techniken, am Ende mittels roher Gewalt zu öffnen, verbraucht; ohnmächtig auf die Schwelle herabgesunken vermochte er sich nicht mehr zu erheben, als sich die Tür mit einemmale von selbst auftat.

Besser der Horror des Kreuzes als der Kitsch des Lamms.

Er hatte so tief gegraben, bis der Spaten am nackten Felsen zersprang.

Wo das Fragen mündet: der stille Ozean.

Der Felsen, an dem der fliegende Holländer zerschellt, ragt vor den Inseln der Seligen.

Ein Gespenst, das über das Geröllfeld und Brachland der Sprache schleicht.

Die Sätze – schattige Zweige voller Stacheln, und die sie vor dem raschen Zugriff bewahren, die schwarzen Beeren des Sinns.

Die nach Seife riecht, Deodorant oder Chlor, die aseptische Sprache der Medien.

Im fruchtbaren Humus wimmeln die Würmer.

Der kastrierte Mann und die sterile Frau, das ideale Paar des Modern Life.

Im Nebel zu stochern vertieft nicht die Sicht; man muß geduldig warten, bis er sich im Strahl der Morgensonne auflöst.

Das Haus des Dichters: Jedes Zimmer, jeder Raum hatte seinen Duft, der Keller roch nach Wein, Holz. Kohlenstaub und Kartoffeln, der düstere Korridor nach der immer brennenden Honigkerze vor dem Marienbild, in der guten Stube mischten sich Gewürze, Rosenduft und herber Rauch des Ofens, durch die Mansarde wehte der Duft frischer Wäsche.

Die Seele ist kein Geist in der Flasche, den der Traum oder das Gedicht herausschlüpfen ließe, und seine gasförmige Essenz nähme schattenhaft und ephemer Gestalt an; sie ist plötzlich präsent in einem Lächeln, einer Geste, einem Wort, und sie ist noch da, wenn das Lächeln erstirbt, die Hand herabsinkt, das Wort verhallt.

Sie wollen alle bewundert werden, der Krieger im blinkenden Helm, der Priester mit den hohlen Wangen, der Malerfürst mit dem rubinroten Ring, der Mann für sein Bescheidwissen, die Frau für die wohlgeformte Taille, der Gourmet für sein rosiges Lächeln, der Asket für seine schrumpelige Haut.

Der Dichter will bewundert werden für seine Kühnheit, auf dem dünnen Hochseil sprachlicher Akrobatik das Gleichgewicht zu halten; er giert nach dem Applaus, der ihm aus dem schwarzen Orkus der Manege entgegenschwillt, wenn er, die Balancierstange der Grammatik von sich werfend, den Salto mortale einer grotesken Metapher vollführt.

Vor aller Augen von der räudigen Meute gehetzt oder zerfleischt zu werden gilt ihnen immer noch für erstrebenswerter als unbeachtet am Rand des Marktplatzes zu stehen, verborgen hinter der Maske des Herrn Jedermann.

Ich bin da, sagt der erste Vers, ich sterbe nicht ganz, der letzte.

Der Angstkitsch des Glaubens, der dem Schatten der Seele ein Bleiberecht im Jenseits abzwingen will.

Was sich vor aller Augen vollzieht, Fäulnis und Untergang der Kirche, lehrt den Verzicht auf den amtlich garantierten sakramentalen Trost.

Die feste Nahrung wird chemisch zersetzt und verdaut, nur so kann sie assimiliert werden. – Das Gesehene, Gehörte, Erlebte wird gedanklich zersetzt und verdaut, nur so kann es assimiliert werden.

Lohnschreiber und Journalisten oder Journalisten-Schriftsteller, die Unverdautes wieder erbrechen, und denen man es dankbar abnimmt, so gestaltlos und ungestalt es immer sein mag.

Nur feste Nahrung, nur wohlgeformte Sätze und Dichtungen können wir verdauen.

Die Kränkung verwinden ist das Ziel. – Die erste Kränkung: die Geburt und die kalte Dusche eines fremden, grellen Lichts.

Die Verwindung oder das Einrollen imaginärer Möglichkeiten. – Das kleine Kind sagt: „Hol mir den Mond vom Himmel“, denn er scheint ihm nahe wie ein Lampion.

Die Illusionen erotischer Allmacht oder die Kränkungen der Liebe.

Der in eine Sackgasse gefahren ist, kann nicht mehr wenden; er muß aussteigen und den Weg zu Fuß zurücklegen.

Die Kränkung des Erstgeborenen durch das Geschwister. – Vom Thron der Alleinherrschaft magischen Denkens steigen wir hinab in die Ebene alltäglicher Flickschusterei.

Die Kränkung verwinden, daß sich die Sonne des Daseins nicht um den kleinen Spielball der eigenen Existenz dreht.

Die Kränkung verwinden, daß es auf die immer wieder aufbrandende Welle der Fragen keine Antwort gibt; zu erkennen, daß sie das Gravitationsfeld eines fremden Körpers, des Mondes der Einbildungskraft, aufrührt und wieder versinken läßt.

Die Kränkung durch den Tod der Geliebten läßt sich nicht durch Geisterbeschwörungen verwinden.

Aus dem Nebel bilden sich Tropfen, sie fallen zur Erde, versinken; wir hoffen, daß sie Wurzeln nähren, Blumen knospen lassen oder Quellen speisen für den Durst der Kreatur und nicht augenblicks unter einem gnadenlosen Strahl verdunsten. – Wir können es hoffen, aber nicht wissen, auch nicht von den Tropfen, die sich aus dem Nebel unserer eigenen Existenz bilden.

 

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