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Die verlassene Braut

09.12.2022

In Zwiedunst ist sie hingesunken,
die goldne Sonnenaprikose,
die schon vom Tau des Traums getrunken,
die Dämmerfäden wirren lose.

Und aus dem blauen Abgrund steigen,
dem Flackern gleich von Rätselchiffern,
Gestirne, kalt wie Gottes Schweigen,
nicht einer ist, sie zu entziffern.

Du hast den öden Pfad verlassen,
und bist gen Süden aufgebrochen,
ich muß im Ried wie Monde blassen
und wähnte Sonnen mich versprochen.

Wenn aber in der Morgenstunde
durchs Fenster zarte Stimmen fließen,
blüht auf sie mir, die dumme Wunde,
ich fleh um Nacht, sie zu verschließen.

Und hör ich nachts in seinem Bauer
den Sittich an das Gitter prallen,
lieg starr ich an der Schlaflos-Mauer,
wie einer Fremden klingt mein Lallen.

Und träume ich, dann von den Gärten,
wo zwischen duftenden Narzissen
ins Gras sich betten die Gefährten,
zu süßem Sang und ach zu Küssen.

Seufzt auf, wo du mir sprachst, der Weiher,
zerrinnt das Witwentuch, der Schnee,
und unterm Strahle schmilzt der Schleier.
Ergrüne, Pfad, auf daß ich geh!

 

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