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Legende von der armen Magd

28.11.2023

O Dichter, schließ ins Herz sie ein,
die auf der sanften Schulter trug,
den sie dir aufgefüllt, den Krug,
mit einem Wasser demutrein.

Sie war nur eine arme Magd,
ihr Schlaf umknistert hell von Stroh,
ihr Blick aus dunklem Indigo
hat keiner Bitte sich versagt.

Sie schürte aus der Asche Glut,
leis summend buk sie keusches Brot,
und ihre Hand vom Wringen rot
war rauhem Fell der Tiere gut.

Sie hat die Jungfrau still verehrt,
in der Kapelle lang gekniet,
daß sie des Knechtes Blick vermied,
verschleiert bang, was er begehrt.

Sie hat aus Kräutern auch gebraut
den Trank, der kranke Seelen heilt,
sie wußte, wie man Knöchlein feilt
und Mark von schwarzen Wurzeln kaut.

Da hat der Dämon wild gelacht,
die Haut befleckt mit braunem Tau
dem Knecht, dem Bauern und der Frau,
die rein blieb, schwor man, hat’s vollbracht.

Als schon die Flammen sie umloht,
hat man den Schrei gehört, den Schrei,
„O Jungfrau, Magd du, steh mir bei,
nur eine Träne meiner Not!“

Wo ihre Asche hingestreut,
ein klares Wasser bald entsprang,
das wundersam der Seele sang,
die ihre Schuld bereut.

Birg, Dichter, sie in Liedes Schrein,
die auf der sanften Schulter trug,
den sie dir aufgefüllt, den Krug,
mit einem Wasser, demutrein.

 

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